Tag 97 / Mo 12.11.2018 / Madrid
(Cornelia) Erster Programmpunkt (und immer montags zwischen 12 und 16 Uhr kostenlos): die berühmte Sammlung Thyssen-Bornemisza. Den Stiftern der unglaublich großen, sieben Jahrhunderte umfassenden Sammlung begegnet man schon in der Eingangshalle. Zunächst aber hängen da überlebensgroß König Carlos und Königin Sofia. Und was für wunderschöne Bilder von berühmten Malern in den vielen Ausstellungsräumen folgen!! Man kommt ins Schwelgen… Die Auswahl ist erstklassig und kostbar, die Hängung plausibel und gut begleitet. Ein Genuss!
Unten findet sich eine Auswahl unserer persönlichen Highlights.
Auslüften tut Not – schräg gegenüber liegt der Jardín botánico (Botanischer Garten). Es ist noch immer so aufgebaut, wie es der Gründer bestimmt hat. Alle Pflanzen stehen in von Buchsbäumen gefassten Beeten. Außerdem gibt es eine Ansammlung besonderer Bäumen, deren Laub in prächtigen Rot- und Gelbtönen leuchtet. An manchem Laub kann ich mich gar nicht sattsehen – gewagte Farbkombinationen stellt die Natur da zusammen! In einer kleinen Ausstellung sehen wir gestickte Pflanzen und v.a auch Tiere; gezeichnet hat sie Miquel Barceló, seine Mutter Francisca Artigues sie mit mallorquinischem Stich nachgestickt, was man auch im Video verfolgen kann. Anfangs ein Spaß wurde daraus ein größeres gemeinsames Projekt, zur Freude beider, wie zu lesen ist. Ein ganzes Tierreich ist auf diese Weise entstanden.
Bevor sich die ebenfalls kostenlose Abendöffnung im Museo Reina Sofía anschließt, rasten wir noch ein wenig im Jugendstil-Bahnhof Atocha. Ganz in der Nähe liegt das Museum mit dem neuen Anbau von Jean Nouvel, einem französischen Star-Architekten. Dieses Mal kann uns sein Entwurf nicht überzeugen: Der überdachte Raum, der entsteht, wirkt überdimensioniert und kalt, und die Anschlüsse an den älteren Museumsbau sind eher verwirrend nur auf manchen Stockwerken möglich. Auch innen überzeugt das Museum nicht ganz: Die ausgestellten Werke aus der Moderne und Postmoderne berühren uns kaum, 90-Minuten-Filme von Bunuel verlocken uns in dieser Museumsatmosphäre nicht. Allein das berühmte „Guernica“ von Picasso ist den Besuch in unseren Augen wert. Es ist wirklich im Original sehr beeindruckend und in der Kriegsthematik (Angriff der Deutschen Luftwaffe auf das baskische Guernica 1937) bedrückend. Leider darf man es nicht fotografieren. Abendliche Erholung dann im Kneipenviertel La Latina, das praktischerweise an der U-Bahn-Linie zu unserem Apartment liegt.
Tag 98 / Di 13.11.2018 / Madrid
(Cornelia) Nach den beiden großen Museen am Vortag suchen wir heute das Domizil eines impressionistischen Malers auf, dessen Witwe Wohnhaus, Bilder und Einrichtungsgegenstände der Stadt Madrid geschenkt hat. Es ist die ‚Casa Sorolla‘. [Sorolla widmete kürzlich auch die Hypo-Halle München eine Ausstellung.] Bereits im Kindesalter fiel Sorollas zeichnerisches Talent einem Freund der Adoptivfamilie auf, so dass er schon früh gefördert wurde. Auf einer Paris-Reise wurde er später stark von der Malweise der französischen Impressionisten beeinflusst und entwickelte seinen eigenen Stil, mit dem es ihm vor allem gelang, das Licht unter spanischer Sonne einzufangen. So gilt er als ‚Maler des Lichts‘. Bevorzugte Modelle waren neben seiner Frau Clotilde auch seine drei Kinder (zwei Töchter, ein Sohn); viele Bilder entstanden bei seinem Geburtsort Valencia, wo er sich später ein Ferienhaus leisten konnte, im Garten seines Madrider Hauses (mit andalusischem Patio gebaut) und natürlich auch im Atelier, wo man heute noch Requisiten seiner Bilder und vor allem auch seine Original-Pinsel bewundern kann. Tatsächlich gelingt es der Casa Sorolla, persönliche Biografie, Raumeindruck und doch immerhin 100 Gemälde zu vereinen. Eindrucksvoll ist auch das Blumenfries im Speisesaal, von der Hand des Malers. Ein tolles Museum!
Das Viertel, in dem die Casa liegt, erinnert ein bisschen an Straßenzüge in Paris, alles von der Jahrhundertwende, groß(artig), hoch, bürgerlich. Dann und wann ein modernes Gebäude dazwischen.
