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Argentinien:
Buenos Aires
Teil 1:
Erste Woche


Ja, es geht nach Buenos Aires - aber noch nicht sofort... Wir reisen über Frankfurt/Main an, denn unser 'Round-the-World'-Flugticket gilt nur ab  Deutschland...! 

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Tag 101 / Freitag 16.11.2018 / Frankfurt

(Cornelia) Gut geruht und gefrühstückt – auf in den Städel! [Ich male mir schon förmlich die Kommentare aus… JA, es ist nötig, jetzt noch ins Kunstmuseum zu gehen: Das war für mich von dem Moment an gesetzt, als klar war, dass wir unser Round-the-World-Ticket in Deutschland antreten müssen.] Dort gibt es momentan eine große Vasarely-Retrospektive mit 100 Bildern und eine kleine, feine Ausstellung mit vielen Portraits der jüdischen Malerin Lotte Laserstein (nie gehört!!), deren Bilder zur entarteten Kunst zählten und die deswegen nach Stockholm ins Exil ging, wo sie bis zum Lebensende blieb.

Vasarelys didaktisches Museum in Gordes (Provence), das Tom seinerzeit noch besucht hat, existiert nicht mehr, aber tatsächlich gibt es Vasarely-Museen in Aix-en-Provence und Budapest (V. war Ungar und hat später die französische Staatsbürgerschaft angenommen) und weitere Bilder in Basel, New York usw., die der fleißige Kurator zusammengetragen hat. Die Ausstellung dokumentiert Vasarelys Entwicklung und in welcher Weise sich manche Motive wandeln. Uns tun seine farbigen Bilder, die oft auf mathematischen Berechnungen basieren, nach all den vielen Madonnen und Heiligen in Spanien so richtig gut. Dass er als Grafiker das Logo der Münchner Olympiade 1972 sowie das Renault-Logo gestaltet hat, erfahren wir aus den Begleittexten. Die größten Erfolge hatte er mit fast psychedelischen Bildern in den 70er-Jahren. Den Alltag mit Kunst zu füllen, war sein Credo. Deshalb steht am Anfang der Ausstellung der Nachbau der Wände des Speisesaals der Deutschen Bundesbank. Ich ertappe mich dabei, doch tatsächlich an die Schule zu denken (Lehrplan Ethik, Jahrgangsstufe 5, Wahrnehmen → Optische Täuschungen)… ok, einmal ist kein Mal…!

Lotte Lasersteins Portraits zählen zur ‚neuen Sachlichkeit‘. Igitt, schon wieder ein Schulgedanke: Deutsch, Klasse 12… Vor der Reichskristallnacht hatte sie es zu einer gewissen lukrativen Bekanntheit gebracht; danach durfte sie nicht mehr malen. Auf vielen Bildern stellt sie sich auch selbst als Malerin dar; Frauen durften erst ab 1919 überhaupt die Kunstakademie besuchen – ist das nicht unglaublich?

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Eltville / Wiesbaden

Um 15.00 warten wir am Bahnhof Wiesbaden auf Evi und Günther. Schönes Wiedersehen! Weil die Sonne herrlich scheint und das restliche Laub der Weinberge leuchten lässt, beschließen wir, gleich noch in den Rheingau zu fahren. In Eltville promenieren wir der Sonne entgegen, genießen die letzten Lichtstrahlen und den Anblick des Rio Rín, wie der Rhein auf Spanisch heißt. Gerne lassen wir uns zu einem ‚Schöppsche‘ verführen; ich wähle die heiße Variante ‚Winzerglühwein‘, in der Annahme, dass es für diese Saison der erste und letzte Glühwein sein wird…

Evi wirbelt in der Küche, ich helfe natürlich und freue mich insgeheim schon auf Toms Gesicht: Evi macht Spätzle! Feldsalat und Spätzle (zu Schweinelende plus Tomatensalat) – Tom ist im Glück, und das deutsche Abschiedsessen ist mehr als gelungen! Ohne zu wissen, dass Tom ein Württemberger Schwabe ist, hat sich Evi außerdem für ‚schwäbischen Apfelkuchen‘ zum Dessert entschieden – unglaublich! Günther untermalt das Essen mit passender Musik von der Schallplatte; ebenso ist er für die Fahne mit dem fränkischen Rechen an der Haustüre verantwortlich…!

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Tag 102 und 103 / Samstag und Sonntag 17. und 18.11.2018 / Flug von Frankfurt über London nach Buenos Aires

Mittlerweile hat Günther auch noch eine Che Guevara-Fahne in den Flur gehängt, unter der jeder an diesem Tag mehrfach durchschlüpfen muss… Frühstück, die bestellten Sachen in die Koffer integrieren, noch ein paar von Günthers meisterhaften Fotobüchern ansehen – und schon ist der Vormittag um. Auf dem Weg zum Bahnhof gibt es noch einen kleinen Stop an der neuen Rhein-Main-Halle, die verdienterweise einen Preis gewonnen hat, und eine Brise Frischluft, damit wir die Zeit später im Flugzeug besser aushalten. Ein letztes Foto vom Aufbruch am Bahnhof [danke, Claudia, hätte ich ohne deine Aufforderung wieder vergessen…], Abschied, Winken: Schön war‘s! [Evi und ich kennen uns seit Dezember 1974 – da war ich vierzehn! An dieser Stelle ein Dank an meinen Vater, der Evis Annonce „Brieffreundin gesucht“ in einer Jugendzeitschrift entdeckt hat.]

