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Argentinien:
Buenos Aires
Teil 2


Tag 114 / Do 29.11.2018 / Buenos Aires
(Cornelia) Weil ich seit einer Woche einen (halbseitig) ‚eingeschlafenen‘ linken Fuß habe, fahren wir in den nördlichen Bezirk zu einer deutschen Osteopathin, deren Namen wir auf der Seite der Deutschen Botschaft gefunden haben. (Nach Rücksprache mit unserem Hausarzt in Hembach und meiner Physiotherapeutin in Schwabach scheint das erst mal ein guter Lösungsansatz zu sein. Man vermutet eine Blockade im Lendenwirbelbereich.) Die Adresse führt uns also in den Norden Buenos Aires‘, über 49 (!!!) Bushaltestellen ab der Metro-Endstation. Mitzählen wird dadurch erschwert, dass der Bus an nicht angeforderten Haltestellen, die kaum auszumachen sind, einfach vorbeirast. Google Maps hilft glücklicherweise.
Als wir aussteigen, empfangen uns Lindenduft und himmlische Ruhe, allerdings auch hohe Hecken und viele Überwachungskameras, oft drei an einer Gartenpforte. Alles ist sehr gepflegt, hier und da sieht man einen privaten Wachdienst stehen. Hier wohnen die Betuchten, die sich einen Gärtner und andere Hausangestellte leisten können. Der Río de la Plata ist auch um die Ecke; nach der Behandlung gehen wir zum Fluss und stellen fest, dass das Freizeitangebot groß ist: Viele (kite-)surfen, auch Stand-up-paddling wird angeboten, in Kursen oder im Verleih. Richtiges Strandleben, viele kleine (Strand-)Restaurants, Wiesen bis zum Ufer des braunen Flusses. Aha, so kann man in Buenos Aires auch leben!


Tag 115 / Fr 30.11.2018 / Buenos Aires
(Cornelia) G20-Gipfel in BA – wir haben ‚gipfel-frei‘ und beschlossen, die Zeit zum Ausruhen zu nützen. Auch den Blog bringen wir voran und arbeiten an den Texten und Fotos zu Madrid. Kurzes Entspannen auf dem Balkon, Essen in einem sehr originell gestaltetem Restaurant („La Hormiga“, die Ameise), und schon sitzen wir auf dem Sofa und sehen das Spektakel zu Ehren der G20-Gäste im Teatro Colón: Viele Tänzer, eine Wahnsinns-Light-Show und das positivste aller Bilder von einem glücklichen, fortschrittlichen und doch traditionsbewussten Argentinien. Sehr interessantes Selbstbild, mit Gaucho und Tango, Indio und HipHop.


