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Spanien: Extremadura


Tag 60 / Sa 6.10.2018 Fahrt von Salamanca nach Berzocana

(Cornelia) Im Reiseführer habe ich schon/erst am Donnerstag entdeckt, dass unser Weg in die Extremaduro an einem Ort vorbeigeht, der für seine Schinkenproduktion berühmt ist. Die eine Anfrage zwecks Führung wird gleich abschlägig beschieden (zu spät, ausgebucht), die andere Firma antwortet wortreich am Samstagmorgen, bietet immerhin eine Kurzführung an (eigentlich gar keine Führungen am Wochenende, aber wenn wir NUR an diesem Tag in der Gegend seien, könne man eine Ausnahme machen…). 
In dem 6000-Seelen-Ort Guijuelo, in gebirgiger Gegend, finden wir schnell den Produzenten. Die Dame im Laden weiß schon Bescheid und bringt uns gleich die erforderliche Verkleidung für Besuche in der Lebensmittelproduktion: Überschuhe, Mantel und Häubchen. Sie führt uns in einen Lagerraum, in dem unzählige Schinken von der Decke hängen und in der trockenen Luft reifen; manche trocknen vier Jahre und werden in dieser Zeit öfter umgehängt. Die Luftzufuhr wird durch Jalousien geregelt, die im Sommer nachts und im Winter tagsüber offen sind. Viertausend Schinken hängen da – ein unbeschreiblicher Duft liegt in der Luft!
Ein Stockwerk tiefer hängen dann die Würste: Chorizo und Salchichon. Wieder läuft uns das Wasser im Mund zusammen. Der Duft ist ein ganz anderer, aber auch sehr intensiv und einladend. Natürlich nehmen wir ein bisschen etwas mit und freuen uns darüber, dass die kleine Führung extra für uns zwei möglich war!
Da wir nun genauer wissen wollen, was den Jamón von Guijuelo so speziell macht, wollen wir das örtliche Museum besuchen, stehen aber erst einmal vor einer verschlossenen Türe, bis ein Herr uns schnaufend selbige öffnet, nur für uns in insgesamt drei Räumen mehrere Beamer anschaltet und uns dazu persönlich und engagiert auf Spanisch die Details erläutert. Die Filme zeigen den Weg zurück vom fertigen Schinken bis zum freilebenden iberischen Schwarzpfotenschwein (‚de pato nero‘), das sich in den umliegenden Bergwäldern von drei verschiedenen Eichelsorten ernährt. Das erklärt dann auch den hohen Preis dieser Spezialität, oft zwischen 16 und 20 Euro für 100 Gramm.
Damit wir endlich den Schinken auch auf unseren Zungen spüren, suchen wir noch das Ladengeschäft jenes Produzenten auf, dessen Führungen schon voll waren, „Alma de Ibérico“. Es ist kaum mit Worten zu beschreiben, welches Aroma sich da im Mund entfaltet…! Da hilft unseren Lesern nur eines: Selbst hinfahren und ausprobieren! Übrigens hat die freundliche Dame hinter dem Tresen mit ihrer Familie vor einigen Jahren eine längere Reise durch Süddeutschland gemacht und dabei sogar schon Rothenburg besucht, was sie uns in wunderbar deutlichem, langsamen Spanisch erklärt. Es lebe Europa!
Abends finden wir in der immer einsamer werdenden Landschaft der Extremadura unser Quartier für die nächste Woche: „Cielo Abierto“. Wir richten uns ein, beobachten den Sonnenuntergang und genießen den Blick auf die Milchstraße.



