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Singapur


Tag 366 / Do 8.8.2019 Perth/Singapore
(Cornelia) Die Auto-Rückgabe ist schon Routine; am Flughafen läuft auch alles wie geplant und der bequeme Qantas-Flug nach Singapur hält nur angenehme Überraschungen bereit: Ausgezeichnetes Essen, australischen Sekt (Jakob‘s Creek) und zwei Filme für mich („Un homme fidèle“ und das deutsche Remake von „Der Vorname“ in Starbesetzung und mit interessanten kleinen interkulturellen Veränderungen). Im Dunst kann Tom noch den ‚roten Kontinent‘ erkennen. 
Wir landen etwas eher als gedacht; die Schlange bei der ‚immigration‘ ist lang, aber es geht doch rasch. Und schon sehen wir einen weißhaarigen Mann am Ausgang auf uns warten: Hans. Welch eine Freude, ihn wiederzusehen!
Ein ‚Swiss Pie‘ duftet schon, als Hans die Haustüre im 24. Stockwerk öffnet – gebacken nach einem Hausrezept. Die Luft ist schwül; wegen der hohen Luftfeuchtigkeit in Singapur denkt man immer, es sei noch heißer als es das Thermometer anzeigt. Bald schon betten wir unser müdes Haupt im klimatisierten Gästezimmer…


Tag 367/ Fr 9.8.2019 / Singapore
(Cornelia) Heute ist in Singapur Nationalfeiertag; die ganze Stadt ist auf den Beinen, etliche Straßen werden später wegen der Parade gesperrt sein. Hans schlägt vor, gleich am Vormittag noch etwas Sightseeing mit dem Auto zu machen. Erstes Staunen in der Tiefgarage: Manche Nachbarn besitzen gleich fünf Rolls Royce! Ansonsten gehört es in Singapur zum guten Ton, einen Audi, BMW oder Porsche zu besitzen; der Status zählt, denn hier im Stadtgebiet kann man die Pferdchen nie traben lassen. Zusätzlich zum Erwerbspreis addiert sich die sehr teure Kfz-Anmeldung, die ersteigert werden muss und über die die Anzahl der erwünschten Fahrzeuge im Stadtstaat geregelt wird.
Vorbei an Hotels, Wolkenkratzern und niedriger Kolonialarchitektur fahren wir zu den Gardens by the Bay. Mit einer Milliarde Dollar ist hier nicht gekleckert, sondern geklotzt worden: Zwei riesige Gewächshäuser in Form von Nautilus-Muscheln ziehen einheimische und ausländische Besucher gleichermaßen an. Wir durchwandern auf mehreren Etagen erst den Cloud Forest Dome, der mit Wasser und Dampf ein tropisches Bergklima zwischen 1500 und 3000 Metern Höhe nachstellt. Aus 35 Metern Höhe stürzt vom künstlichen Berg, dem zentralen Mittelstück, ein mehrstrahliger Wasserfall herab. Durch die Glasscheiben erhascht man immer wieder einen Blick auf die Stadt mit dem Riesenrad (natürlich höher als das ‚London Eye‘…). Sehr kurios ist ein ‚Beet‘, in dem neben natürlichen Pflanzen auch fleischfressende Pflanzen aus Lego-Steinen wachsen – der Renner bei Jung und Alt. Im zweiten Gewächshaus dominiert Mittelmeerklima mit Pflanzen aus der ganzen Welt, die in diesem Klima wachsen. Wie riesige (uralte!) Olivenbäume den Weg nach Singapur gefunden haben, können wir nur vermuten: Per Schiff. Während ich begeistert die Pflanzen im Regenwald-Haus fotografiere, sind die asiatischen Besucher mindestens ebenso entzückt von Geranien und Rosen… Auffällig viele chinesische Familien haben auch Oma oder Opa dabei, oft im Rollstuhl – äußeres Zeichen des großen familiären Zusammenhalts.


