Tag 143 / Fr 28.12.2018 / Chiloé
(Cornelia) Schon bald sind wir startklar, wollen aber auf dem Weg nach Süden noch die Häuser deutscher Siedler in Llanquihue sehen: Einst stattliche Häuser, die heute eher einen verblichenen Charme aufweisen. Immer noch gibt es eine deutsche Feuerwehr.
An Puerto Montt fahren wir auf der Ruta 5 vorbei und sind nach knapp zwei Stunden an der Fähre. Rauf aufs Schiff, wir sind die letzten, Klappe zu, Ablegen. Alle Beschäftigten sind ein eingespieltes Team. Nach 20 Minuten sind wir auf der Insel Chiloé.
Weil ich mir einbilde, dass man auf der östlichen Straße mehr sieht, brocke ich uns eine ziemlich lange Strecke auf der Schotterpiste ein. Man lernt rasch, den Unterkiefer locker zu lassen, damit die Zähne nicht auch noch klappern wie der ganze Rest des Fahrzeugs. Ein typischer Dialog klingt dann so: I-i-i-ist e-e-es no-o-ch w-w-w-eit-tt? Sehr schön sind allerdings ganze Hecken aus knallgelb blühendem Ginster, die die Straße säumen. Nach dem ganzen Gerumpel erreichen wir Quemchi, einen kleinen Ort, dessen Kirche bunt angestrichen ist. Weil Ebbe ist, liegen viele Fischerboote trocken. Mit einer kleinen Fähre könnte man auch die nächste Insel des Archipels erreichen. Wir wollen aber das Haus des chilenischen Nobelpreisträgers Francesco Coleane besichtigen, auf das wir schon in Santiago, im Kulturzentrum La Moneda, per Film aufmerksam geworden waren.
Dort lief gerade ein Dokumentarfilm in französischer Sprache über die Insel Chiloé , wo man zum 100. Geburtstag eben jenes Literaturnobelpreisträgers das Haus, in dem er seine Kindheit verbracht hatte, nach Quemchi zurücktransportierte. So ein Umzug geht aber auf der Insel Chiloé ganz anders, als man denkt: Alle helfen zusammen, Stangen werden vor das Haus gelegt, das Haus selbst hochgestemmt, Baumstämme untergeschoben und befestigt und dann an dicken Seilen von vielen Ochsen aus dem gesamten Umland auf die Stangen gezogen; danach gleitet das Haus-Floß weiter Richtung Meeresbucht (wichtig: bei Ebbe!). Bei Flut schwimmt das Haus mit Mannschaft auf dem Wasser und wird von einem Boot, auf dem eine Musikkapelle singt und spielt, an ein anderes Ufer gezogen. Dort warten schon die Ochsen – und nun beginnt der Prozess in der anderen Richtung. Diese Art des Umzugs (Minga) ist wohl uralt und auf Chiloé eine praktikable Lösung, deren Methode in den einzelnen Familien mündlich tradiert wird.
Das Haus steht nun direkt am Strand, neben einem weiteren alten Haus. Die Einrichtung ist allerdings nicht die originale, sondern besteht aus Spenden; das Kätzchen, das es sich auf einem Sofa bequem gemacht hat, ist noch sehr jung… Die Erzählungen von Coleane warten schon auf meinem eBook.
Richtig berühmt ist Chiloé für seine Holzkirchen, von Jesuiten unter spanischer Herrschaft zu Missionszwecken gebaut und nach deren Vertreibung von Franziskanern weiter betreut; seit einigen Jahren zählen sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Komplett aus Holz gebaut, mit Decken wie ein umgedrehter Schiffsrumpf, etwas gotisierender Stil, bunt angemalt. Wir fahren Stichstraßen zu dreien dieser Kirchen (Colo, Dalkahue und Tenaún); alle drei liegen fast am Meeresufer, weil die Herren Missionare ihre Schäflein einmal pro Jahr per Schiff zu besuchen pflegten.
In Castro ist der Bär los, Freitag-Abend-Stau; wir müssen zum Baumarkt, weil das Gewinde unseres Frischwasserschlauchs nicht auf alle Wasserhahntypen passt. An der Tankstelle gegenüber dürfen wir Wasser zapfen, so dass wir im Notfall auch wild campen könnten. Allerdings findet sich ein paar Kilometer nach Castro noch ein Campingplatz („El Chilote“ - ich nenne den Namen nur, damit niemand auf die Idee kommt, ihn anzusteuern!!), dessen Einfahrt so angelegt ist, dass unser Auto auch durchpasst – da hat jemand mitgedacht… Für 18 Euro bekommen wir nur Strom und Licht, eiskaltes Wasser und ein nicht-funktionierendes WiFi. Im Nachhinein ärgern wir uns, dass wir weder gehandelt noch Nein gesagt haben. Aber wir sind müde und haben Strom. Handy, Navi, PC, Fotoapparat – alles will aufgeladen werden.