Das Warten am Flughafen ist lang, aber nicht langweilig; an der Sicherheitskontrolle ist auch nichts los, weswegen es die Kontrolleure besonders genau nehmen. Ja, klar, ich ziehe die Wanderstiefel gerne aus und nehme selbstverständlich auch noch das gebrauchte Taschentuch aus der Hosentasche…!

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Flug und Ankunft 
In London sind wir schon bald und nehmen als erstes „Harrods“ wahr. Es gibt noch ein – wirklich! - leckeres Abendessen – in puncto Kochen scheint London auch von Europa profitiert zu haben…

Zum Flieger müssen wir noch eine Station mit einem Shuttle-Zug fahren und haben gerade noch Zeit, uns bereit zu machen (Heparin-Spritze, Stützkniestrümpfe… ja, wir werden älter, hatten wir früher alles nicht… ) und schon startet die British Airways Boeing 787 mit vier Piloten, vielen Flugassistenten und noch mehr Menschen an Bord, die in drei Reihen zu 2 x 4 und 1 x 4 sitzen.

Weil wir am Morgen nicht einchecken konnten (Informatikproblem), sitzt Tom nach einem kleinen Tausch vor mir (der Computer – ist der doof! - hatte uns jeweils zwischen ein Paar gesetzt). Was das Spray im Flugzeug soll, mit dem zwei Flugassistenten einmal hin- und herlaufen, verstehe ich erst in Buenos Aires: Es handelt sich um Insektenspray – ahaaa. Kompliment: Alle sind ruhig, viele schlafen (wie ich… 6,5 Stunden), die Jalousien bleiben lange zu, man wird gut mit Essen (23.30) und Frühstück (9 Uhr) versorgt, man hat ausreichend Platz und bekommt genug zu trinken. Ich lese zwei Drittel eines (nicht sehr dicken) Romans – und die 14 Stunden vergehen ‚wie im Flug‘. Die Beamten der Einwanderungsbehörde haben mit ihren nordamerikanischen Kollegen nichts gemein und empfangen uns und unseren Fingerabdruck lächelnd.

Rasch begreifen wir, dass man das Taxi in die Innenstadt an einem Schalter im Voraus bezahlt und dann persönlich zu seinem Fahrer begleitet wird. Nachdem ich ihm eine Frage zu einem Stadtteil stelle, wird er gesprächig und erzählt uns von seiner deutschen Abstammung. Der Großvater sei deutscher Einwanderer, ja, zweiter Weltkrieg, er selbst habe einen deutschen Namen: Adolf. Ganz stolz strahlt er uns an. Honi soit qui mal y pense… Jedenfalls fährt er flott und lädt uns an unserem Apartment ab.

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Unsere Wohnung
Nächster Schritt: Schlüsselsuche. Graciela, die Wohnungsbesitzerin (Airbnb), kann nicht kommen und hat sich eine kleine Schnitzeljagd ausgedacht oder, moderner ausgedrückt, eine Art umgekehrter EscapeRoom, denn wir wollen ja rein und nicht raus. Über WhatsApp habe ich Fotos bekommen, wir finden dann draußen auf dem Bürgersteig – lose versteckt - den Magnetchip für die untere Eingangstüre und dann in einem weiteren Versteck im Haus den Wohnungsschlüssel. Kurios – aber: es hat geklappt!

Botanischer Garten
Unsere Wohnung entspricht den Angaben und Fotos im Netz 1:1. Wir blicken auf eine kleine Oase im quirlig-lauten Buenos Aires, mit grünen und lila blühenden Bäumen und einem Pool. Nach einer kleinen Pause gehen wir zum Botanischen Garten, der nur vier Blocks (die meisten Straßen sind rechtwinkelig angeordnet wie in Nordamerika) entfernt liegt. Nach der Flugzeugluft tut das Luftschnappen gut: Hier ist ja Frühling! Vieles blüht: Gardenien, Trompetenbäume, Lilien, Oleander, Hibiscus; wir sehen die Mate-Bäume, deren Blätter den Tee geben, und immer wieder die herrlich lila blühenden Bäume, deren Namen wir nicht kennen. Die Natur tut gut! Tom sucht noch online nach einem geeigneten Restaurant („Caldén“), wo wir unser erstes argentinisches Steak in Argentinien mit großer Freude verspeisen.