Tag 367/ Fr 9.8.2019 / Singapore Fortsetzung 1
An sehr dekorativen, gigantischen ‚Supertrees‘ vorbei – 18 von Pflanzen bewachsenen Stahlgerüsten, deren Aufgabe es ist, Energie zu generieren, um die Gewächshäuser zu kühlen – geht es in Richtung Marina Bay Sands, einem Hotel, bestehend aus drei Wolkenkratzern, die über ein Dach in Form eines riesigen geschwungenen Surfbretts verbunden sind. Nach oben wollen wir ein anderes Mal (die Auffahrt kostet), aber unten gibt es einen Komplex mit Casino und Luxus-Geschäften – beinahe wähnt man sich in Paris… Gegenüber liegt das Fullerton-Hotel, das im ehemaligen Postamt Singapurs untergebracht ist und dessen Zimmer noch teurer als im Marina Bay Sands sind. Eben kreuzen auf dem Wasser auch einige Militärschiffe, wohl Bestandteil der ‚Geburtstagsfeierlichkeiten‘: Überall hängen Plakate mit dem Slogan „Happy birthday, Singapore!“. Ganz am Ende des Einkaufszentrums, in dem man sich auch ein Stück in einem Boot auf einem künstlichen Fluss rudern lassen kann, befindet sich ein ‚Food Court‘, den wir aufsuchen, weil wir inzwischen alle drei hungrig sind: Zum Glück ohne Mc Donalds und Co, aber mit einer langen Reihe von indischen, thailändischen oder chinesischen Mini-Küchen und ebenso langen Schlangen davor. Toms Pfadfindernase führt uns zum Parkplatz zurück: Mittagspause in Hans‘ riesigem Apartment mit wohlverdientem Tiefschlaf (zumindest meinerseits, ein glückliches Erbe meiner beiden Elternteile…)


Tag 367/ Fr 9.8.2019 / Singapore Fortsetzung 2
Wir brechen gegen 18 Uhr zu Fuß auf und spazieren durchs Viertel und dann am Singapore River entlang. Hans erklärt uns die „5 C“, die in Singapur gelten: Cash, Car, Credit Card, Condominium und Country Club membership – das braucht man hier, um mithalten zu können. (Die Clubmitgliedschaft ist allerdings am schwierigsten zu bewerkstelligen…) Der Plan, an einem bestimmten Punkt ein Wassertaxi zu besteigen, funktioniert aber nicht, weil alle Boote zu Hans‘ Erstaunen vertäut sind. So gehen wir an bunten Brücken und unzähligen Restaurants vorbei, mit Ausblick auf Wolkenkratzer und ehemalige Warenlager (längst gentrifiziert…). Zwei Hubschrauber ziehen eine riesige Banderole mit der Aufschrift „Happy Birthday, Singapore!“ nach sich, dann tosender Lärm – aha, Düsenjäger über unseren Köpfen. Derweilen ist die Parade mit einheitlich marschierenden Soldaten in einem temporären Stadion unweit des Parlaments angekommen – das sehen wir aber nur als live-Übertragung auf den omnipräsenten Bildschirmen vor Gaststätten und erkennen auf den Bildern auch Singapurs muslimische Präsidentin.
Vor dem Museum of Asian Civilisation finden wir noch drei Sitzplätze für uns auf einer Treppe. Ein geschätztes Zehntel aller Besucher hat sich in den rot-weißen Nationalfarben gekleidet; überall hängen Fähnchen. Viele Menschen sitzen einfach auf dem Boden. Kurz nach 20 Uhr beginnt das kurze, aber intensive Feuerwerk mit einem lauten Schlag, hauptsächlich mit roten und weißen Raketen und etwas grünem Leuchtfeuer (Singapore, the Green City). Die Zuschauer freuen sich wie die Kinder und applaudieren.
Nach dem Ende des Feuerwerks finden wir tatsächlich schneller als erwartet ein freies Taxi und genießen bald schon einen eiskalten Aperol Spritz auf dem Balkon vor nächtlicher Wolkenkratzer-Kulisse. Hans legt Tango mit Bandoneon und Saxofon auf (Piazzola und Mulligan) und gemeinsam schneiden, belegen, rollen und verzehren wir Gravadlax in dünnem (schwedischen) Brot, das Hans immer bei einer von zwei örtlichen IKEA-Filialen holt.

