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Chile: Valparaíso


Tag 206 / Fr 1.3.2019 / Valparaíso
(Cornelia) Unsere Tischnachbarn vom Frühstückstisch im Hotel inspirieren uns zur Nachahmung: Der Calle Alemania auf halber Höhe am Cerro Alegre folgen, bis zum Neruda-Haus. Das wird auch unser Einstieg. Valparaíso liegt an einer großen Bucht, von mehreren Hügeln (‚Cerros‘) umgeben, mit zum Teil steilen Straßen, die manchmal jäh durch eine Mauer begrenzt sind (‚sin salida‘), mit Treppen für die Fußgänger, mit den legendären Aufzügen aus der Zeit um 1900; leider sind nur noch wenige von 7 bis 23 Uhr in Betrieb, viele der restlichen einst 27 sind teilweise oder komplett verfallen. Wir sehen viel street art an Häuserwänden und genießen Ausblicke auf Hafen und Meer sowie das benachbarte Viña del Mar. Auch an einer Plakette für Bismarck kommen wir vorbei, ohne zu verstehen, was die hier soll.  
Das dritte und letzte Haus des chilenischen Nobelpreisträgers Pablo Neruda (Nobelpreis für Literatur im Jahr 1971) hat eine exquisite Position mit vielen Glasflächen zum Meer hin. Das Bild, das der Audioguide von Neruda zeichnet, lässt ihn als Lebemann erscheinen, mit drei Ehen, vielen Partys, als jemand, der sich gern verkleidete und dem die Siesta heilig war, als passionierten Antiquitäten-Jäger-und-Sammler. So zieren das Haus auch etliche ehemalige Kirchenfenster, viele Stiche, besondere Möbel. Das Haus selbst stand schon halb fertig da, als er es kaufte und in drei Jahren Bauzeit (um-)bauen ließ. Gedichtet wurde in allen Zimmern, stets mit Blick auf das Meer und immer mit einem Füller grüner Tinte.
Wir steigen weiter abwärts und stoßen bald auf das erste Wandbild, das zum sog. Museo al aire libre gehört, einem Street-Art-Museum, für das 1992 bedeutende chilenische Künstler (u. a. Roberto Matta) beauftragt wurden. Seitdem kamen weitere Wandbilder dazu. Ständig ergeben sich neue Durchblicke, malerische Ansichten; auch ein funktionierender Aufzug (‚Espirito Sancto‘) findet sich in diesem Viertel. Unten angelangt, genehmigen wir uns nach so viel Kunst und vielen Schritten, oft steil nach unten, ein Taxi zurück in die Herberge; der Taxi-Fahrer erzählt uns noch einiges zu den Gebäuden unterwegs. Abends gibt es nach einer (hervorragenden) Pizza noch zwei Runden teils ganz guten Live-Jazz – ohne Eintritt, aber mit Konsumzwang.

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Tag 207 / Sa 2.3.2019 / Valparaíso
(Cornelia) Auch wenn die bunte Stadt mit ihrem verblichenen Charme sehr zum Schlendern und Schauen lockt, bleiben wir bis zum Nachmittag im Hotel auf der kleinen Terrasse: Wir brauchen etwas Ruhe und wählen heute nur einen Programmpunkt: Den Besuch des Palazzo Baburizza,in dem das Museo las Bellas Artes untergebracht ist. Ein großer Teil der Gemälde ist die Privatsammlung des letzten Besitzers der Jugendstil-Villa, eines Mannes, der aus Kroatien (damals noch zu Österreich-Ungarn gehörend) nach Chile einwanderte und sich einen großen Reichtum mit Salpeter erwarb. Sein Sammlungsschwerpunkt waren französische Maler; nichts Großes, aber ganz schöne Bilder. Im ersten Stock der Villa – mit ihren Holzverkleidungen, verzierten Gittern, einem Türmchen, Figuren an der Außenwand – ist eine andere Sammlung untergebracht, meist chilenische Malerei, oft mit Motiven aus der näheren oder weiteren Umgebung. Das Museum gefällt uns und passt gut in eine Reihe von Maler- oder Sammlerhäusern, die wir u. a. in Madrid sahen. 
Während wir noch im Garten sitzen und die Jugendstil-Architektur auf uns wirken lassen, kommen wir mit einem französischen Reisenden aus Agen ins Gespräch, vordem in der Berufsschullehrer-Ausbildung tätig und mit einem chilenischen Choreographen auf Reisen; beide haben u. a. ein halbes Jahr in Berlin gelebt. Es tut gut, mit einem überzeugten Europäer zu sprechen und die Angst vor Populismus zu teilen; eine nette Begegnung, die mit einer herzlichen ‚bise‘ endet.
Wir reservieren auf dem Rückweg noch einen Tisch in einem Restaurant („Maralegre“ - der Besuch der homepage https://maralegre.cl sei empfohlen…) und ziehen uns noch mal in unser Quartier auf dem Berg Alegre zurück. Das Erleben der zunehmenden Abenddämmerung auf der Restaurant-Terrasse ist ebenso umwerfend wie das Essen selbst: Valparaíso beginnt zu glitzern und die Küche ist unserer Meinung auf dem Weg zum ersten Stern.