Tag 116 / Sa 1.12.2018 / Buenos Aires
Haushaltstag mit Waschen und Putzen – ja, auch diese Beschäftigungen wird man im Sabbatjahr natürlich nicht ganz los… Noch etwas steht an, was ich schon seit mindestens drei Wochen aufschiebe: Ich muss zum Friseur. Netterweise kommt Tom mit.  
Während ich noch ein bisschen warten muss und eine Illustrierte durchblättere, die mir von Prinz Harry berichtet – derselbe Quatsch wie in der BUNTE… - bekommt Tom schon ganz fix seinen Haarschnitt. Ich soll mich erst zwischen ‚gorra‘ (hm, das Wort kannte ich mal) und ‚papeles‘ (Papierchen) entscheiden, wähle ‚gorra‘, weil ich es für Bürste halte. Weit gefehlt, man setzt mir eine Art Plastikbademütze auf, die sogar unter dem Kinn verschlossen wird. Um Himmels willen, was passiert mit mir?
Als ich mich gerade so in die Situation einfinde, taucht neben meinem linken Ohr ein riesiges Gesicht auf (habe meine Brille nicht auf, also alles unscharf) und der Friseur, der sich gleich an mir zu schaffen machen wird, drückt mir einen Schmatz auf die Backe. O – kay… Einzeln sticht er nun in die Plastikhaut - au, oft tut das echt weh – und zupft darunterliegendes Haar nach oben. Als er nach etwa einer Stunde damit fertig ist, trägt er irgendeine Farbe auf (wurde nicht besprochen), dann schlägt er den Plastikumhang nach oben. So verpackt sehe ich ein bisschen einer Nonne ähnlich… Puh, ob das was wird? Die argentinische BUNTE lehne ich dankend ab und lese lieber meinen Roman weiter, bis ein anderer Friseur auftaucht und mich zum Waschen abholt. Nächste Erfahrung, um nicht zu sagen, nächstes Ausgeliefertsein: Mit Kraft und Wucht drückt er meinen Hals gegen den Waschbeckenrand und walkt mit Verve und trainierten Muskeln meine Kopfhaut durch. Hiiiilfe, so rüpelhaft wurden mir noch nie die Haare gewaschen! Überlebt… Wieder eine andere Friseurin erscheint zum Haareschneiden. Letztlich gelingt das Gesamtkunstwerk, und der Kopf sitzt immer noch fest, als ich den Laden verlasse.
Samstags ist übrigens wie unter der Woche bis 20 Uhr abends geöffnet, sonntags ebenfalls, aber erst ab mittags. Typisch für Lateinamerika ist die hohe Anzahl der Angestellten, die eher wenig zu tun haben; wir schließen daraus, dass sie nicht sehr viel Lohn für ihre Arbeit erhalten. (Mich erinnert das ein bisschen an Szenen in Polen in den 80er-Jahren: Fünf Männer stellen einen Sonnenschirm auf – drei tun gar nichts, einer schafft an, einer arbeitet.)

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Tag 117 / So 2.12.2018 / Buenos Aires

(Cornelia) Am Nachmittag findet das „Mate-Experience“ im Stadtteil San Telmo statt. Also bietet es sich an, vorher dort auf der Feria de San Telmo, einem Kunsthandwerker-Straßenmarkt vorbeizuschauen. Schon gleich einen Block nach der Kathedrale ist die Straße (Defensa) für den Verkehr gesperrt. Es gibt u.a. viel Gehäkeltes (z. B. Barbie-Kleidung), kreative Handtaschen, die alte Schallplatten verwenden, viele Lederwaren, Mate-Becher, sehr viel Schmuck. An einer Kreuzung gibt es Straßenmusik: Bandoneon und Cello, Tango in Reinkultur – sehr schön! Wir schlendern durch das lockere Gedränge, durchaus im Bewusstsein, dass es ein Dorado für Taschendiebe sein könnte – und merken letztlich doch nicht, dass mir jemand den Rucksack öffnet. Puh, welch ein Schreck, welch unangenehmes Gefühl, ich komme mit der Atmung aus dem Takt… Die Brille ist noch drin, das Etui voll... uff. Zunächst denke ich, dass nur die StreetArt-Karte fehlt; erst Stunden später, zuhause, fällt mir ein, dass ich ausnahmsweise meinen eBook-Reader eingesteckt hatte – so ein Mist – klar, der ist weg. Sehr ärgerlich! Immerhin ist der Nachmittag wegen des Kartenverlustes nur ein bisschen belastet – ich lebe ja noch mit dem Gefühl „Glück gehabt“! Mit etwas weichen Knien betreten wir die schöne Markthalle von San Telmo.