Mobirise

Tag 368/ Sa 10.8.2019 / Singapore
(Cornelia) Hans nimmt Maria, die Maid der Familie, und uns mit zu einem Food-Market, wo es australisches Rindfleisch zu kaufen gibt. Im Regal entdecken wir auch Paulaner-Bier aus München. Danach fahren wir ohne Maria weiter zum Tikka-Market im sogenannten Little India, mit dem Auftrag, Orangen, Äpfel, Sellerie und Karotten zu besorgen. Um zum Obst zu gelangen, müssen wir erst an den Fisch- und Fleischhändlern vorbei. Bei beiden würden wir nicht unbedingt freiwillig einkaufen; Fische und Krabben werden recht achtlos in großen Zinkpfannen präsentiert, mit starkem Geruch. Das Fleisch wird aus großen Fleischbrocken mit großen Beilen auf hölzernen Hackblöcken in kleinere Scheiben und Stücke gehauen; unwillkürlich schaut man, ob der Fleischhauer noch alle Finger an seiner völlig schutzlosen Hand hat. Ein Gedränge, Geschiebe und Sprachengewirr: Chinesisch, Indisch, Englisch… Zu Obst und Gemüse – das meiste mit einer natürlichen Schutzschicht versehen, hätte ich am meisten Vertrauen, auch wenn ich bei weitem nicht alle Sorten erkenne. Berge von grünen Gewürzblättern liegen auch herum.
Im ersten Stock gäbe es bunte Saris, die wir aber nicht ansehen. Nachdem der Obsteinkauf ins Parkhaus gebracht ist, gehen wir zu Fuß ein bisschen durchs Viertel. Ganze Straßenzüge lang liegt ein Juweliergeschäft am anderen; laut Hans tauschen InderInnen ihre Ersparnisse gerne in Goldschmuck um. Der Schmuck sieht in unseren westlichen Augen übertrieben groß und ziseliert aus; man sieht ihn aber tatsächlich am Hals etlicher Passantinnen und trotz der Vielzahl an Juwelieren, drängen sich vor manchen Auslagen die Kundinnen, manchmal auch Paare, während in den Elektronikläden nur Männer zu finden sind. Stapelweise werden billige Jeans zum Verkauf angeboten oder auch bunte Stoffe.
Nächste Station ist der Sri-Veeramakaliamman-Tempel, ein Hindu-Tempel, vor dessen Betreten wir erst einmal unsere Schuhe ausziehen müssen; Hans scherzt, man könne sich ja nachher ein hübsches Paar aussuchen. Die üppige Dekoraton mit bunten Statuen und Götterfiguren setzt sich innen fort. Blumengirlanden hängen vor bunten Götterbildern, und außer Ganesha, dem Elefantengott, glaube ich noch Kali zu erkennen. Dickbauchige Männer (Brahmanen? Tempeldiener?) verkaufen Bündel aus Obst und Gemüse, die den Götterstatuen geopfert werden. Ghee-Lichter kann man ebenfalls erwerben und hinter dem Tempel auf einer Art Metall-Wagen brennend abstellen. Ein paar Schritte weiter wird aus großen Behältern Essen ausgeteilt - eine Art Armenspeisung? Ich stelle fest, dass ich vom Hinduismus nur sehr wenig weiß… Am Schuhregal erlebt Hans dann eine schlechte Überraschung: An der Stelle, wo er seine beiden Schuhe abstellte, stehen zwei verschiedene Modelle! Unglaublich! Meine Theorie, er habe am Morgen eventuell die Sandale seines Sohnes Daniel erwischt, bestätigt sich im Nachhinein. Wir lachen alle drei noch lange über diese Anekdote, am meisten aber Hans selbst über sich.
Danach setzt uns Hans am Eingang des Botanischen Gartens ab, der – vermutlich wegen seines Orchideen-Gartens – der meistbesuchte Botanische Garten der Welt ist. Er wurde 1857 gegründet und beinhaltet auch die größte Palmensammlung der Welt. Wilde Affen sehen wir nicht, aber eine recht große, eher träge Eidechse und zwei flinke Eichhörnchen. Manche der exotischen Pflanzen kennen wir schon von Tahiti. Der Orchideen-Garten überwältigt mit seinen Formen und Farben, auch wenn wir zweifelnde Stimmen hören wie die eines jungen Schweizers, der seine Freundin mehrfach fragt, was sie denn an den Orchideen so schön finde. An zentraler Stelle weist man auch auf Zuchterfolge hin und stellt Bilder verschiedener internationaler Persönlichkeiten aus, nach denen die jeweilige Neuheit benannt ist (z. B. Margret Thatcher, Barack und Michelle Obama, Edward und Kate, Nelson Mandela). Gefühlt sind es heute 37 Grad, alles an uns ist klatschnass, so dass wir nur noch zum Riechgarten gehen, um etwas exotischen Blütenduft zu schnuppern. Taxis warten am Garteneingang, und kaum hat unsere Fahrerin erfragt, dass wir Deutsche sind, beginnt schon ein ‚name-dropping‘: Siemens, Angela Merkel, Thyssen, die Olympischen Spiele von München, Schwarzwälder Kirsch und etliches, was wir wegen der chinesich-englischen Aussprache auch nicht verstehen. Schon stehen wir vor Hans‘ Condominium, und ich wedle mit dem Schlüssel , damit der Sicherheitsdienst die Schranke öffnet.