Tag 208 / So 4.3.2019 / Valparaíso
(Cornelia) In unserem Hotelzimmer ist es so kühl, dass wir uns nach der Beschäftigung mit dem Blog erst mal in der Sonne aufwärmen. Zwar ist es in Valparaíso nie heiß, weil das Meer kühlt, aber doch schön warm. Wir schlendern ein paar andere Straßen entlang, gelangen zum Paseo Leighton, einem breiteren Flanierweg vor ein paar bunten Häusern, zum altehrwürdigen Café Torri und zum Museo Lukas, das einem berühmten chilenischen (auch politischen) Karikaturisten gewidmet ist, der mit seinen Eltern im Alter von zwei Jahren hier einwanderte. Lukas ist ein Pseudonym, und im Video sehen wir, was er in Windeseile mit ein paar Strichen skizzieren konnte. Und, ja, hurra, wir verstehen doch einige der Bildunterschriften – sehr treffend, was dem Zeichner so alles ein- und auffiel. In der Nähe steht die in leuchtendem Gelb angestrichene Casa Brighton. Bald sind wir wieder am Hotel – die Herrschaften sind heute müde und matt.

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Tag 209 / Mo 5.3.2019 / Valparaíso
(Cornelia) Wir wollen den Blog voranbringen und bleiben den Vormittag noch im gemütlichen Aufenthaltsraum in unserem Hotel: Wände in venezianisch-rot, Holzbalken, eine Wurlitzer-Jukebox, viele Vintage-Stühle. Nicht nur der Blog beschäftigt uns, sondern auch die weitere Reise, vor allem Neuseeland und die Frage, wo und wie wir reisen wollen. Erst am frühen Nachmittag machen wir uns auf den Weg.
Tom findet einen sich zwischen hohen Wänden mit bunten Bildern auf und ab schlängelnden Weg, der aber tatsächlich am Aufzug „El Peral“ endet, der uns sofort ein Stück nach unten bringt – ohne Rumpeln, ziemlich sanft. Unten, wo ein bisschen mehr Platz bis zum Hafen ist, stehen mehrere Gebäude aus der Zeit nach dem Erdbeben von 1936 (eine Art natürliches Abbruchunternehmen), die zwar groß, aber eher klotzartig sind. In Hellblau und Weiß herausgeputzt ist allerdings das Gebäude der chilenischen Armada, in dem Matrosen mit ziemlich seltsamen Hütchen aus- und eingehen. Matrosen-Look wirkt auf mich immer kindlich… Ein Matrose bewacht dann auch das Denkmal ud Mausoleum von Arturo Prat, dem chilenischen Helden der Schlacht bei Iquique. Auf das stilvolle alte Gebäude von Hapag Lloyd gleich daneben hat ein geschmacksverirrter Architekt einfach einen verglasten schwarzen Würfel gesetzt. Ansonsten ist die Hafengegend auch olfaktorisch alles andere als erfreulich. Auf zur ältesten Zeitung des Landes. Ursprünglich nur das Blatt Valparaísos, ist „El Mercurio“ zu einer national gelesenen Tageszeitung aufgestiegen. Im Eingangsbereich des historischen Gebäudes, auf dem natürlich eine Statue des Götterboten thront, steht noch eine alte Setzmaschine. Noch faszinierender ist der gepflegte alte Aufzug mit seinem Gitterkäfig. Ein freundlicher Herr, vermutlich ein Journalist, drückt uns den Nachdruck der Erstausgabe von 1827 (!!!) in die Hand.
Hier im Zentrum ist es ziemlich schmutzig, heruntergekommen, alles von den Abgasen der Autos auf den wenigen Durchgangsstraßen verdreckt; viele ganz kleine Geschäfte, viel Fast-Food-Fettgeruch. Nur schnell weg… Viele Italiener landeten einst hier: Ein Traditionslokal namens „Cinzano“ zeugt davon und bietet eine große, alte Bar.