Mobirise

Die Straße öffnet sich zu einem Plätzchen, das die Antiquitätenhändler beanspruchen. Hübsch, von niedriger Kolonialarchitektur umstanden, etwas verfallener Charme. Aber uns ist die Lust vergangen. Wir flüchten uns ins nahegelegene Museo del Arte Moderna de Buenos Aires. Das Café ist sehr stylisch und fast leer – das tut gut. Eine Ausstellung schaffen wir noch vor unserem Termin. Eine Modeschöpferin/Malerin wird gewürdigt: „Delia Cancela, Reina de Corazones 1962 2018“. Sie ist 1940 geboren, arbeitete und wohnte in Paris, London und New York und hatte zusammen mit ihrem Partner Pablo Mesejeán (+ 1986) große internationale Erfolge. Obwohl in der Modebranche tätig – oder vielleicht gerade deshalb – ging es ihr immer auch um die Frauenfrage. Einen Saal der permanenten Ausstellung sehen wir uns auch noch an. Sämtliche Künstlernamen sind uns unbekannt, in Lateinamerika ist man mit seinem eurozentristischen Weltbild und Kenntnissen völlig ausgehebelt.

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Es ist nicht weit zu Pablo, der über Airbnb Einführungen in Mate und Mate-Tee-Trinken anbietet. Die zwei Stunden vergehen ruckzuck: Pablo ist gut organisiert, kennt sich aus, hat eine tolle Präsentation vorbereitet, vier Mate-Tee-Packungen stehen bereit (Campo, Campo y Monte, Monte und Barbacóa – mit steigender Intensität), Feigen, Nüsse, Plätzchen und anderes Kleingebäck ebenso. Er zeigt uns, wie die Blätter in den Becher gefüllt, dann mit einem Schluck kalten Wassers angegossen werden; etwas ziehen lassen, dann mit heißem Wasser (80 Grad warm) aufgießen und mit der Bombilla, einem Metallstrohhalm mit angebautem Sieb, schlürfen. Er selbst trinke Mate täglich literweise. Hm, ob wir jemals so weit kommen? Das Gebräu schmeckt schon recht bitter, immerhin soll es dem Magen gut tun. Koffein enthält es ungefähr genauso viel wie Kaffee. Wir saugen uns durch die vier Sorten und bekommen dann die Wunsch-Sorte frisch aufgebrüht. Der Becher kreist, denn Mate ist hier auch ein soziales Event, wenn Besuch klingelt oder die Familie zusammenkommt. Das Gespräch mit Pablo fließt unangestrengt auf Spanisch dahin; er reist gerne, war öfter schon in Europa, hat spanische Vorfahren, interessiert sich sehr für Geschichte. Seine Frau, Sängerin, sei gerade im selben Museum, aus dem wir eben kämen. Für den Fall, dass er nach Deutschland reist, versprechen wir ihm statt Rauch-Mate (= Barbacóa) eine Bierprobe, u. a. mit Rauchbier aus Bamberg, dem Schlenkerla. Sehr nett war es bei Pablo!


Tag 118 / Mo 3.12.2018 / Buenos Aires
(Cornelia) Graciela, unsere Vermieterin, tauscht die Bettwäsche aus. Sie hat auch deutsche Vorfahren und heißt Holzman, seit zwei Generationen aber ohne das zweit ‚n‘ im Namen. Um 12 Uhr müssen wir bei dem Heladero (Speiseeishersteller) im Stadtteil Flores sein; dort ist übrigens Papst Franziskus geboren.
Genau um 12 ist auch die kleine Tür im großen Gitter geöffnet und wir schlüpfen ins Innere der Eisdiele. Mariano hat seine Haare hochgesteckt, seinen langen Bart wickelt er erst einmal um den Hals und steckt ihn dann unters T-Shirt. Eigentlich ist er Bildhauer und Fotograf, aber seit 2015 eben auch Heladero. Die Eisdiele ist winzig klein, aber mit vielen Kühltruhen ausgestattet. Man sieht die Eissorten nicht offen, sondern nur viele der klassischen alufarbenen Deckel mit Knauf. Die Namen der Eissorten an der Wand stimmen keineswegs mit den tatsächlich vorhandenen 60 (!) Eissorten überein, sondern bezeichnen nur einen Bruchteil. Nach einer theoretischen Einführung (für 10 Minuten angekündigt, nach 60 Minuten fertig) zu Basiswissen über Milchsorten, Emulgatoren, Stabilisatoren, zu Farbstoffen und Nahrungsmittelvorschriften in Argentinien erklärt er uns kurz (wirklich kurz) die riesige Eismaschine, in der man zwei Eissorten gleichzeitig zubereiten kann, je 11 Kilogramm. Er schlägt uns die Sorten des Tages vor: Zitrone mit Minze und Ingwer, Bananensplit, Dulce de Leche (DIE typische Sorte in Argentinien) und Schokolade. Einverstanden! Wir dürfen Zutaten abwiegen (es ist superwichtig, sich GANZ GENAU an die jeweiligen Mengenangaben zu halten); er gibt Dextrose, Milchpulver, Emulgatoren oder Sahne dazu. Eigentlich macht er fast alles selbst (aber es ist auch nur ein Zusammenschütten nach Rezept), erzählt uns, welche Eissorten die Argentinier besonders lieben (z.B. Crema Americano mit Oreos oder Kinder(schokolade) und – natürlich! - Dulce de leche (eine Art Karamell) mit – wer hätte es gedacht? - Dulce de leche in Reinform dazugemixt. Als das erste Eis dickflüssig aus der Maschine quillt (bei – 16 Grad), dürfen wir den Löffel drunterhalten. Mmh, cremig-frisch, sehr geschmackvolles Zitroneneis. Selbst Tom schmeckt die Sorte, obwohl er weder Minze noch Ingwer besonders mag. Danach probieren wir an die 40 Sorten Eis, immer einen gehäuften (Eis-)Löffel voll. Irgendwann macht sich bei uns beiden der Wunsch nach Essiggurken breit… wir können nicht mehr. Nicht nur der Magen ist eisgekühlt, sondern auch wir stehen seit 5 Stunden im eisigen Wind der Klimaanlage. Mariano will uns auch noch ein Eis mit unserer Lieblingssorte spendieren – helado de Malbec (Rotwein!) - aber wir schaffen nichts mehr. Rien ne va plus! Innerlich und äußerlich tiefgekühlt treten wir nach draußen und tauen bei 27 Grad auf.
Abends sind wir noch mal im „Notorious“ und hören brasilianischen Jazz mit viel Bossa Nova und Samba: eine Gitarre/Stimme, eine Ukulele, eine Posaune, ein Saxofon und drei Perkussionisten. FeelWell-Jazz, die Gruppe ist gut eingespielt; brasilianisches Portugiesisch ist wieder eine Sprache für sich – völlig unverständlich, nicht mal ein einziges Wort der Ansagen verstehen wir… 


Tag 119 / Di 4.12.2018 / Tigre
(Cornelia) Die erste Tat am Morgen ist es, ein eBook bei einem argentinischen Anbieter zu bestellen. Geschafft!
Tigre, unser heutiges Ziel, liegt etwas 35 km außerhalb von BA im Delta des Flusses Paraná, der den Río de la Plata speist. Also viel Wasser in Haupt- und Nebenarmen, Motorboote, Wassertaxis, Ruderboote, Kanus… alles spielt sich am oder auf dem Wasser ab.
Wir fahren mit der moderneren Bahn hin; die Fahrt im (eis)gekühlten Zug zieht sich in die Länge. Ständig kommen ambulante Händler in die Bahn (aber oft sogar in den Bus), die ihre Waren (Kaugummis, Klebe-Smileys, Haarschleifchen usw.) lautstark angepreisen und sie einem ruckzuck auf den Oberschenkel legen. Übergriffig finde ich das, sehr belästigend. Die Argentinier ertragen es stoisch, manche Leute kaufen etwas (z. B. Socken), das meiste wird wieder eingesammelt. Ein Händler steigt aus, zwei Musiker ein, kleine Begrüßung bei der Begegnung. Dann wird lautstark Musik gemacht und lauthals gesungen, was sich auch zu Lärmbelästigung auswachsen kann. Oder es steigt einer ein, der in aggressivem Ton einen Text herunterredet und bettelt: Um Geld und/oder Essen. Danach macht er die Runde im Abteil und kurz darauf sagt er dieselben Phrasen im Nachbarabteil auf.
In Tigre – das bis 1952 Concha (Muschel, aber auch Möse – deswegen die Namensänderung) hieß, gibt es einige wenige Hochhäuser. Die meisten Bebauung stammt aus der Zeit um 1900: Große Ruderclub-Gebäude, private Wochenendhäuser, vieles sehr gepflegt, manches auch mit sehr verfallenem Charme (z. B. etliche Bootsanlegestege). Wir machen eine Rundfahrt mit einem Katamaran und gleiten auf dem mokkabraunem Wasser (stark eisenhaltig!) an Häuschen und touristischen Anlagen vorbei. Sehr idyllisch – mal sehen wir in einen Nebenarm, mal auf Bootswracks, dann wieder in weitläufige Gartenanlagen mit riesigen Büschen von in blau und rosa blühenden Hortensien. Das Wochenendhaus des früheren Präsidenten Sarmiento ist komplett eingeglast. Kurios sieht auch das örtliche Kunstmuseum aus, mit einer zum Wasser gebauten Wandelhalle, die mit dem gleich gegenüber liegenden Schiffswrack kontrastiert. In Tigre blühen auch noch die Jacarandas, die in BA schon am Verblühen sind und ihre grünen Blätter austreiben – offenbar ist es in der Stadt viel wärmer. Auch Agapanthus gibt es hier wie dort in weißen und lila Massen – sehr schön! 
Mit der Küstenzug (Tren de la Costa) fahren wir zurück, unterbrechen die Fahrt aber zur Behandlung bei der Osteopathin. Obwohl das Gefährt Küstenzug heißt, führt der Weg nur zwischen drei Stationen direkt am Río de la Plata vorbei, der heute tatsächlich silbriger aussieht als die letzten Male.
In Mitre endet die Straßenbahn. Die Chaosseite von BA zeigt sich wieder mal an folgendem Beispiel: Obwohl die Straßenbahn im 30-Minuten-Takt fährt, sieht man vom Anschlusszug gerade noch die Schlusslichter – toll… Wir nehmen einen Bus, der in die Nähe unserer Wohnung fährt, krallen uns fest (s. „Land und Leute“) und staunen: Kilometerlang sieht die Stadt gleich aus – niedrige Häuser wechseln mit Hochhäusern ab, die wie Zähne herausragen, Geschäfte, Supermärkte, Restaurants, häufig McDonald‘s oder andere Imbissketten wie ‚Havanna‘, Bürogebäude – alles ein und dasselbe Durcheinander.
In der Wohnung (WiFi!) lese ich, dass der Anbieter das eBook nur versendet, wenn man mit nationaler Kreditkarte bezahlt. Das soll Globalisierung sein? Die Schifffahrtsgesellschaft Buquebus, mit der wir am Montag nach Uruguay übersetzen wollen, akzeptiert aber sehr wohl einen viel höheren Betrag mit internationaler Kreditkarte. Verstehe einer die Finanzwelt!


Tag 120/ Mi 5.12.2018 / Buenos Aires
(Cornelia) Frustriert stehe ich auf und beschließe, dann doch noch eine Mail in Englisch an den Internet-Versand zu schreiben. Siehe da, man antwortet mir sogar auf Englisch und schlägt mir vor, das eBook mit einer anderen Zahlungsmethode zu kaufen. Wir googlen und stellen fest, dass es ein System namens ‚PagoDirect‘ gibt, offensichtlich weit verbreitet in Argentinien. Tom wählt eine nahe gelegene Filiale aus, offenbar in einer Apotheke (???).  
Erster Anlauf: Mit dem Handy bewaffnet suchen wir die Apotheke auf, sehen das Maestro-Zeichen an der Tür (ist ja schließlich KEINE Kreditkarte), warten etwa 20 Minuten, bis wir an der Reihe sind. Nein, der Kauf sei ja nicht zustande gekommen, wir müssten noch mal neu bestellen und dann mit der registrierten Bestellung und dem angekreuzten PagoDirect wieder kommen.
Zweiter Anlauf: Das eBook ist noch mal bestellt, PagoDirect gewählt, Handy in der Hand, nur zwei Leute vor uns. Nein, leider wird die deutsche Maestro-Karte nicht akzeptiert, nur Bargeld. Mit dem Bargeld ist es aber so eine Sache, man bekommt einmal pro Tag höchstens 4000 Pesos, von denen 378 gleich abgezogen werden, knapp 100 Euro (s. Land und Leute).
Die Banken liegen an der Piazza Italia, also machen wir erst eine kleine Besichtigung. Der ‚Jardín japonés‘, der von Japan gestiftete Garten wird uns gut tun, denken wir. Der Reiseführer lobt ihn. Tom hat den passenden Bus gefunden, so dass wir schnell dort sind. Schade, der Garten liegt an einer Seite zu einem Park, an zwei weiteren aber zu eine äußerst befahrenen Straße mit Hochhäusern. Es gibt nur einen Weg, der um einen Teich führt, und die Pflanzen sind weniger spektakulär als sehr vertraut: (schon verblühte) Azaleen und Magnolien, blühende Hortensien und Rosen, viel Bambus (aber immer dieselbe Sorte). Einzig ein Baum, der als Ableger von einem Baum kommt, der den Atomangriff in Hiroshima überlebt hat, sticht ins Auge. Ein bisschen nichtssagende Asia-Deko in Knallrot gibt es auch. Die Hunderte Besucher auf dem einen Weg habe ich noch gar nicht erwähnt. Schade, da haben wir schon viel schönere japanische Gärten gesehen (San Francisco, La Bambouseraie in Südfrankreich, ein weiterer bei Lyon und auf Madeira). Vor allem stört mich, dass es keine schönen Sichtachsen gibt. Mir kommt der Garten, bis auf ein paar Bonsai-Gewächse reichlich un-japanisch vor. Ge- und entnervt winken wir einem Taxi und lassen uns vor einer Bank absetzen.
Dritter Anlauf: Mit den nötigen 6590 Pesos ausgerüstet (zum Glück zu zweit und jeder zwei Karten) gehen wir wieder zur Apotheke. Nicht zu fassen: Alles klappt reibungslos! Tja, gewusst, wie… Ich sage unserer Vermieterin noch Bescheid, denn sie wird die Sendung in Empfang nehmen.


Tag 121 / Do 6.12.2018 / Buenos Aires
(Cornelia) Der Nikolaus hat uns nichts gebracht, außer einem faulen Tag: Lesen, am Blog schreiben, schlafen. Tut gut! Tom kränkelt, die Klimaanlagen beim Eismacher und im Zug nach Tigre fordern ihren Tribut. Sind wir zwischendurch auf dem Balkon, riskiert die Nachbarskatze vorsichtig ein Auge...

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Tag 121 / Do 6.12.2018 / Buenos Aires (Fortsetzung)
 
Abends gehen wir ins Teatro Colón. Keine Oper, sondern ein Konzert mit dem Philharmonischen Orchester von Buenos Aires: Brahms, (2. ) Klavierkonzert in B-Dur und Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ stehen auf dem Programm. Das Opernhaus – ein ganz ‚klassisches‘, nach 18 Jahren Bauzeit 1905 eingeweiht - bietet 2500 Plätze. Die Handy-Bilder vom Innenraum sind eine halbe Stunde vor Beginn entstanden und täuschen: Die vielen leeren Plätze werden später noch gut besetzt. Wir selbst müssen in den fünften Stock und schaudern, wie steil und tief es bis zum Parkett ist. Ein Teil der Innenbeleuchtung bleibt während des Konzerts an: stimmungsvoll.
Überraschenderweise ergreift der Dirigent am Anfang und nach der Pause das Mikrofon, erklärt ein bisschen das Programm und weist vor allem gleich darauf hin, wann man nicht klatschen soll: Nach dem dritten Satz des Klavierkonzerts – es hat nämlich vier. Das Programmheft ist übrigens kostenlos; man bekam es auch als Download vorab. Dennoch bedarf es offensichtlich dieser Art von Volksaufklärung.
Das Orquesta Filharmónica de Buenos Aires unter Enrique Arturo Diemecke, mit dem Pianisten Jorge Frederico Osorio, spielt engagiert und differenziert, so dass es eine Freude ist zuzuhören. Dass die (engen) Sessel für Kurzbeinige bei jeder Bewegung (vor allem der Umsitzenden) knarzen, muss man wegfiltern. Auch ist es in Argentinien nicht üblich, den letzten Akkord in voller Länge und das Abwinken des Dirigenten abzuwarten. Dafür klatscht das Publikum mit einer Begeisterung fast wie beim Fußball. Um 22.10 Uhr verlassen wir – heute bin ich ‚beseelt‘… - das Opernhaus und erwischen gerade noch die letzte U-Bahn. (Wir vermuten, dass die kurzen Betriebszeiten ein Deal mit der Taxifahrer-Gewerkschaft sind.)


Tag 122 / Fr 7.12.2018 / Buenos Aires
(Cornelia) Als wir am Morgen erwachen, wissen wir noch gar nicht, was uns alles erwartet… Das Glück ist uns hold: Graciela erhält schon gegen 11 Uhr die eBook-Lieferung, das wir am frühen Nachmittag abholen. So fühlen sich glückliche Sieger…!
Weiter zum Barrio Chino, dem China Town von Buenos Aires, das kleiner ist als gedacht und im Wesentlichen aus vielen Ramschläden besteht. Leider haben die chinesischen Restaurants zu, die Schnellimbisse wirken nicht so vertrauenerweckend, aber wir finden ein japanisches Restaurant.
Von dort aus fahren wir zum Bahnhof Retiro, der uns erst einmal ob der Größe des Bahnhofsgebäudes überrascht. Wir halten unsere Schätze gut fest, kommen am Torre del Carril (mit Big Ben-Glockenspiel) vorbei, staunen, dass von der lila Pracht der Jacaranda-Bäume fast nichts mehr zu sehen ist und streben der Galeria Pacifica (1898 im französischen Stil erbaut) entgegen. Nun ja, die Marken kennt man, Rolex, Lancôme und was es so alles gibt, aber die Ausstattung ist, ‚besonders‘. Wie in einer Kirche hat der Maler Antonio Berni (den wir aus dem MALBA kennen) ein schwülstiges Deckenfresko gemalt. Dieses und die gläserne Deckenkonstruktion sind sehenswerter als die Markenlabels, das steht fest.
Im selben Gebäude befindet sich das Centro Culturál Jorge Luis Borges, wo wir um 20 Uhr die Tango-Show „Bien de Tango“ ansehen. Das Zentrum nimmt das ganze Obergeschoss ein; die Aufführung findet im Saal Piazzolla statt, was sich als gutes Omen erweist: Ein vierköpfiges Ensemble (Bandoneon, Klavier, Geige, Kontrabass) spielt hinreißende Tangos (viele natürlich von Piazzolla); drei Paare tanzen mit schnellen Schritten, z. T. mit fast artistischen Hebefiguren, in passenden Kostümen. Ein Sänger singt mit schmelzender Stimme Texte über Buenos Aires. Ein bisschen Licht, ein bisschen Nebel, eine angedeutete Kulisse – das reicht, um den Tango damals und heute auf die Bühne zu bringen. Die 60 Minuten vergehen wie im Flug, die Tänzer und Musiker werden mit viel ‚Bravo‘ bedacht. [(Tom) Bei den flinken Schrittfolgen müssen die Tänzerinnen und Tänzer schon genau wissen, wo sie hintreten, sonst sind Verletzungen bis hinauf in die Lendengegend zu befürchten...]


Tag 123 / Sa 8.12.2018 / Buenos Aires

(Cornelia) Mein neues eBook ist eingerichtet; schon praktisch, dass die bereits gekauften Bücher nicht verloren gehen. Ein paar Klicks – und schon ist alles wie vorher. [Agnes sieht das schon richtig: „Cornelia ohne Bücher – undenkbar!“] Einkaufen, Lesen, Fotos sichten, Blog schreiben. Einen Museumsbesuch verschieben wir, weil es wieder 90 Minuten Weg bedeuten würde; vielleicht können wir ihn am Sonntag noch anhängen. 

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Tag 124 / So 9.12.2018 / Buenos Aires

Wieder haben wir kostenlose Konzertkarten, dieses Mal in der sog. Usina del Arte (frei übersetzt: Kulturfabrik – wie in Roth...), einem Kulturzentrum am Rande des Stadtteils La Boca, auf dem Gelände eines ehemaligen Elektrizitätswerks entstanden. Auch hier gibt es – wie im Centro Culturál Borges und im Kirchner – gleich mehrere Konzertsäle in allen Größen. Unser Konzert findet im Kammermusiksaal statt: Fünf Jahrhunderte Spanische Klaviermusik!

Die Pianistin – derzeit in Australien lebend und auf Weihnachtsbesuch bei den Eltern – ist Dozentin und spielt sehr versiert und einfühlsam. Gleichzeitig ist es auch wieder ein kommentiertes Konzert, weswegen wir auch einiges über die spanischen Komponisten (Albeníz, Granados, Tarega und de Falla) erfahren. 

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Auf dem Weg ins MACBA (Museo de Arte Contemporaneo de Buenos Aires) sehen wir die Tristesse von La Boca… puh, ein ziemlich ärmliches Viertel, man sieht es an den Autos (Karren…), den Häusern (mit Schäden, abgeblätterter Putz) und an den Bewohnern selbst (Kleidung, Herumlungern). Das MACBA bietet nichts wirklich Interessantes, vermittelt aber den Eindruck, neueste Kunst auszustellen, obwohl das Neue eher bei 1970 stockt. Im danebenliegenden MAMBA (Museo de Arte Moderno de Buenos Aires) fehlen uns noch ein paar Räume, die wir durchstreifen und feststellen, beim ersten Besuch die interessanteren schon gesehen zu haben.

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Eigentlich würde es ja für heute schon reichen, aber da die Anfahrt zu irgendwelchen Museen aufgrund der Größe von Buenos Aires fast immer um die fünfzig Minuten dauert, wollen wir das ethnografische Museum (Museo Etnografico - Juan B. Ambrosetti) noch ‚anhängen‘. In der Nähe der Bushaltestelle sehen wir in einem Park Perón beschwörend die Hände heben und sein Volk grüßen. Das Museum ist in einem schönen Bau vom Anfang des 19. Jahrhunderts untergebracht und wird von der literarisch-philosophischen Fakultät der Universität betreut: Sie hat nämlich auch einen anthropologischen Zweig! Uns interessiert weniger die Forschungsgeschichte (was um 1900 und länger bedeutet: Feldforschung betreiben, Objekte sammeln und in Schaukästen aufreihen), sondern vielmehr die Vitrinen zu präkolumbianischer Kunst. Hier haben wir große Lücken, wissen nichts über die geographische Situtation und kennen weder Anfang noch Entwicklung und Ende dieser großartigen Kultur. Die Objekte sind thematisch geordnet und nicht allzu redundant. Interessant, dass alle Kulturen, sobald sie handwerklich dazu in der Lage sind, beginnen, ihre Alltagsgegenstände zu verzieren. Präkolumbianisches Thema sind Lamas, die aufgrund ihrer Multifunktionalität (Transportmittel, Kleidung, Nahrung) entscheidend zur Entwicklung der Kultur beigetragen haben. Bald werden wir nach Patagonien reisen – dieses Museum war ein netter Einstieg!

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