Nach einem köstlichen Abendessen (Rinderfilet, Kartoffelgratin – von Maria nach Madams Rezept zubereitet) fährt uns Hans zum Theaterkomplex des Hotels Esplanade, wo wir schließlich im Studio Theatre, einem kleineren Saal, ein exquisites Jazz-Konzert hören: Aaron Goldberg Trio mit dem Saxofonisten John Ellis als ‚special guest‘. Hervorragende Musiker, z.T. mit begeisternder Body Percussion anstatt des normalen Drumsets, kreative Kompositionen, tolles Zusammenspiel.
In der Nähe der schicken Konzerthalle steht gegenüber dem altehrwürdigen Fullerton Hotel ein nicht ganz so altes Wahrzeichen Singapurs: Der sogenannte Merlion, ein weißer Löwe mit Fischschwanz (vgl. das englische Wort für Meerjungfrau: mermaid). Er speit Wasser im Schwall. Das Marina Bay Sands am anderen Ende des Hafenbecken bildet eine tolle Kulisse!


Tag 369/ So 11.8.2019 / Singapore
(Cornelia) Hans will heute mit uns den Nationalpark Sungai Buloh Wetland Reserve besuchen, der etwas außerhalb des Stadtzentrums, aber immer noch in Singapur liegt. Große Schilder in den vier Landessprachen (Englisch, Mandarin, Malay und Hindi) rufen den Besucher auf, die Wege nicht zu verlassen und warnen auch vor den ‚crocs‘, den Salzwasserkrokodilen. Der nächste Hinweis gilt den Affen: Sie zu füttern, kann mit einer Strafe von bis zu 50.000 Singapur-Dollars, etwa 30.000 Euro geahndet werden. Ok, dann also lieber nicht, auch wenn uns kaum ein paar Meter weiter bereits eine Makaken-Mama mit putzigem Baby-Äffchen über den Weg läuft. Weil andere Menschen offenbar wagemutiger als wir sind, sehen wir doch noch, wie sie gierig nach zwei Scheiben Toastbrot greift und sich dann etwas wählerisch nur den hellen Teil nimmt und die Rinde übrig lässt. Der Kleine langt mit seinen Fingern ins Leere und begnügt sich dann mit etwas Milch aus Mamas Zapfstelle.
Kurz darauf liegt eine blau-züngelnde Riesenechse auf dem Weg und sucht – für ihre Verhältnisse eher eilig – das Weite, als sie sich von immer mehr Spaziergängern umzingelt fühlt. Die Route führt durch einen Mangroven-Wald; neben Wurm- und Krabbenlöchern sehen wir noch eine Kröte faul im Wasser hängen und neben einem Flussarm ein großes Krokodil. Später erfahren wir, dass man die Krokodile am besten bei Ebbe und am frühen Morgen sieht. Hans‘ Absicht, uns viele Vögel zu zeigen, ist insofern unerfüllbar, weil gerade nicht die passende Zeit für Zugvögel ist; wir sehen aber immerhin zwei reiherartige weiße Vögel sich hübsch vom braunen Schlamm abheben. Dennoch ist der Rundgang interessant, wenngleich in schwüler Luft.