Tag 61 und 62 / So und Mo 7. und 8.10.2018 / Berzocana

(Cornelia) Wir verbringen an beiden Tagen jeweils einige Zeit am Pool, wobei es am Sonntag noch etwas wärmer als am Montag ist, etwa 28 Grad. Das Poolwasser, übrigens salzig, ist eiskalt (selbst für mich!), aber doch belebend. Wir lesen viel, spielen ein bisschen mit Duc, einem sehr lieben und wohl erzogenen Golden Retriever, freuen uns an dem Blick aufs Dorf, sehen erst die frisch geschälten Korkeichen neben unserem Häuschen in der Abendstimmung leuchten und dann die Sonne untergehen.
Am Montag begleitet uns der ‚perrito‘ (das Hündchen) ins Dorf und wieder zurück – auch ohne Leine kein Problem. In den Gärten liegen Feigen zum Trocknen aus, gelbe Quitten hängen an den Bäumen, viele verschiedene Eichen, Olivenbäume, manchmal an einem Haus eine lila Bougainville, hier und da ein Oleander. Viel ist im Ort nicht los, auch wenn es einen kleinen Supermarkt und zwei Bars gibt. Tom sieht ein Plakat, das einen Vortrag ankündigt, über ‚Wege ohne Anxiolytikum und Antidepressiva‘. Das macht uns betroffen: Braucht der Ort – in so hellem Sonnenlicht – einen solchen Vortrag? Hm, mit Arbeitsplätzen sieht es sicher schlecht aus. Allerdings haben wir die hohe Jugendarbeitslosigkeit noch nirgends wahrgenommen. In den Bars jedenfalls sitzen immer ältere Männer…


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Tag 63 / Di 9.10.2018 / Ausflug nach Trujillo

(Cornelia) Klar ist: Wir wollen einen Ausflug machen; das erste Ziel ist rasch gefunden. Schon bei der Herfahrt ist Tom vom Ort Cabañas de Castillo fasziniert. Er scheint an den Fels geklebt zu sein und wird von einer Burgruine dominiert. An einer Kirche vorbei führt der Weg steil aufwärts. Oben belohnt uns die Aussicht in alle Richtungen; alle möglichen Gesteinsschichten aus verschiedenen Erdzeitaltern könnte man erkennen, wenn man die Auskunftstafel genau läse – wir genießen einfach die Sicht: Felsen, Schluchten, Hügel mit Eichenwäldern, Steppe, das Dorf unter uns, die Ruine neben und mindestens 12 Geier über uns. Wunderschön! 

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Das zweite Ziel ist ein Tipp unserer Vermieterin. Wir gehen eine Weile an einem Flusslauf entlang: „Aperturas del Almonte“; ich fühle mich wie Geißenpeter, über Stock und Stein kletternd, die Hinterlassenschaften vieler Ziegen unter meinen Füßen. Man könnte wohl endlos weitergehen, aber wir wollen noch weiter flussabwärts zu einer mittelalterlichen Brücke, die 300 Meter neben einer modernen liegt. Sehr breit, mit mehreren Bögen, im Fluss Wasser. (Stunden später führt uns eine kleine Straße über eine ganz ähnliche Brücke, die aber immer noch in Betrieb ist.)

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Weil der nächste Supermarkt etwa 20 Kilometer entfernt liegt, der nächste vom Reiseführer empfohlene Ort aber nur 12 Kilometer weiter ist, beschließen wir spontan, uns gleich noch nach Trujillo zu begeben. Angeblich bietet der Ort eines der geschlossensten mittelalterlichen Stadtbilder in Spanien – diesen Leckerbissen wollen wir uns nicht entgehen lassen. Die Straße führt an vielen Rinderfarmen vorbei, und Tom wähnt sich im Wilden Westen Amerikas: Ein großes Eingangstor mit dem Namen der Ranch, dahinter die Rindviecher – und sonst nichts weiter.

Pizarro, der Eroberer von Peru, ist ein Sohn der Stadt und sitzt in Ritterrüstung auf seinem Pferd. Auf den Eroberungszug sind seinerzeit viele Männer aus der Extremadura mittellos mitgegangen und reich zurückgekehrt. Auch davon zeugen die vielen Paläste im Ort, heute oft zu Hotels umgestaltet. Nach einem landesüblichen Snack auf der von Palästen und Kirchen umstandenen stattlichen Plaza Mayor Trujillos, mit Surtido de Ibérico (= gemischte iberische Wurstplatte) und einem sehr cremigen, würzigen Käse, so weich, als sei er vorher geschmolzen worden, fühlen wir uns dem Sightseeing gewachsen. Und tatsächlich, wir treten ins Mittelalter ein und steigen zur trutzigen Burg aus dem 9. Jahrhundert auf, mit acht Türmen, nach dem Muster von Cordóba gebaut; welch ein herrlicher Rundblick im schrägen, milden Nachmittagslicht!