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Tag 104 / Mo 19.11.2018 / Buenos Aires

(Cornelia) Schon am Vormittag lernen wir, dass alles nicht ganz so einfach ist, wenn man den Kontinent wechselt. Wir wollen kostenlose Karten für ein Konzert – das Anmelden online klappt nicht, weil man unbedingt eine (Reise-) Passnummer braucht und ausländische Pässe nicht vorgesehen sind. Die Buchung einer Führung zu Street Art scheitert an irgendeinem Item beim Bezahlen. Außerdem ist Nationalfeiertag… vieles hat geschlossen… OK, dann nicht, erst mal eine Merienda, einen Vormittagshappen, im Café del Botánico. Auch danach klappt jede Menge nicht: 1) Der U-Bahn-Eingang ist versperrt, weil die Station am Wochenende geschlossen ist, d.h. wir können erst mal kein Ticket kaufen, 2) auf unserem Weg sehen wir einen Hop-on-hop-off-Bus, der uns aber nicht mitnimmt, weil wir kein Bargeld mehr haben, 3) steht am Japanischen Garten einen Riesenschlange an einer einzigen Kasse an, 4) nehmen die ersten beiden Banken, die wir nach langem Gehen sehen, keine VISA-Karte. Als wir endlich flüssig sind, lassen wir uns genervt in einem Café nieder – und lernen ein neues Getränk kennen: den ‚licuado‘, püriertes, mit Wasser oder Milch verdünntes Obst, z. B. Erdbeere, die hier nicht ‚fresa‘, sondern ‚frutilla‘ (sprich: fruti:scha) heißt, also anderes Wort plus andere Aussprache als im kastilischen Spanisch. Aber das Getränk selbst erfrischt uns wunderbar!

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Immerhin haben wir auf dem Weg ein ‚Museo del Arte Popular‘ (Volkskunstmuseum) gesehen. Es hat wider Erwarten offen. Wir lernen eine Menge über Mate und v. a. die diversen, kunstvoll verzierten Trinkgefäße (19. und 20.Jh.), den zugehörigen Löffel mit Sieb (bombilla genannt) und die drei Messergrößen, die Gauchos verwenden. Dazu gibt es auch Bilder, die das Leben der Gauchos verdeutlichen (Tom fühlt sich sofort an Karl May erinnert, und wirklich gibt es mehrere Bände, die in Südamerika spielen: Das Vermächtnis des Inka, Am Rio de la Plata, In den Kordilleren). Außerdem gibt es noch einen Raum, in dem Objekte ausgestellt sind, die einen Kunsthandwerkspreis gewonnen haben. Tolle Sachen gibt es da: Jacken, die wie ein Gemälde gestrickt sind, Lederwesten, kunstvolle Gebilde aus Holz, geometrische Fadenbilder – schöne Sachen. Wir finden, auch das ist eine gute Art, sich Lateinamerika zu nähern.

Das Wetter ist so schön, dass wir es noch einmal beim Touristen-Bus versuchen, dieses Mal mit Bargeld – und werden abgelehnt! Offenbar wird so spät niemand mehr mitgenommen, obwohl die vielen Busse immer nur zu höchstens zwei Drittel ausgelastet sind. Heute ist nicht unser Tag, wie uns scheint. Der Weg zurück zieht sich; das Museum zu Ehren Evita Peróns hat geschlossen (s.o….). Immerhin konnten wir unterwegs noch einkaufen – in Argentinien gibt es kein Ladenschlussgesetz. Mails etc. können wir momentan nur mit WiFi im Apartment empfangen – und da lesen wir, dass die Buchung der StreetArt-Tour für Mittwoch doch noch gelungen ist. Ganz schön ungewohnt und anstrengend, dieses Auf und Ab.

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Tag 105 / Di 20.11.2018 / Buenos Aires

(Cornelia) Graciela, unsere Vermieterin, will uns noch kurz sehen und Pool-Handtücher bringen. Langsam sprechen ist nicht ihre Sache, aber es gibt ja auch nichts zu klären.

Neuer Tag, neues Glück. Wir statten uns mit Metro-Karten aus (erhältlich in den U-Bahn-Stationen, klar, aber auch in Lotteriegeschäften oder in manchen Supermärkten) und kaufen zwei Handy-Prepaid-Karten, deren Inbetriebnahme uns die folgenden drei Tage beschäftigen wird. Sind wir zu doof…? Wieder scheitern wir am Reisepass. Dagegen klappt es auf Anhieb, einen Schuster zu finden, der meinen Rucksack aus Ronda repariert.

Palermo Viejo, das alte Palermo, mit niedrigen Häusern aus der Kolonialzeit, steht auf unserem Programm. Die kleinen, oft verzierten Häuschen erinnern uns an manche Straßen in Porto; manchmal sehen die Straßenzüge aber auch wie in Dallas oder anderen nordamerikanischen Städten aus, mit großen Bäumen (häufig Linden oder Platanen), Coffee-Shops und vielen Eisdielen. Es gibt viele Wandbilder, bunte Farbe, Reliefs. Die Straßennamen lauten Paraguay, Honduras, El Salvador, Guatemala, Costa Rica oder Nicaragua; das alte Viertel nennt sich ‚Palermo Soho‘ und ist DAS Ausgehviertel der Stadt. Zur Unterscheidung wird ein anderer Teil als ‚Palermo Hollywood‘ bezeichnet, weil dort Radio- und TV-Sender ihre Studios haben.

Was uns gleich auffällt, sind die vielen Gerüche in der Stadt – nicht nur von der angenehmen Sorte, leider… Gut duften die Linden, der Jasmin, dazwischen riecht es weniger lecker nach Kloake und Urin. Ganz schlimm ist die heiße Luft in der U-Bahn, die hier ‚Subte‘ heißt, zum Schneiden; manche Lüftungsgitter befinden sich auf den Gehsteigen – dann riecht man auch noch oben das Subte-Lüfterl... Außerdem ist es in Buenos Aires sehr laut; der Verkehr ist sehr dicht,man hört ihn immer rauschen, aber es wird auch gerne gehupt. An Zebrastreifen bremsen die Fahrer nicht – was waren wir da von den Spaniern verwöhnt! Was auch seltsam ist: Manchmal spürt man einen Tropfen – es scheint Kondenswasser aus einem der vielen Klimageräte zu sein.

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Das Centro Culturál Kirchner, das im Gebäude der ehemaligen Hauptpost untergebracht ist, wie wir lesen, hat zwar heute geschlossen, aber der Ticketschalter ist geöffnet. Was staunen wir, als wir drin sind! Sehr hohe Decken, der originale Schalterraum von 1928, eine Jugendstil-Glasdecke, aber auch moderne Kunstwerke! Wow! Hier gelingt auch die Registrierung, und wir lassen uns aufklären, dass es pro Woche auf einen Namen nur zwei Karten für ein Konzert kostenlos gibt. (Wieder spielt uns der Pass ein Schnippchen: Tom hatte seinen Pass nicht dabei, sonst hätte auch er sich registrieren lassen können….) Aber immerhin: Wir haben sie, die Karten für ein Frank-Zappa-Revival-Konzert!
Hier ist das Bankenviertel von Buenos Aires sowie die Handelsbörse: Alles gigantisch groß, vieles aus den 20er-Jahren, sehr (nord)amerikanisch. Ganz klein stehen wir vor riesigen Türen und erhaschen mehrfach Blicke ins Innere. Vieles ist aber auch modernisiert und umgebaut.

Der Amtssitz des Staatspräsidenten liegt an der Plaza de Mayo (sprich: ma:scho (??)]in der ‚Casa Rosada‘, dem rosa Haus; wegen des bald stattfindenden G20-Gipfels ist vieles schon abgezäunt. Jeden Donnerstag um 15.30 demonstrieren hier die Mütter, deren Kinder in der Diktatur (1977 - 1983) an andere Familien abgegeben wurden. Es ist ein großes Thema in Argentinien, v.a. ist es erst in 128 Fällen gelungen, die wahren Eltern ausfindig zu machen; etwa 6000 verschleppte Babys soll es aber geben. Ähnliches ist auch unter dem Diktator Franco in Spanien passiert; dort gibt es derzeit einen spektakulären Modellprozess. Als Symbol tragen die Mütter bei ihrer Demonstration ein weißes Kopftuch, das für die Windel des verlorenen Kindes steht. Am heutigen Dienstag gibt es keine Mütter auf dem Platz, dafür entdecken wir eine Aufschrift: „Nunca mas!“ (nie mehr); wir wollen auch nicht absichtlich am Donnerstag hingehen, weil wir Demo-Sightseeing unangebracht finden.

Auch für andere Angelegenheiten wird (stumm) demonstriert: Manche Leute tragen grüne Tücher an ihren Taschen, was bedeutet, dass sie für die Legalisierung der Abtreibung sind. Die Gegner tragen hellblaue Tücher.

Riesige Häuser, Stil-Mix, viele Baulücken, Wildwuchs – so wirkt das ‚Microcentro‘ auf uns; sehr lärmend und verkehrsreich. An der Plaza 9 julio steigen wir in die U-Bahn ‚nach Hause‘ – und sind platt…


Tag 106 / Mi 21.11.2018 / Buenos Aires
(Cornelia) Tom ärgert sich immer noch mit der argentinischen Telefonkarte herum, sonst aber verbringen wir einen ruhigen Vormittag, wohl wissend, dass wir eine gute Dreiviertelstunde zu Fuß zum Treffpunkt der StreetArt-Führung gehen müssen, die dann drei Stunden dauern wird.
Letztlich kommt eine Gruppe von 14 Leuten zusammen. Unser Guide ist Anthropologie-Studentin und spricht ein sehr gutes Englisch. Graffitimundo ist eine Non-profit-organization und unterstützt StreetArt-Künstler. Die Geschichte der Graffitis in Buenos Aires beginnt anders und später als in Europa und Nordamerika: Zunächst lernen die Kinder reicher Argentinier Graffitis auf Reisen kennen und beginnen zu sprayen. Später professionalisiert sich die Szene: Viele haben eine künstlerische Ausbildung, einer ist Bühnenbildner. Und vor allem: Anders als in Europa arbeiten sie meist nicht in der Illegalität, sondern werden gebeten (Biete Wand, suche Maler!) oder beauftragt. Oft liegt das Motiv völlig in ihrer Hand, manchmal dient das Bild auch Werbezwecken – statt Plakatwand. Viele StreetArtists geben auch politische oder sozialkritische Statements in ihren Bildern ab.
Verschiedene Techniken sind entwickelt worden: Mit der Sprühdose nach einer Skizze, mit Pinsel und Latex-Farben (oder wenn die aus waren, auch mal Teerfarbe) oder auch mit einem sog. Stencil, also eine Schablone, mit der man rasch auch größere Flächen bearbeiten kann und v.a. auch mit Wiederholungen in anderen Farben arbeiten kann. Wichtig ist der ‚tag‘, die Unterschrift des Künstlers; manchmal auch als ‚throw-up‘, als unordentliches Gekritzel über dem Bild. Interessanterweise tolerieren und respektieren die anderen Sprayer ihre berühmteren Kollegen – das ist doch erstaunlich.
Man zeigt uns Wandbilder an kleineren Privat- und großen Wohnhäusern, am Flohmarkt, in einer Kneipe. Zwischendurch werden wir manchmal ein Stück mit dem Bus gefahren. Mittlerweile versuchen die StreetArt-Künstler, sich auch mit kleineren Formaten (fürs Wohnzimmer) einen Markt zu verschaffen, weswegen wir in der Mitte des Rundgangs auch Zutritt zur Galerie von ‚graffitimundo‘ haben. Wer mehr über die Künstler erfahren will, sei auf folgende Website verwiesen: https://graffitimundo.com/es/artistas/
Nach dem Rundgang sind wir jedenfalls ein ganzes Stück aufgeklärter als vorher und sehen die Wandbilder mit anderen Augen.