Das Mittagessen nehmen wir wieder am Balkon ein; Gravadlax auf Knäckebrot (wieder von IKEA) mit Senf, wonach ich im kühlen Zimmer sofort wieder in Tiefschlaf verfalle. Das Schwimmen verschieben wir auf den nächsten Tag, denn am Abend will Hans mit uns zu einem typischen chinesischen Restaurant in einem Sozialwohnungskomplex fahren, Westlake. Große Familien sitzen an runden Klapptischen, in der Mitte oft ein Drehbrett. Hans ordert mit Kennermiene einen großen Krug Tiger-Beer (warmer Tee kommt gratis), Frühlingsrollen, Schweinefleisch süß-sauer, Huhn mit Chilly, Krabbenreis und last not least zwei Krabben (Singapurs Nationalgericht!): Pepper-Crab und Chili-Crab. Natürlich hat er uns vorgewarnt, es werde eine ‚mess‘ geben (frei übersetzt: Sauerei), und er hat IKEA-Werkzeug zum Knacken der Schalen und zum Herausziehen des Krabbenfleisches vorsorglich mitgenommen. Seine Einführung ist eher knapp (mehr Boss als Lehrer...) und der Rest ist ‚learning by doing‘. Toms Favorit ist die Pepper-Variante, meine die Krabbe mit Chili – und Hans ist glücklich, weil in der Regel Frau und Sohn das Chili-Rezept ablehnen. Nach einer Weile haben wir dicke Lippen, weil sie auf die ungewohnte Menge Chili reagieren… Ein Erlebnis!! Bei Jazz und einem Drink auf dem nun schon heimischen Balkon schrumpfen unsere Lippen allmählich wieder auf die übliche Größe.


Tag 370/ Mo 12.8.2019 / Singapore
(Cornelia) Hans fährt uns gerne zur Singapore National Gallery – unter der Bedingung, dass er uns nicht begleiten muss. Einverstanden. Zwei riesige Gebäude sind unter einem Glasdach zusammengefasst: der ehemalige Supreme Court und die City Hall mit einer Rotunde. Man hat die Chance genutzt, das Dach neu zu gestalten und hat dazu einen Künstler engagiert: Neben einer Roof Top Bar und einem Restaurant gibt es für jedermann einen überdachten Platz zum Ausruhen und eine große Glasfläche, über die Wasser läuft und so die Illusion eines Infinity-Pools schafft. Wir bleiben auf derselben Höhe und sehen uns die Rotunde an, in der sich früher die Bibliothek des Gerichtshofes befand. Alles top renoviert. Weil heute ein muslimische Feiertag ist, kostet der Eintritt in die Nationalgalerie nichts. Überraschend viele Kleinkinder besuchen eine spezielle hands-on- Ausstellung; Dutzende Kinderwagen stehen verlassen in der riesigen Eingangshalle.
Unter dem Titel „awakenings“ portraitiert eine temporäre Ausstellung die Zeit von 1960 bis 1990 in Asien. Das Ausmaß unseres Nicht-Wissens ist groß; manche historischen und geographischen Zusammenhänge recherchieren wir gleich vor Ort, von manchem haben wir wenigstens schon mal ansatzweise gehört, einige Anspielungen und Bezüge erkennen wir immerhin auch sofort – aber immer nur dann, wenn es um Kritik geht, die in Europa ebenfalls geübt wird, z. B. am Materialismus. Interessant ist auch die Auseinandersetzung mit (europäischen) Kunsttheorien. Zukünftig werden wir sicher mehr die Ohren spitzen, wenn es um Asien geht… Anschließend durchstreifen wir noch mehrere Abteilungen mit südostasiatischer Kunst, die den größten Teil der Nationalgalerie einnimmt. Auffallend oft geht es um Gewaltausübung, meist durch Diktatoren (z.B. Indonesien in den 80-er Jahren) oder im Vietnam-Krieg (z.B. Napalm- oder sonstige Angriffe). Wenige, oft abstrakte Bilder sind einfach nur ästhetisch schön.
Nach mehreren Stunden in der Nationalgalerie sind wir tiefgekühlt und zum ersten Mal richtig froh über die draußen herrschenden 29-gefühlt-33-Grad. Langsam gewöhnen wir uns auch an den ständigen Wechsel zwischen kalt und warm. Schneller als uns lieb ist, stehen wir in einer Shopping Mall, die – zu Toms Entzücken – auf einer ganzen Ebene einen Hifi-Shop am anderen bietet. Er reißt sich los, und wir entdecken die Funan-Mall mit Fahrrad-Teststrecke, Kletterwand, Kochstudio und allem, was man sonst noch (nicht) braucht. Viele, bereits mehr oder minder mit Tüten oder riesigen Plüschtieren beladene Familien sind unterwegs (Feiertag!), essen bunte Torten, Gemüse in Bowls oder McDonalds-Burger. Der chinesische Papa neben uns verrührt engagiert das Latte-Art-Herz in seinem Capuccino, während seine etwa fünfjährige Tochter ihn und Mama mit ihrem Handy fotografiert. Wir kommen aus dem Schauen nicht heraus…
Zur Regeneration hüpfen wir in Schwimmbad und Whirlpool des Condominiums. Sehr angenehme Temperatur, Palmen ringsherum. Am Abend probieren wir noch die sogenannten Hawker Stalls aus, in unserem Fall das Maxwell Food Centre; viele Garküchen ordnen sich um zentrale Sitzplätze herum, sind halboffen, aber überdacht. Die Händler haben feste Stände, etwa in Wohnwagengröße. Man geht davon aus, dass die Hawker Stalls in einiger Zeit zugunsten klimatisierter Food Courts verschwinden werden, zumal die Lizenzen sehr teuer sind. Laut Hans haben sie auch Nachwuchsschwierigkeiten, weil viele Nachkommen den Knochenjob nicht unbedingt übernehmen wollen. Ein Essen kostet etwa vier Euro (Nudeln oder Reis, Gemüse, Fleisch und Sauce), Getränke gibt es an einem anderen Stand (für mich frisches Kokoswasser, direkt aus der Kokusnuss). Weil Hans neuen Prosecco besorgt hat, gibt es noch einmal Aperol Spritz auf dem Balkon; dieses Mal steuern wir die Musikauswahl bei.