Die Heimfahrt dauert länger als geplant; ein Dorf gleicht einem Irrgarten und die kleinen Sträßchen sind so kurvig, dass wir für 40 Kilometer mehr als eine Stunde brauchen.  

Tag 64 / Mi 10.10.2018 / Berzocana
(Cornelia) Heute ist ‚Wandertag‘. Wir müssen nur die Straße überqueren und befinden uns schon auf einem Wanderweg, der uns durch rosa Erika und an Erbeerbäumen mit ihren roten und gelben Früchten (aus der Familie der Heidekrautgewächse)  vorbei zur ‚Cabeza de moro‘, dem Mohrenkopf (sorry, heißt so, wenngleich politisch nicht korrekt…), einem kuriosen Felsen leitet. Er steht auf einer Ecke, wie angeklebt in der Landschaft. Auf dem Rückweg – immer mit Blick in die schöne Weite - schauen wir uns noch die für die Extremadura typischen Schäferunterstände an, so eine Art Jurte mit Pflanzendach.
Für den Pool ist es auch heute zu kühl, und so bringen wir unseren Blog nach vorne und haben nur noch zehn Tage Rückstand (unserer bisheriger Rekord!).

Tag 65 / Do 11.10.2018 / Guadelupe
Gestern Wandertag, heute Klostertag. Da mir der Reiseführer verraten hat, dass der Ort Guadelupe einer DER Wallfahrtsorte Spaniens ist und am 12.10. das Fest seiner Schwarzen Madonna feiert, setzen wir alles dran, NICHT am 12.10. dort zu sein; der 12.10. ist außerdem Nationalfeiertag, bei dem ein Schwerpunkt auf die ‚hispanidad‘ gelegt wird, also die Gemeinschaft aller Spanisch-Sprecher auf der ganzen Welt.
Die Wolken hängen tief; wie, wir sind in den Bergen? Glaub‘ ich nicht, seh‘ keine… Im Auto lese ich noch mal nach, was der Reiseführer verspricht, und lasse die Bemerkung fallen, dass der Ort wohl ein spanisches Altötting sei. Wie Recht ich habe, merke ich erst ein paar Tage später, als ich im Internet über Schwarze Madonnen recherchiere und feststelle, dass in Altötting ebenfalls eine solche verehrt wird!
Die Liste der prominenten spanischen Wallfahrer ist lang: Christoph Kolumbus war vor und nach seinem Aufbruch zur Entdeckung der Neuen Welt hier (die französische Übersee-Insel Gouadelupe ist auch nach dem spanischen Guadelupe benannt, nur die Schreibweise ist anders), Miguel Cervantes pilgerte schon in das kleine Städtchen mit dem riesigen Kloster und Päpste besuchten es selbstverständlich auch. Nach einer Zeit ohne Mönche verwalten mittlerweile Franziskaner Kloster und Kirche, Hotel und Restaurant und führen auch durch das erste Stockwerk, während im Erdgeschoss weltliche Führer die Kunstschätze erklären, z. B. reich bestickte Messgewänder, riesige Gesangbücher mit Illuminationen, Bilder von Goya, El Greco und Zurbarán, Leuchter aus Murano-Glas und vieles mehr. Fotografieren ist aber nur auf der unteren Ebene im Kreuzgang erlaubt, der zwar mit dem gekachelten Brunnen und der Mudéjar-Brunnenpyramide in der Mitte und Palmen und noch blühenden Rosen auch schön aussieht, aber halt doch nur einen kleinen Einblick des Real Monasterio der Nuestra Señora de Guadelupe liefert, das seit 1993 auch auf der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste steht.
Bis wir dem (sehr deutlich) spanisch sprechenden Führer folgen dürfen, dauert es ein wenig, weil zeitgleich eine deutsche Reisegruppe angekommen ist, die erst mit Kopfhörern ausgestattet werden muss. Innen ist leider auch nicht sehr viel Zeit für die Exponate – die Herde muss durchgetrieben werden… Jeder Raum wird hinter uns auch wieder abgeschlossen. Im oberen Stock, im Klostertrakt also, nimmt uns ein Bilderbuch-Franziskaner in Empfang (man könnte seinen Kopf ohne weiteres auf ein entsprechendes Bier-Etikett fabrizieren), der sich leider als freundlicher Bruder Nuschler entpuppt – schlagartig verstehen wir nur noch ein Achtel der Ausführungen. Schade. Das eigentliche Event kommt unerwartet: Der Pater drückt auf einen Geheimknopf, und schwupps, verschwindet ein Altarbild und Nuestra Señora, die Schwarze Madonna, mit wertvoller Krone und Halsschmuck und bestickten Mantel wird herausgedreht. Gläubige Pilger dürfen nun noch ein silbernes Heiligenbild küssen, das der Pater hält, und bekommen auf Wunsch auch einen Segen gesprochen; ein Baby nimmt der Pater gleich selbst aus dem Kinderwagen, den der Papa schiebt – die Mutter hat noch gar nicht aufgeschlossen und wird von der aufgeregten Oma herbeigerufen. Hier darf ausnahmsweise auch fotografiert werden, Pater, Eltern und Oma lächeln in die Kamera. Ende der Vorstellung: Die Schwarze Madonna schwebt wieder in die Hochaltarwand zurück und behält ihren Platz… bis zur nächsten Führung. Im Vorraum werden übrigens auch noch weitere mit Edelsteinen verzierte Kronen und Diademe ausgestellt.
Unauffällig folgen wir der deutschen Reisegruppe ins angeschlossene Klosterhotel; die Zimmerverteilung erinnert stark an Szenen von Klassenfahrten… In den beiden weiteren ehemaligen Kreuzgängen ist schon für die hungrigen Deutschen gedeckt.