Heimat?!
Immer wieder werden wir gefragt, ob wir denn ‚Heimweh‘ oder ‚Sehnsucht nach Zuhause‘ hätten. 

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Nein, das ist uns fremd! Wir sind stets neugierig, können uns auf Neues einlassen, wollen entdecken (auch wenn uns Buenos Aires auf eine durchaus heftige Probe stellt...). Mit der Heimat, d. h. unseren Kindern und den Freunden in der Heimat sind wir per WhatsApp, Mail und Blog verbunden; mit meinem Vater telefoniere ich sonntags; unsere Bücher und CDs, die auch eine Art Heimat sind, tragen wir immer mit uns. Wir kochen viel selbst – die Rezepte, der vertraute Geschmack… auch das ist Heimat.
Eine kleine Mutprobe erfordert allerdings der Friseurbesuch; ich schleiche erst mal länger um die Friseurläden herum und schiebe dann doch den Termin hinaus, bis es unerträglich wird. Dann beginnt die Zitterpartie im Laden – gar nicht angenehm – Heimatverlust – Hilfe, jemand geht mir an Kopf und Kragen.
In Buenos Aires stellen wir fest: Schon beim zweiten oder dritten Mal im selben Lokal (z.B. im Café del Botánico) erkennen uns die Kellner wieder, lächeln mehr, begrüßen uns freundlicher. Man kann sich eine neue Heimat – im Sinne eines vertrauten Gefühls – auch aufbauen.

Und: Wir haben ja ‚uns‘! Wenn das keine Heimat ist…! 


Tag 107 / Do 22.11.2018 / Buenos Aires
(Cornelia) Ein erfolgreicher Tag dämmert heran… Inzwischen ist klar, dass wir für die Waschmaschine unten im Haus eine Münze brauchen, die es drei Blocks weiter zu kaufen gibt. Mein kleiner Rucksack ist beim Schuster abholbereit; unsere Handys sind bei der örtlichen Telefongesellschaft angemeldet, und es gelingt uns auch, das Aufladen zu erwerben. Allerdings funktionieren die Handys auch dann noch nicht – Geduld ist angesagt. Wir gehen am Nachmittag noch mal zur Telefongesellschaft, warten etwa eine halbe Stunde; Tom wird angemeldet, yeah, er ist drin!! Mir wird versprochen, dass es in einer halben Stunde auch so weit sei… Frohen Mutes fahren wir ein paar Stationen mit der U-Bahn. Der kleine Park dort ist lila, weil der Wind so viele Blüten der lila blühenden Bäume heruntergeweht hat. „Notorious“, ein Jazz-Club, hat wider Erwarten offen, und so können wir Karten für den Samstag kaufen. Ist das möglich? So vieles klappt heute!! Nein, kann nicht sein: Denn meine Telefonkarte funktioniert weiterhin nicht… nei-hein! So isses, auch Globetrotter müssen Niederlagen einstecken (ich schreibe solche Sachen ja nur, damit der Neid unserer Leser nicht zu groß wird…). 
Das nächste Ziel liegt an der Avenida Santa Fé und heißt „El Ateneo“. Seit 17 Jahren ist die Buchhandlung dieses Namens in das ehemalige Theater „Gran Splendid“ eingezogen: Wo früher die Sitzreihen waren, stehen heute Bücherregale. Zum Anlesen oder Schmökern kann man sich in eine seitliche Loge zurückziehen. Auch im Rang gibt es Waren: CDs und DVDs. Schade, dass die Buchhandlung außer Reiseführern nichts in Englisch anbietet; gerne hätten wir etwas zur argentinischen Geschichte erworben, z.B. zur Einwanderung. Immerhin sehen wir zu unserem Schrecken sehr rechte Literatur (übersetzt „Die Asse der Luftwaffe“) und einen Evita Perón-Kalender für 2019 (wenigstens nicht ‚immerwährend‘). Was in argentinischen Buchhandlungen völlig fehlt, ist das ‚Nebengeschäft‘ (Schokolade, Schnickschnack, Schals, Regenschirme, Kaffeetassen…): Es gibt einfach - - - Bücher! Aber auf der ehemaligen Bühne gibt es ein schönes Café mit hervorragenden Kuchen, wovon wir uns ein Stück gönnen. Schließlich steht Tom doch mit einer Film Tragikomödie eines argentinischen Regisseurs an der Kasse (klar, auf meinen Wunsch…), Spanisch mit englischen Untertiteln. Wir stoppen ein Taxi, auch, um das Preisniveau kennenzulernen, und lassen uns im Stoßverkehr nach Hause bringen. Weil es länger dauert, kommen wir auch mit dem Taxista, der ein wenig übers Chaos, die Planlosigkeit seiner Stadt und die ständige Zunahme der Autos (v.a. ohne Garagen oder Stellplätze) schimpft, ins Gespräch.



