amp templates

Spanien: Madrid


Tag 95 und 96 / Sa und So 10./11.11.2018 / Madrid

(Cornelia) Constanze und Walter verlassen Moclín kurz vor uns. Unsere Wohnung ist rasch ‚abgewickelt‘, und so sind auch wir bald unterwegs (Moclín/Madrid: 402 km). Im eigentlich hässlichen Massen-Wein-Städtchen Valdepeñas - genau in der Mitte zwischen Moclín und Madrid gelegen - findet sich ein sehr nettes Café. So gestärkt können wir getrost dem Wind bei Consuegra trotzen. Dreizehn Windmühlen stehen dort an einer Bergkante; keiner von uns beiden hat je einen so starken Wind erlebt! Einmal lupft es sogar mich und ‚verrutscht‘ mich… Wir klammern uns aneinander und kämpfen uns, nach vorne gebeugt, gegen den Wind bis fast zur letzten Windmühle. Wow! Im Auto, nach einigen Minuten aufgetaut, aber noch in Jacken, lesen wir nach, wie und warum Don Quixote von La Mancha (wo wir gerade sind) gegen Windmühlenflügel gefochten hat. Aha, Schelmenroman war mir klar, aber das ganze ist eine Parodie aufs Rittertum. Der gesamte Text ruht mittlerweile auf dem ebook, mal sehen, ob der Impuls, in die vielen Seiten hineinzuschnuppern, groß genug sein wird… Jedenfalls sind die weiß-schwarzen Mühlen vor den dunklen Wolken ein wunderbares Fotomotiv! 
Weitere Besichtigungen verhindert das regnerisch-windige Wetter, weshalb wir etwas auf die Übergabe der Wohnung warten müssen. Draußen ist es kalt, die Wohnung ist warm – da fällt die Wahl nicht schwer! 
Alle Reiseführer preisen den sonntäglichen Markt ‚El Rastro‘ an. Angeblich ein Sonntagsvergnügen der Madrilenen, die Stände und Waren seien je nach Kategorie in bestimmte Straßen verteilt – na, das lässt sich leicht überprüfen. Tatsächlich hören wir kaum Deutsch oder andere Fremdsprachen, der Markt ist riesig (obwohl er doch JEDEN Sonntag stattfindet), verschiedene Gruppen machen Musik, die Menschen(massen) flanieren gut gelaunt; es gibt Straßenzüge voller Antiquitäten unterschiedlicher Qualität, viel Kleidung, viele Lederwaren – ein buntes Treiben. (Kein Vergleich mit dem viel zu kommerziellen Hamburger Fischmarkt!!) 
Irgendwann sind wir müde, gehen in die ziemlich nah gelegene Wohnung und entspannen den Rest des Tages. Weltreisende sollen sich immer mal Bummeltage gönnen – haben wir gelesen. Und das tun wir nun.


Mobirise

Tag 97 / Mo 12.11.2018 / Madrid

(Cornelia) Erster Programmpunkt (und immer montags zwischen 12 und 16 Uhr kostenlos): die berühmte Sammlung Thyssen-Bornemisza. Den Stiftern der unglaublich großen, sieben Jahrhunderte umfassenden Sammlung begegnet man schon in der Eingangshalle. Zunächst aber hängen da überlebensgroß König Carlos und Königin Sofia. Und was für wunderschöne Bilder von berühmten Malern in den vielen Ausstellungsräumen folgen!! Man kommt ins Schwelgen… Die Auswahl ist erstklassig und kostbar, die Hängung plausibel und gut begleitet. Ein Genuss!
Unten findet sich eine Auswahl unserer persönlichen Highlights.

Mobirise

Auslüften tut Not – schräg gegenüber liegt der Jardín botánico (Botanischer Garten). Es ist noch immer so aufgebaut, wie es der Gründer bestimmt hat. Alle Pflanzen stehen in von Buchsbäumen gefassten Beeten. Außerdem gibt es eine Ansammlung besonderer Bäumen, deren Laub in prächtigen Rot- und Gelbtönen leuchtet. An manchem Laub kann ich mich gar nicht sattsehen – gewagte Farbkombinationen stellt die Natur da zusammen! In einer kleinen Ausstellung sehen wir gestickte Pflanzen und v.a auch Tiere; gezeichnet hat sie Miquel Barceló, seine Mutter Francisca Artigues sie mit mallorquinischem Stich nachgestickt, was man auch im Video verfolgen kann. Anfangs ein Spaß wurde daraus ein größeres gemeinsames Projekt, zur Freude beider, wie zu lesen ist. Ein ganzes Tierreich ist auf diese Weise entstanden.