Wir fahren ins Zentrum und sehen den Palacio Reál, den Königspalast, der aber gegenüber anderen europäischen Palästen (Paris, Wien, Stockholm) zumindest von außen gesehen stark abfällt und uns nicht zum Entdecken inspiriert. Unversehens stehen wir aber vor der Italienischen Botschaft, wo gerade eine Ausstellung der Künstlerin Alessandra Caló stattfindet: „Der geheime Garten“. Hinter beleuchteten Schwarzweiß-Negativen in Kästen stecken Zweige und Blätter und fügen den Bildern eine weitere Sinnebene zu. Noch mehr interessiert uns die schöne Botschafter-Villa mit ihren hohen Fenstern und bunten Fensterscheiben – italienische Eleganz.
Auf der vielgepriesenen Plaza Mayor (‚einer der schönsten Plätze Spaniens‘) wird gerade ein Weihnachtsmarkt mit vielen Buden und noch mehr Glühbirnen aufgebaut – nein, kein Foto: Der Platz ist verschandelt… In einem Geschäft fällt uns ein Schinken aus Guijuelo auf, der satte 690 Euro kostet – vielleicht als Weihnachtsgeschenk für den Herrn?
Nach dem Eintreffen von Walter und Constanze in der Wohnung, geben wir zu viert ihr Mietauto ab und setzen uns zum Erzählen und Essen in ein Lokal mit peruanischen Spezialitäten. [Danke für die Einladung!]
Tag 99 / Mi 14.11.2018 / Madrid
(Cornelia) Während unsere Freunde ihrem eigenen Programm nachgehen, fahren Tom und ich zum nächsten kleineren Museum, dessen Sammlung sich aber dann doch als sehr umfassend, reichhaltig und kostbar herausstellt. Lázaro Galdiano – Journalist, Verleger, Kunsthändler und –sammler – ließ sich 1903 im Stil der Neo-Renaissance ein mehrstöckiges Palais bauen, um dort selbst in der Bel Etage zu wohnen und in den darüber liegenden Wohnungen seine Sammlungen (als er starb: 12 600 Objekte) unterzubringen. Alle Räume sind mit schönen Parkettböden und Deckenfresken ausgestattet. Reizvoll ist das Zusammenspiel der Bilder mit zeitgenössischen Arbeiten, finanziert von der CocaCola-Stiftung (ja, die gibt es!). Insgesamt kaufte Galdiano fast alles, was er in die Sammlerfinger bekam: Etruskische und römische Kunst, Schwerter aus dem Mittelalter, Münzen, umbrische Keramik, Möbel aus dem Barock… aber auch wertvolle Bilder, z. B. von Hieronymus Bosch. Allein sie sollten schon Anlass für den Museumsbesuch sein. Daneben gibt es noch Gemälde von El Greco, Zurbarán und Goya. Galdianos Sammlergeist und die entstandene Pracht beeindruckt uns zwar, aber wohler und berührter fühlten wir uns im Haus des Malers Sorolla.
Wir sind mit Constanze und Walter am Mercado de San Miguel verabredet, wo es einen Delikatessen-Stand am anderen gibt und man noch besser isst, wenn man einen Sitzplatz in der Mitte ergattert. Durch scharfe Beobachtung und blitzschnelles Handeln gelingt uns beides relativ rasch…
Der ‚Lonely Planet‘ erwähnt noch die alteingesessene und ehrwürdige Chocolateria San Ginés – müssen wir sehen… und kosten. Man äußert an einer Kasse seinen Wunsch, bekommt dann einen Platz zugewiesen (Glück gehabt, wir sitzen im oberen Raum, mit antiker Ausstattung). Im Nullkommanix steht die Tasse mit dickflüssiger schwarzbrauner Flüssigkeit vor einem. Schokolade pur, nur flüssig gemacht – der (Kalorien-)Wahnsinn! Das Belohnungssystem in unseren Gehirnen sendet Glückshormone…
Jeden Abend von 18 bis 20 Uhr ist der Eintritt in den Prado frei. Das sollte für ein erstes Kennenlernen reichen. Schon um 17.20 ist die Schlange ziemlich lang, dennoch sind wir eine Viertelstunde nach der Kassenöffnung drin und eilen – natürlich! - gleich in den Saal mit dem berühmten Triptychon „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch. Wir versenken uns in die vielen Geschichtchen und Details, die das Bild erzählt, und sehen auch noch weitere Bilder desselben Malers an. Dann kommen Dürer, Cranach und viele mehr – leider darf man nicht fotografieren.
Heute feiern wir Constanzes Geburtstag in einem argentinischen Restaurant nach (kleiner Ausblick auf das Kommende!) Ja, klar, es gibt immer einen Grund zum Feiern, man muss nur den Anlass finden…!
Louies letzter Laut:
Dieser Stier,
der bleibt hier,
aber wir
gehen fort:
Heute hier, morgen dort... (sagte schon Hannes Wader)
Nachtrag: