Tag 371/ Di 13.8.2019 / Singapore
(Cornelia) Wieder bringt uns Hans in die Stadt, dieses Mal zum Asian Civilisations Museum. Es steht an sehr prominenter Stelle am Singapore River, direkt neben dem Raffles Monument (das ist der englische Gentleman, der die britische Kolonie 1819 gründete) und gegenüber des Fullerton Hotels. Ziel des Museums ist es, Bezüge zwischen den Ländern im südostasiatischen Raum herzustellen sowie kulturelle und religiöse Entwicklungslinien aufzuzeigen.
Gleich im Erdgeschoss bringen uns die Funde aus einem erst 1998 von Seegurken-Tauchern etwa 600 Kilometer südlich von Singapur entdecktem Schiffswrack zum Staunen: Mehr als 60.000 in China für Iran und Irak produzierte Keramikwaren, aber auch einige Silber- und Goldteller konnten, oft kaum beschädigt, geborgen werden. Wunderschöne Motive finden sich, aber auch ganz weißes Geschirr, in China besonders geschätzt. Informationen über Handelswege (z. B. die Seidenstraße) gehen Hand in Hand damit. In der Abteilung „Vorfahren und Rituale“ ist vieles zu entdecken, was den ganzen südostasiatischen Raum verbindet; manchmal sind Elemente aus unterschiedlichen Regionen gar in einem Kunstwerk vereint, wie in einem bunt bemalten ‚Kroko-Bock-Fant‘. Natürlich gibt es zu jeder der wichtigen Religionen (Buddhismus, Hinduismus, Islam und Christentum) eine eigene Abteilung, aber es kommt auch zu gelegentlichen Überlappungen: So weisen alle Madonnen mit Kind asiatische Gesichtszüge auf, und auch Franz-Xaver, der spanische Mitbegründer des Jesuiten-Ordens, begegnet uns wieder: Zu Missionierungszwecken kam er auch an Singapur vorbei!
Besonders extravagant ist die temporäre Ausstellung über eine chinesische, offenbar sehr erfolgreiche Modeschöpferin namens Guo Pei, die 1997 ihr eigenes Atelier in Bejing eröffnete, die Kostüme für die Olympischen Spiele in Peking entwarf und natürlich inzwischen auch ein Studio in Paris betreibt. Chinesischen Pop-Ikonen tragen ihre Kostüme zur Hochzeit. Hier ist sie deswegen ausgestellt, weil sie sich sehr mit der chinesischen Tradition und Formensprache auseinandersetzt und mit ihren Kreationen Geschichten erzählt, die sie zum Teil von ihrer Großmutter hörte. Welch ein Pomp, was für ein Glitzern – die Näherinnen und Stickerinnen benötigen oft zwischen 5000 und 8000 Stunden zur Umsetzung der Entwürfe. Ein Kleid mit Pelz wiegt gar 50 Kilogramm (bitte vorher unbedingt ins Fitness-Studio gehen und Gewichtheben üben…!), eines ähnelt dem Muster auf einem Porzellanteller; auch mit vergoldetem Bambus wird experimentiert, was einen eher steifen Rock ergibt. Auf einer Schleppe wird ein goldener Drache nachgezogen. „Gold ist die Farbe meiner Seele“, so das Credo der Modeschöpferin. Hm, nettes Motto, gefiele mir auch…
Im Fullerton Hotel, das wir über eine kurze Brücke erreichen, gibt es weniger Gold als Marmor und Stahl und sonstiges edles Material; im Basement tummeln sich Kois im schwarzen Becken. Schlichte Eleganz, würde ich es nennen, mit einem überdachten Lichthof, in dem sich gerade Jung und Alt zu Bar-Musik von der Harfe zum High Tea niedergelassen hat.
Gegen 18.15 starten wir in Richtung Zoo, wo wir, entgegen Hans‘ Erwartung, riesige Warteschlangen im Kassenbereich vorfinden. Eine Woche Sommerferien ist der naheliegende Grund für den Andrang. Der nächste Nightsafari-Einlass ist tatsächlich erst um 21.15 Uhr, aber im Juni ist ein neuer Bereich eröffnet worden, der Rainforest-Lumina-Park. Den durchwandern wir, erleben eine Mischung aus echten Pflanzen, digitalen Projektionen und interaktiven Stationen, an denen man durch Brüllen oder Hüpfen Projektionen bewegen kann. Natürlich ist es genauso schwül wie tagsüber…
Nach einer halben Stunde Wartens steigen wir in die Besuchertram ein, die uns an so manchem wilden Tier vorbeifährt: einem stattlichen Löwen, Hyänen, großen indischen Elefanten, Streifenantilopen, asiatischen Rehen… Es ist fast Vollmond und ein paar schwach leuchtende Lampen erhellen die nächtliche Szenerie gerade so, dass man die (meisten) Tiere erkennen kann. Nach 40 Minuten sind wir wieder am Eingang und beschließen, nach der Tramfahrt noch eine weitere Runde zu Fuß im Park zu drehen, zumal man einige Tiere besser oder sogar nur so beobachten kann. So sehen wir die geschmeidige ‚fishing cat‘, im Leoparden-Look, aber viel kleiner, stehen in zwei Meter Entfernung zum Leoparden und halten fast die Luft an, obwohl uns eine sichere Glasscheibe trennt. Etliche südostasiatische Tiere sehe ich zum ersten Mal – und habe, kaum gelesen, ihre Namen schon wieder vergessen. Sehr beeindruckt bin ich von einer Meute Flughunde, die entweder kopfüber, sich zusätzlich mit ihrem Schwanz festhaltend, in Bäumen baumeln und dabei oft mit schwarzen ausdruckslosen Knopfaugen zu uns schauen oder blitzschnell an uns vorbeiflattern. Entfaltet ist ihre Flügelspannweite recht groß, schmal dagegen, wenn der ganze Mechanismus zusammengefaltet am Körper ‚aufgeräumt‘ ist. Sie fressen gierig an Melonen, Orangen und Bananen. Hans war noch nie so lange im Park, ist jedoch sehr zufrieden, dass wir so viele Tiere beobachten konnten.
Der Abend – eigentlich schon fast ein Morgen, weil wir erst nach Mitternacht zurück sind - klingt wieder auf dem Balkon aus, wo sich Hans zu seinem Erstaunen von einer ‚lark‘ (Lerche) in eine ‚owl‘ (Nachteule) verwandelt. Nur drei Stunden vor Sonnenaufgang liegen wir endlich doch in unseren Betten…