Mobirise

Tag 371/ Di 13.8.2019 / Singapore
(Cornelia) Wieder bringt uns Hans in die Stadt, dieses Mal zum Asian Civilisations Museum. Es steht an sehr prominenter Stelle am Singapore River, direkt neben dem Raffles Monument (das ist der englische Gentleman, der die britische Kolonie 1819 gründete) und gegenüber des Fullerton Hotels. Ziel des Museums ist es, Bezüge zwischen den Ländern im südostasiatischen Raum herzustellen sowie kulturelle und religiöse Entwicklungslinien aufzuzeigen.
Gleich im Erdgeschoss bringen uns die Funde aus einem erst 1998 von Seegurken-Tauchern etwa 600 Kilometer südlich von Singapur entdecktem Schiffswrack zum Staunen: Mehr als 60.000 in China für Iran und Irak produzierte Keramikwaren, aber auch einige Silber- und Goldteller konnten, oft kaum beschädigt, geborgen werden. Wunderschöne Motive finden sich, aber auch ganz weißes Geschirr, in China besonders geschätzt. Informationen über Handelswege (z. B. die Seidenstraße) gehen Hand in Hand damit. In der Abteilung „Vorfahren und Rituale“ ist vieles zu entdecken, was den ganzen südostasiatischen Raum verbindet; manchmal sind Elemente aus unterschiedlichen Regionen gar in einem Kunstwerk vereint, wie in einem bunt bemalten ‚Kroko-Bock-Fant‘. Natürlich gibt es zu jeder der wichtigen Religionen (Buddhismus, Hinduismus, Islam und Christentum) eine eigene Abteilung, aber es kommt auch zu gelegentlichen Überlappungen: So weisen alle Madonnen mit Kind asiatische Gesichtszüge auf, und auch Franz-Xaver, der spanische Mitbegründer des Jesuiten-Ordens, begegnet uns wieder: Zu Missionierungszwecken kam er auch an Singapur vorbei!
Besonders extravagant ist die temporäre Ausstellung über eine chinesische, offenbar sehr erfolgreiche Modeschöpferin namens Guo Pei, die 1997 ihr eigenes Atelier in Bejing eröffnete, die Kostüme für die Olympischen Spiele in Peking entwarf und natürlich inzwischen auch ein Studio in Paris betreibt. Chinesischen Pop-Ikonen tragen ihre Kostüme zur Hochzeit. Hier ist sie deswegen ausgestellt, weil sie sich sehr mit der chinesischen Tradition und Formensprache auseinandersetzt und mit ihren Kreationen Geschichten erzählt, die sie zum Teil von ihrer Großmutter hörte. Welch ein Pomp, was für ein Glitzern – die Näherinnen und Stickerinnen benötigen oft zwischen 5000 und 8000 Stunden zur Umsetzung der Entwürfe. Ein Kleid mit Pelz wiegt gar 50 Kilogramm (bitte vorher unbedingt ins Fitness-Studio gehen und Gewichtheben üben…!), eines ähnelt dem Muster auf einem Porzellanteller; auch mit vergoldetem Bambus wird experimentiert, was einen eher steifen Rock ergibt. Auf einer Schleppe wird ein goldener Drache nachgezogen. „Gold ist die Farbe meiner Seele“, so das Credo der Modeschöpferin. Hm, nettes Motto, gefiele mir auch…
Im Fullerton Hotel, das wir über eine kurze Brücke erreichen, gibt es weniger Gold als Marmor und Stahl und sonstiges edles Material; im Basement tummeln sich Kois im schwarzen Becken. Schlichte Eleganz, würde ich es nennen, mit einem überdachten Lichthof, in dem sich gerade Jung und Alt zu Bar-Musik von der Harfe zum High Tea niedergelassen hat.