Tag 108 / Fr 23.11.2018 / Buenos Aires
(Cornelia) Heute ist es 10 Grad kühler, knapp über 20 Grad. Und es ist ein Tag, an dem vieles gelingt: Die Waschmaschine im Keller ist frei, die Münze ist die richtige, der Einkauf im Supermarkt ist rasch erledigt; das Telefonat mit Christoph klappt auch.
Im Museum Eva Perón bekommen wir den Eindruck, dass Eva Perón eine große Populistin war, die ihr Handwerk – Journalismus und Schauspielerei – in den Dienst ihres Präsidentengatten stellte. In alten Filmen sehen wir das jubelnde Volk vor der Casa Rosada und Eva Peróns Körpersprache (später von Madonna im Musical „Evita“ imitiert). Wie man anhand der vielen ausgestellten Kleider sieht, war sie stets stilsicher und wählte Stoffqualität und Schnitt je nach Zielsetzung und Publikum aus. Mitten im Museum gibt es einen andalusischen Innenhof, der uns innerlich wieder nach Spanien katapultiert. Derselbe Effekt ergibt sich wenig später im Apartment, als wir am Blog über Madrid ‘arbeiten‘. 


Tag 109 / Sa 24.11.2018 / Buenos Aires

(Cornelia) In Buenos Aires (BA) gibt es einen Touristen-Hop on-Hop off-Bus, den wir nun endlich nehmen wollen. Er bietet drei Touren an (blau, rot, grün), die manchmal gemeinsame Haltestellen zum Umsteigen haben (www.buenosairesbus.com). Die drei Touren zusammen dauern knapp vier Stunden. Inzwischen haben wir herausgefunden, wo man die Karten kauft (am ‚Broadway‘ von BA, wo viele Theater stehen) und lassen den ersten Bus erst mal sausen, weil er sein Dach zugezogen hat. Wir wollen den Cabrio-Bus!
Die blaue Tour beginnt im sog. Microcentro, also dem innersten Kern der Stadt (Casa Rosada, Cabildo), fährt dann in den Stadtteil Congreso, der europäisches Flair ausstrahlt. Hier liegt auch das Parlamentsgebäude. Von dort aus wechselt der Bus nach San Telmo, einem Viertel, in dem es auch heute noch viele niedrige Kolonialgebäude gibt. Früher wohnten hier die Reichen, bis sie aufgrund einer Gelbfieberepidemie nach Recoleta umgezogen sind.
Wieder wechselt die Kulisse: Wir fahren nach La Boca. Heute Nachmittag soll das Endspiel Boca gegen River Plate in der südamerikanischen Champions League, dem Copa Libertadores, stattfinden. Wir sehen viele Anhänger in ihren Clubfarben und mit Fahnen und Tüchern (Schals sind bei der Wärme nicht so angebracht…), fahren an ihrem Stadion vorbei, einem seltsamen Ding mitten im Wohnviertel gelegen, ‚Bombadera‘ (Bonbonschachtel) genannt. Dass das Lokalderby wegen Ausschreitungen wenig später, noch vor dem Anpfiff, abgesagt werden wird, wissen wir noch nicht. Wir hören aber die Böller der Boca-Fans schon drei Stunden vorher krachen. La Boca ist immer noch das Hafenviertel; es gibt Konservenfabriken. Hier wohnen die ärmeren der italienischen und spanischen Einwanderer, was man durchaus sofort am Zustand der Wohnhäuser sieht. Dennoch gibt es auch eine Touristenmeile, dort, wo die bunt angemalten Häuser stehen; früher brauchte man die von Schiffsanstrichen übrigen Farben am Wellblech der Häuser auf, deswegen ist alles KNALLgelb, - blau-, rot. Hier wird viel Tango getanzt, auch Kunst gemacht und verkauft.
Wieder ändert sich die Kulisse, der Bus fährt von Boca aus ins jüngste der 48 Stadtviertel, nach Puerto Madero: Hochhäuser mit kühlen Glasfassaden, laut Reiseführer auch schicke Lofts; hier ist auch die Fährgesellschaft Buquebus beheimatet, direkt am ‚Terminal fluvial‘. Der ganze Verkehr steht minutenlang still, weil die Drehbrücke betätigt wird. Nach langem Warten kommt ganz langsam ein Zweimaster-Segelboot (vorschriftsmäßig mit eingeholtem Segel) vorbeigefahren. Die rote Buslinie endet nach weiteren Fahrtminuten durch ein Viertel, in dem ehemalige Lagerhäuser aus Backsteinen in Wohnhäuser umgebaut wurden; man sieht es ihnen an.
Durch das Viertel Retiro, in das sich ein ehemaliger spanischer Gouverneur gerne zurückgezogen hat (daher der Name), geht es zur sog. Floralis Genérica, einer riesigen stilisierten Blume aus Metall, die sich am Morgen öffnet und am Abend wieder schließt (siehe Tag 110, Sonntag, weiter unten). Am Fernsehsender vorbei, in dessen Nähe auf einer Wand das Konterfei des berühmten Tangosängers Carlos Gardel prangt, erreicht der Bus erst ein trutziges Gebäude, das früher der Firma Chrysler gehörte, in dem sich im obersten Stock eine Probe-Rennbahn befand (in der Ansicht von oben ist das Gebäude oval, obwohl nach außen rechteckig) und dann das MALBA, ein Privatmuseum (Näheres siehe Tag 110), das am G20-Gipfel die BegleiterInnen der PräsidentInnen besuchen werden, mit Führung des noch lebenden Spenders. Es widmet sich der Kunst Lateinamerikas. Schnell sind wir bei den Bosques de Palermo, weitläufigen Parkanlagen mit altem Baumbestand, wo Tom und ich in Teilen schon am vergangenen Montag waren. Plaza Italia mit Garibaldi-Monument – wie viele Denkmäler in BA ein Geschenk zum 100. Geburtstag der Republik - und Jardín Botánico: Hier kennen wir uns schon aus. Wir nützen die Gelegenheit, in der Nähe unseres Apartments auszusteigen; durchgerüttelt vom langen Busfahren (drei Stunden), unsere Köpfe voller voller Bilder brauchen wir jetzt Ruhe.