Mobirise

Bevor sich die ebenfalls kostenlose Abendöffnung im Museo Reina Sofía anschließt, rasten wir noch ein wenig im Jugendstil-Bahnhof Atocha. Ganz in der Nähe liegt das Museum mit dem neuen Anbau von Jean Nouvel, einem französischen Star-Architekten. Dieses Mal kann uns sein Entwurf nicht überzeugen: Der überdachte Raum, der entsteht, wirkt überdimensioniert und kalt, und die Anschlüsse an den älteren Museumsbau sind eher verwirrend nur auf manchen Stockwerken möglich. Auch innen überzeugt das Museum nicht ganz: Die ausgestellten Werke aus der Moderne und Postmoderne berühren uns kaum, 90-Minuten-Filme von Bunuel verlocken uns in dieser Museumsatmosphäre nicht. Allein das berühmte „Guernica“ von Picasso ist den Besuch in unseren Augen wert. Es ist wirklich im Original sehr beeindruckend und in der Kriegsthematik (Angriff der Deutschen Luftwaffe auf das baskische Guernica 1937) bedrückend. Leider darf man es nicht fotografieren. Abendliche Erholung dann im Kneipenviertel La Latina, das praktischerweise an der U-Bahn-Linie zu unserem Apartment liegt.

Mobirise

Tag 98 / Di 13.11.2018 / Madrid

(Cornelia) Nach den beiden großen Museen am Vortag suchen wir heute das Domizil eines impressionistischen Malers auf, dessen Witwe Wohnhaus, Bilder und Einrichtungsgegenstände der Stadt Madrid geschenkt hat. Es ist die ‚Casa Sorolla‘. [Sorolla widmete kürzlich auch die Hypo-Halle München eine Ausstellung.] Bereits im Kindesalter fiel Sorollas zeichnerisches Talent einem Freund der Adoptivfamilie auf, so dass er schon früh gefördert wurde. Auf einer Paris-Reise wurde er später stark von der Malweise der französischen Impressionisten beeinflusst und entwickelte seinen eigenen Stil, mit dem es ihm vor allem gelang, das Licht unter spanischer Sonne einzufangen. So gilt er als ‚Maler des Lichts‘. Bevorzugte Modelle waren neben seiner Frau Clotilde auch seine drei Kinder (zwei Töchter, ein Sohn); viele Bilder entstanden bei seinem Geburtsort Valencia, wo er sich später ein Ferienhaus leisten konnte, im Garten seines Madrider Hauses (mit andalusischem Patio gebaut) und natürlich auch im Atelier, wo man heute noch Requisiten seiner Bilder und vor allem auch seine Original-Pinsel bewundern kann. Tatsächlich gelingt es der Casa Sorolla, persönliche Biografie, Raumeindruck und doch immerhin 100 Gemälde zu vereinen. Eindrucksvoll ist auch das Blumenfries im Speisesaal, von der Hand des Malers. Ein tolles Museum!

Das Viertel, in dem die Casa liegt, erinnert ein bisschen an Straßenzüge in Paris, alles von der Jahrhundertwende, groß(artig), hoch, bürgerlich. Dann und wann ein modernes Gebäude dazwischen.

Mobirise

Wir fahren ins Zentrum und sehen den Palacio Reál, den Königspalast, der aber gegenüber anderen europäischen Palästen (Paris, Wien, Stockholm) zumindest von außen gesehen stark abfällt und uns nicht zum Entdecken inspiriert. Unversehens stehen wir aber vor der Italienischen Botschaft, wo gerade eine Ausstellung der Künstlerin Alessandra Caló stattfindet: „Der geheime Garten“. Hinter beleuchteten Schwarzweiß-Negativen in Kästen stecken Zweige und Blätter und fügen den Bildern eine weitere Sinnebene zu. Noch mehr interessiert uns die schöne Botschafter-Villa mit ihren hohen Fenstern und bunten Fensterscheiben – italienische Eleganz.

Auf der vielgepriesenen Plaza Mayor (‚einer der schönsten Plätze Spaniens‘) wird gerade ein Weihnachtsmarkt mit vielen Buden und noch mehr Glühbirnen aufgebaut – nein, kein Foto: Der Platz ist verschandelt… In einem Geschäft fällt uns ein Schinken aus Guijuelo auf, der satte 690 Euro kostet – vielleicht als Weihnachtsgeschenk für den Herrn?

Nach dem Eintreffen von Walter und Constanze in der Wohnung, geben wir zu viert ihr Mietauto ab und setzen uns zum Erzählen und Essen in ein Lokal mit peruanischen Spezialitäten. [Danke für die Einladung!]

Mobirise

Tag 99 / Mi 14.11.2018 / Madrid

(Cornelia) Während unsere Freunde ihrem eigenen Programm nachgehen, fahren Tom und ich zum nächsten kleineren Museum, dessen Sammlung sich aber dann doch als sehr umfassend, reichhaltig und kostbar herausstellt. Lázaro Galdiano – Journalist, Verleger, Kunsthändler und –sammler – ließ sich 1903 im Stil der Neo-Renaissance ein mehrstöckiges Palais bauen, um dort selbst in der Bel Etage zu wohnen und in den darüber liegenden Wohnungen seine Sammlungen (als er starb: 12 600 Objekte) unterzubringen. Alle Räume sind mit schönen Parkettböden und Deckenfresken ausgestattet. Reizvoll ist das Zusammenspiel der Bilder mit zeitgenössischen Arbeiten, finanziert von der CocaCola-Stiftung (ja, die gibt es!). Insgesamt kaufte Galdiano fast alles, was er in die Sammlerfinger bekam: Etruskische und römische Kunst, Schwerter aus dem Mittelalter, Münzen, umbrische Keramik, Möbel aus dem Barock… aber auch wertvolle Bilder, z. B. von Hieronymus Bosch. Allein sie sollten schon Anlass für den Museumsbesuch sein. Daneben gibt es noch Gemälde von El Greco, Zurbarán und Goya. Galdianos Sammlergeist und die entstandene Pracht beeindruckt uns zwar, aber wohler und berührter fühlten wir uns im Haus des Malers Sorolla.