Es ist nasskalt, und auch wir haben Hunger und lassen uns etwas zögernd, aber doch gerne von einem Kellner animieren, eine Kneipe zu betreten. Wir werden allerdings an der Theke vorbeigeleitet und entdecken den sehr einladenden Speisesaal, in dem Typisches aus der Extremadura (z. B. Wild und Kastanienpudding) serviert wird. Danach erkunden wir den 2000-Seelen-Ort, sehen schöne Laubengänge und erreichen schließlich einen Mirador (Aussichtspunkt), von dem man die Klosteranlage noch einmal aus einem neuen Blickwinkel sieht.
Viele Pilgerwege führen nach Guadelupe, weswegen es auch noch mehrere Ermitas, kleine, etwas außerhalb gelegene Kapellen gibt. Eine davon besuchen wir noch, die Ermita del Humilladero. Der große Schriftsteller Cervantes war schon lange vor uns hier an dieser Stelle, als er, aus türkischer Gefangenschaft entlassen, der Jungfrau von Guadelupe seine Handschellen opfern wollte. Auch andere Pilger trafen hier ein, bevor sie, nach der nächsten Wegbiegung, den ersten – großartigen! - Blick auf Kloster und Kirche hatten und ehrfürchtig staunten.

Der Himmel klart zum Nachmittag auf, und wir entdecken die Berge, die die Wolken bei der Hinfahrt verhüllt hatten. Schöne Gegend!


Tag 66 / Fr 12.10.2018 / Berzocana
(Cornelia) Ein kritischer Blick nach draußen – ja, wir können es wagen und wandern los. Vor einigen Jahren ist wohl ein kleiner Botanischer Garten angelegt worden – aber offenbar am Verlottern. Außerdem beginnt es zu regnen. Dann also doch ein Tag im Haus mit Hund, Blog, Lesen und Packen.


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