Gegen 18.15 starten wir in Richtung Zoo, wo wir, entgegen Hans‘ Erwartung, riesige Warteschlangen im Kassenbereich vorfinden. Eine Woche Sommerferien ist der naheliegende Grund für den Andrang. Der nächste Nightsafari-Einlass ist tatsächlich erst um 21.15 Uhr, aber im Juni ist ein neuer Bereich eröffnet worden, der Rainforest-Lumina-Park. Den durchwandern wir, erleben eine Mischung aus echten Pflanzen, digitalen Projektionen und interaktiven Stationen, an denen man durch Brüllen oder Hüpfen Projektionen bewegen kann. Natürlich ist es genauso schwül wie tagsüber…
Nach einer halben Stunde Wartens steigen wir in die Besuchertram ein, die uns an so manchem wilden Tier vorbeifährt: einem stattlichen Löwen, Hyänen, großen indischen Elefanten, Streifenantilopen, asiatischen Rehen… Es ist fast Vollmond und ein paar schwach leuchtende Lampen erhellen die nächtliche Szenerie gerade so, dass man die (meisten) Tiere erkennen kann. Nach 40 Minuten sind wir wieder am Eingang und beschließen, nach der Tramfahrt noch eine weitere Runde zu Fuß im Park zu drehen, zumal man einige Tiere besser oder sogar nur so beobachten kann. So sehen wir die geschmeidige ‚fishing cat‘, im Leoparden-Look, aber viel kleiner, stehen in zwei Meter Entfernung zum Leoparden und halten fast die Luft an, obwohl uns eine sichere Glasscheibe trennt. Etliche südostasiatische Tiere sehe ich zum ersten Mal – und habe, kaum gelesen, ihre Namen schon wieder vergessen. Sehr beeindruckt bin ich von einer Meute Flughunde, die entweder kopfüber, sich zusätzlich mit ihrem Schwanz festhaltend, in Bäumen baumeln und dabei oft mit schwarzen ausdruckslosen Knopfaugen zu uns schauen oder blitzschnell an uns vorbeiflattern. Entfaltet ist ihre Flügelspannweite recht groß, schmal dagegen, wenn der ganze Mechanismus zusammengefaltet am Körper ‚aufgeräumt‘ ist. Sie fressen gierig an Melonen, Orangen und Bananen. Hans war noch nie so lange im Park, ist jedoch sehr zufrieden, dass wir so viele Tiere beobachten konnten.
Der Abend – eigentlich schon fast ein Morgen, weil wir erst nach Mitternacht zurück sind - klingt wieder auf dem Balkon aus, wo sich Hans zu seinem Erstaunen von einer ‚lark‘ (Lerche) in eine ‚owl‘ (Nachteule) verwandelt. Nur drei Stunden vor Sonnenaufgang liegen wir endlich doch in unseren Betten… 


Tag 372/Mi 14.8.2019 / Singapore
(Cornelia) Nach längerem Hin und Her ist das Thema des Tages gefunden: Chinatown. Hans setzt uns am Bouddha Tooth Relic Temple ab, an dessen Langseite eine 25 Meter lange festliche Tafel gedeckt ist. Im Eingangsbereich ist gerade eine Zeremonie mit viel Weihrauch, Einzel- und Chorgesängen und chinesischen Gemurmel im Gang. Wir dürfen nicht ganz ins Innere des Andachtsraums, in dem mehrere Buddha-Statuen zu sehen sind, sondern nur bis zu den Devotionalienständen. Im vierten Stock befindet sich ein 420 Kilogramm schwerer Stupa aus massiven Gold, der die Reliquie – Buddhas Zahn… angeblich – umschließt. (Interessant, dass auch im Buddhismus Reliquien verehrt werden.) Mehrere Menschen meditieren mit Blick auf den Stupa. Eigentlich ist in diesem Stockwerk ALLES vergoldet. Noch eine Treppe höher liegt ein wunderschöner Dachgarten mit vielen Orchideen und einer sehr großen Gebetsmühle, die von mehreren Betenden eilig umrundet wird und bei jeder Umdrehung klingelt.