Nichtsdestotrotz sind wir abends wieder unterwegs: Es geht zum Jazzclub ‚Notorious‘, in dem man auch ganz ordentlich zu Abend essen kann. Es spielt Ibrahim Ferrer jr mit seiner Band (ja, das ist der Sohn des Ibrahim Ferrers aus dem Buena Vista Social Club). Die Musik ist gut, entspannend und uns gefällt vor allem die Querflöte, gespielt von einer jungen Flötistin. Zum Schluss bricht das argentinische Temperament durch und alle stehen auf und tanzen (na, gut, fast alle, außer uns blieben noch zwei, drei Paare sitzen). Jedenfalls ein schöner Abend. Da keine Subte mehr fährt, bringt uns ein Taxi nach Hause.


Tag 110 / So 25.11.2018 / Buenos Aires 
(Cornelia) Auf ein Neues – die Busfahrkarte gilt exakt 48 Stunden, also noch bis Montag um 12.30 Uhr. Der Bus kommt um die Ecke, es ist die grüne Linie. Wir bekommen aber gleich gesagt, dass diese Strecke nicht möglich ist, weil sie am River Plate Stadion vorbeiführen würde; die ganze Gegend sei wegen der futból- Ausschreitungen von der Polizei gesperrt. Bis zum MALBA könnten wir aber mitfahren und dort in die rote Linie umsteigen. Wir fügen uns den neuen Tatsachen und fahren bis Recoleta. Ohne Plan verlassen wir den Bus, befinden uns aber gleich an einer Attraktion: einem riesigen, wirklich RIESIGEN Gummibaum, den Franziskaner-Mönche 1791, wie Dokumente beweisen, gepflanzt haben. Anfangs begreife ich gar nicht, dass es sich bei dem Wald aus Ästen um Teile nur eines Baumes handelt. Dahinter liegt die Missionskirche des Ordens; wir erhaschen nur einen Blick auf den silbernen Hauptaltar, weil gerade Messe ist. Tom entdeckt den Friedhof von Recoleta, der ein bisschen dem Père Lachaise in Paris ähnelt, aber insgesamt noch bombastischer und pompöser; v. a. stehen die Grabmäler in sehr geringem Abstand zueinander, in bedrängender Enge und oft in sehr schlechtem Zustand. Die Menschenmassen hier strömen hauptsächlich zum Grab Eva Peróns… das wir letztlich verpassen. Aber wir sind auch keine Perón-Pilger… Die Ärmste wurde zweimal exhumiert, bis ihre sterblichen Reste dann in hier bestattet werden konnten. 
Kurz überlegen wir, ob wir dem Museo de las Bellas Artes einen Besuch abstatten, entscheiden uns dann aber doch für das MALBA, um Südamerika noch besser zu verstehen. Auf dem Hinweg kommen wir zu Fuß an der licht-reaktiven Metallblume (von Architekt Ernesto Catalan) vorbei und umrunden sie einmal ganz. Wirklich eine hübsche Idee, mit schönen Lichteffekten durch Reflexe aus dem kleinen Wasserbecken, in dem sie steht. 
Das MALBA selbst gefällt uns als Gebäude (2001, von AFT Arquitectos) , enttäuscht mich aber inhaltlich etwas: Nur zwei Bilder von Diego Rivera, nur eines von Frieda Kahlo; dafür lerne ich den argentinischen Künstler Antonio Berni (1905 – 1981, verschiedene Stilrichtungen von Neue Sachlichkeit bis Pop Art) kennen, von dem der Sammler (und Geschäftsmann) Eduardo Costantini mehrere Bilder erworben hat. Die Themen sind häufig sozial, ethnisch oder auch an europäischen Strömungen orientiert. Sehr lohnend ist dagegen die Retrospektive zu Ehren von Pablo Suárez (BA, 1937 - 2006) mit dem Titel „Narciso plebeyo“ (etwa: Die Ich-Schau/Bezogenheit des einfachen Bürgers). Er setzte sich in seinen Arbeiten (vielen Plastiken und Installationen, aber auch Malerei) mit der künstlerischen und kulturellen Tradition des Landes auseinander, aber auch (vgl. Titel) mit dem Abstieg des Bürgers auf ein unteres Niveau. In den 60er-Jahren gehörte er zur künstlerischen Avantgarde Argentiniens, war aber bis zu seinem Tod sehr angesehen; 2011 wurde ein Werk post mortem auf der Biennale in Venedig ausgestellt. Manches spricht uns weniger an, aber vieles wirft eine sehr ironischen Blick auf die Gesellschaft, speziell auch auf die Rolle des Mannes oder auch des Katholizismus. Suárez hat den Blick eines Kabarettisten, ausgeführt mit Mitteln der Bildenden Kunst. 