Wir sind mit Constanze und Walter am Mercado de San Miguel verabredet, wo es einen Delikatessen-Stand am anderen gibt und man noch besser isst, wenn man einen Sitzplatz in der Mitte ergattert. Durch scharfe Beobachtung und blitzschnelles Handeln gelingt uns beides relativ rasch…

Mobirise

Der ‚Lonely Planet‘ erwähnt noch die alteingesessene und ehrwürdige Chocolateria San Ginés – müssen wir sehen… und kosten. Man äußert an einer Kasse seinen Wunsch, bekommt dann einen Platz zugewiesen (Glück gehabt, wir sitzen im oberen Raum, mit antiker Ausstattung). Im Nullkommanix steht die Tasse mit dickflüssiger schwarzbrauner Flüssigkeit vor einem. Schokolade pur, nur flüssig gemacht – der (Kalorien-)Wahnsinn! Das Belohnungssystem in unseren Gehirnen sendet Glückshormone…

Jeden Abend von 18 bis 20 Uhr ist der Eintritt in den Prado frei. Das sollte für ein erstes Kennenlernen reichen. Schon um 17.20 ist die Schlange ziemlich lang, dennoch sind wir eine Viertelstunde nach der Kassenöffnung drin und eilen – natürlich! - gleich in den Saal mit dem berühmten Triptychon „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch. Wir versenken uns in die vielen Geschichtchen und Details, die das Bild erzählt, und sehen auch noch weitere Bilder desselben Malers an. Dann kommen Dürer, Cranach und viele mehr – leider darf man nicht fotografieren.

Heute feiern wir Constanzes Geburtstag in einem argentinischen Restaurant nach (kleiner Ausblick auf das Kommende!) Ja, klar, es gibt immer einen Grund zum Feiern, man muss nur den Anlass finden…!


Tag 100 / Do 15.11.2018 / Madrid
(Cornelia) Nach dem für längere Zeit letzten gemeinsamen Frühstück machen sich Constanze und Walter noch einmal zum Prado auf, während wir – etwas unsicher, ob wir alles in die Koffer bekommen, was hinein soll – beginnen, manches im Matrioschka-Look zu packen (bedeutet: jedes leere Volumen wird genützt), T-Shirts zu rollen, Lücken geschickt auszustopfen. Tatsächlich können wir auch die äußerst seitenreichen Reiseführer für Neuseeland und Australien noch unterkriegen – Sieg auf der ganzen Linie! Mit unseren Koffern der amerikanischen Marke Osprey (Achtung, Schleichwerbung!) sind wir sehr zufrieden. Keiner meiner Koffer ist je so gut zu packen gewesen, war so standhaft, bot so viele Nischen und Innentaschen – toll!  
Ausgerechnet, als wir mit 8 kg Rucksackgewicht und jeder einem Koffer mit knapp 22 kg das Haus verlassen, beginnt es zu tröpfeln. Schnell sind wir uns einig, dass wir ein Taxi an der Puerta de Toledo anheuern. Wir werden an anderer Stelle sparen… Es lohnt sich insofern doppelt, als der Taxifahrer sich gerne unterhält und wir bis zum Flughafen im Gespräch über Spanien bleiben. Seine Freude an unserer Rundreise geht so weit, dass er dreimal beinahe einen Auffahrunfall produziert.
Das Flugzeug startet pünktlich; zum gekauften Bier gibt‘s ein von der IBERIA spendiertes Tütchen mit Crackern. In Frankfurt wollen wir möglichst schnell beim Hotel ankommen und leisten uns noch mal ein Taxi. Wieder haben wir einen netten Taxi-Fahrer, der uns nebenher soziologisch informiert: Wo es Methadon umsonst gibt, wo die die Call-Boys stehen, welche Straßen man meiden sollte und wo man in Bahnhofsnähe gut Chinesisch essen kann. Er selbst schreibe gerade an seiner Doktorarbeit in Rechtswissenschaften – es gibt also nicht nur taxi-fahrende Philosophen und Germanisten…!

Mobirise



Louies letzter Laut: 

Mobirise


Dieser Stier,
der bleibt hier,
aber wir
gehen fort: 
Heute hier, morgen dort... (sagte schon Hannes Wader)

Nachtrag:

Paulchen Panther (die Älteren unter den Fernsehzuschauern wissen, wen ich meine) hatte Recht: 

„Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage!“

Mobirise

Impressum    Datenschutz    

© Copyright 2018 W. Ocker - Alle Rechte vorbehalten