Durch kleine Straßen, an denen sich Restaurants aneinanderreihen, erkunden wir das chinesische Viertel. Der schön renovierte Thian Hock Keng Temple (1839 – 1842) weist eine Wandmalerei an seiner Außenwand auf: Von rechts nach links zeigt er die Geschichte der chinesischen Immigranten in Singapur. Leider bekommen Nicht-Buddhisten keinen Zutritt.
Gleich gegenüber liegt der Nagore Durgha Shrine in einem Gebäude mit deutlich muslimischer Prägung. Auch wenn wir den Schrein nicht sehen, so erhellt die kleine Ausstellung ein wenig die Lebensbedingungen muslimischer Inder nach ihrer Einwanderung in Singapur.
Wenige Meter weiter sehen wir von außen Ying Fu Fui Kun, ein sogenanntes clan house. Die Chinesen taten sich in Clans zusammen und versuchten gemeinsam, z.B. ein Schulsystem aufzubauen oder das kulturelle Leben ihrer Einwanderer zu organisieren. Manche Gebäude in der Umgebung verbinden Art-deco-Elemente mit chinesischer Fassadengestaltung. Sollten wir wieder einmal nach Singapur kommen, müssen wir dieses Viertel noch einmal ausführlicher durchstreifen…
Zurück in der Straße, in der auch Buddhas Zahn unter Goldmassen liegt, befindet sich auch der hinduistische Sri Mariamman Temple. Tom hat keine Lust, schon wieder die Schuhe abzustreifen. Ich erfahre bald, was es heißt, in Singapur barfuß über Fliesen zu gehen: fast ein Gang übers Feuer. Wenig heldenhaft verzichte ich auf eine weitere Erkundung…
An der einen Seite des Hindu-Tempels liegt DIE (touristische) Hauptstraße Chinatowns, eine Kette von Ramsch-Ständen in der Mitte. Aber hier liegt auch unser Ziel, das Chinese Heritage Centre. Es ist größer als gedacht (drei sogenannte shop houses umfassend) und der Rundgang mit einem hervorragenden, oft hörspielartig gestalteten Audioguide ist so intensiv und dauert so lange, dass wir das letzte Stockwerk leider auslassen müssen. Die Lebensbedingungen der chinesischen Einwanderer der 50er-Jahre sind erschütternd. Sie wohnen in winzigen Wohneinheiten (cubicles) zusammen, oft eine ganze Familie auf sechs Quadratmetern, eine Gemeinschaftsküche für 14 Personen, eine Toilette für vierzig Personen (eine Öffnung zum Hocken plus Eimer, der einmal täglich geleert wird…). Wir erfahren viel über diverse Berufe (Schneider, Holzpantinenhersteller, Kindermädchen, Kuli, Arzt u.a.), die häufig mit der Herkunft aus einem bestimmten Teil Chinas gekoppelt waren. Alle Räume sind mit vielen Alltagsgegenständen anschaulich eingerichtet, vieles ist zum Anfassen gedacht. Wir sind beeindruckt, wie schwer die Lebensbedingungen der chinesischen Wanderarbeiter noch Mitte des 20. Jahrhunderts waren. Heute sitzen hinter dem Steuer der teuersten westlichen Autos oft Asiaten…
Abend führt uns Hans noch in den Tanglin-Club aus, einer riesigen Club-Anlage mit Schwimmbad, Tennisplätzen, Hotel und drei Restaurants, in dem jeder PR (permanent resident) und Expat (Gastarbeiter), der auf sich hält, Mitglied sein sollte. Die Club-Idee stammt natürlich aus England. Wichtigster Teil der Kleiderordnung für die Herren: Ein Hemd mit Kragen und Socken in den Schuhen. Ach so… Tatsächlich gibt es Mulligatawny-Suppe, die wir nur aus „Dinner for one“ kennen, eine scharfe indische Suppe. Der berühmte Singapore Sling, ein Cocktail aus x süßen alkoholischen Bestandteilen, wird leider versehentlich erst nach der Suppe serviert; sein Rezept wurde im ebenso berühmten Raffles Hotel kreiert. Und natürlich endet auch dieser Abend auf Hans‘ Balkon mit einem letzten Blick auf die nächtliche Silhouette der Wolkenkratzer Singapurs.

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