(Tom) So, nach langer Abstinenz (Cornelia ist so fleißig, ich habe aber alles durchgelesen vor der Veröffentlichung und manchmal das ein oder andere ergänzt) bin ich nun dran, das Konzert vom Sonntag Abend zu beschreiben. Ort des Geschehens ist das CCK, das Kulturzentrum in der alten Hauptpost, von dem ja weiter oben schon Bilder zu sehen sind. Unser Saal liegt im zweiten (!) Untergeschoss, zu dem zwei sehr lange Rolltreppen abwärts führen. Das ist auch gut so, wie später klar wird. Der ‚Sala Argentina‘ ist ein schöner Konzertsaal mit ansteigenden Sitzreihen, wir bekommen relativ weit vorne Platz, da der Saal noch wenig gefüllt ist, als wir eintreffen, was sich aber bald ändert. 
Soweit die Vorrede, nun zum Act selbst:
Es spielt das 8-köpfige ‚Tony Moliterni Ensemble‘ (dr, b, bs, keyb, ts, as, 2xg, voc), und zwar eine Hommage an Frank Zappa (einem meiner Lieblingsmusiker und -komponisten. Das hätte ich in der Tangostadt Buenos Aires nicht erwartet!) Und noch besser: Die Band spielt viele (dem Zappa-Fan) bekannte Titel ziemlich originalgetreu, für mich ein echtes Erlebnis (nachdem der Meister selbst, den ich zweimal live erlebte, ja leider schon 1993 von uns ging). Der Sänger sieht aus wie ein normaler Büromensch, bewegt sich etwas komisch bis hölzern, singt aber dafür umso besser. Dummerweise ist das Schlagzeug etwas zu laut abgemischt, so dass man insbesondere bei den Saxofonen Mühe hat, die Soli wahrzunehmen. Die anderen Instrumente hört man dafür umso besser, sprich: es ist ordentlich laut (halt ein Rockkonzert). Dadurch kommen sehr schnell Cornelias Ohrstöpsel zum Einsatz (aber sie hält wacker durch bis zum Ende!!), und mir wird klar, warum wir im zweiten Untergeschoss sind: Im Erdgeschoss singt nämlich der Gospel-Chor von Buenos Aires… Die Schalldämmung der alten Hauptpost ist jedenfalls super, wir hören absolut nichts von den Gospelsängern! Nach zwei Zugaben und zwei eingestreuten Piazzolla-Tangos verlassen wir (oder zumindest ich) beseelt das Kulturzentrum Kirchner...



Tag 111 / Mo 26.11.2018 / Buenos Aires
So, letzte Chance für den Bus – und – es klappt! Rund ums River Plate hat es sich wieder beruhigt; die Fans, die mit uns im Bus sitzen, steigen dann dort aus, um das Museum zu besuchen. Uns reicht der Blick von außen [Ja, Roland P., wenn DU dabei gewesen wärst…!] Zunächst aber führt die Tour an den Río de la Plata, der recht braun erscheint und durchaus Wellen wirft, vorbei am direkt am Ufer gelegenen Flughafen Jorge Newberry (benannt nach einem argentinischen Flugpionier) und weiter an der Küste bis zu einer recht abgewrackt wirkenden Universität aus den 70er-Jahren. Sie beherbergt nur zwei Fakultäten, weil der Bau für die geplanten elf weiteren Fakultäten eingestellt wurde. Ums River Plate Stadium herum, fahren wir durch Belgrano, wo wir auf das Chinesische Viertel hingewiesen werden, es aber vom Bus aus nicht sehen. Danach wird es wieder interessanter: Auf den Golfplatz folgen die Pferderennbahn und Polo-Feld, bevor der Bus uns wieder Richtung Palermo bringt. Alles in allem war diese Tour recht unspektakulär, jedoch vermittelt uns die lange Busfahrt immerhin den Eindruck eines gewissen Überblicks.
Leider scheitern wir im nächsten Anlauf wieder mit meiner argentinischen Telefonkarte, was bedeutet, dass ich nur in der Wohnung Empfang habe. Wegen der Zeitverschiebung liegt das ‚Hauptgeschäft‘ ohnehin am Morgen. Wenn ich abends schreibe, schlafen die deutschen FreundInnen ja schon… Vielleicht habe ich in Chile mehr Glück – dort wollen wir es noch einmal versuchen. 

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