Eine palmengesäumte und mit vielen Statuen bestückte Straße führt an etlichen Universitätsgebäuden für Ingenieure vorbei zu einem wenig touristischen Ziel, das mir noch wichtig ist. In Chile gibt es eine eher teure Supermarkt-Kette, die viele deutsche Produkte vertreibt: Jumbo. Davon hatte mir schon im Flieger nach Santiago meine Sitznachbarin Daniela erzählt. Nachdem ich mich in den letzten Tagen mit der gruseligen Vergangenheit der „Colonia Dignidad“ - einer unter der Diktatur des selbst ernannten Predigers und Pädophilen Paul Schäfer stehenden deutschen Sekte - beschäftigt habe, weiß ich, dass die Nachfolge-Gemeinschaft, die sich „Villa Baviera“ nennt, ihre landwirtschaftlichen Produkte vor allem an Jumbo oder Santa Isabel, einer weiteren Supermarkt-Kette, liefert. Das will ich mit eigenen Augen sehen… Leider steht aber auf allen Würsten vom Typ ‚riceta alemán‘ nur „Hergestellt in Chile für Jumbo“. Zahlreiche Produkte anderer deutscher Firmen stehen auch in den Regalen: Dr. Oetker, Leimer Semmelbrösel, Schnapspralinen, Gewürzketchup, viele Kuchen. Die ehemalige Colonia Dignidad betreibt übrigens auch ein sehr großes und gut funktionierendes Lokal in Bulnés, an der Ruta 5 gelegen, namens „Casino Familiar“; früher soll am Eingang ein lebensgroßes Bild von Franz-Josef Strauß gestanden haben, weil man gute Beziehungen zur CSU in Deutschland pflegte. Prozesse gegen Missbrauch von Knaben durch Paul Schäfer und Misshandlungen mit Pharmaka und Elektroschocks führten nur in wenigen Fällen zu Strafen in Prozessen, die sich zwischen Chile und Deutschland zum Teil 20 Jahre hinzogen. Dass die Colonia auch als Folterschule diente und dort auch verschiedene, der chilenischen Diktatur unter Pinochet unliebsame ‚Verschwundene‘ ermordet wurden, ist bisher auch straffrei geblieben. - Im Untergeschoss des Einkaufszentrums befindet sich ein Taxistand und so geht der Rückweg zum Hotel ganz schnell… Das restliche Programm: Fisch essen, auf die Stadt im Abendlicht gucken, am Blog schreiben.


Tag 210 / Di 6.3.2.2019 / Valparaíso
(Cornelia) Gleich nach dem Frühstück spazieren wir in Richtung Museo Naval, am Cerro Artilleria gelegen, und dürfen gleich zwei historische Aufzüge benutzen, um dorthin zu gelangen: den Perál (1902) und den Artilleria (1906). Dazwischen liegt noch ein Aufzug von 1886, den wir aber leider nicht benötigen, und eine Straße, parallel zur Hafenkante, die an einem stinkenden Fischmarkt vorbeiführt sowie an mehreren eingestürzten Häusern, von denen nur noch die Außenmauern abgestützt stehen, während die Fenster allesamt mit einer Sperrholzplatte von innen verblendet sind.
Unser Ziel, das Museo Naval, ist Chiles einziges Schifffahrtsmuseum (mit Schwerpunkt auf heroischer Heldenverehrung). Die Portraits von x Admirälen und Vizeadmirälen sind in einer Krypta ausgestellt, während die Helden aus dem Salpeterkrieg in der Art von Kirchenfenstern gleich in Saal 1 porträtiert sind. Dem Helden von Iquique, Arturo Prat, ist sogar ein ganzer Saal gewidmet, in dem man auch noch Reste des Geschirrs bewundern kann, das irgendwann nach dem Untergang des von ihm kommandierten Schiffes geborgen wurde; ihm haftet noch Sand an. Arturo Prat selbst, obwohl in der Seeschlacht gefallen, wird als Kriegsheld verehrt, weil kurz nach seinem Tod die Schlacht doch noch von Chile gewonnen werden konnte.
Es gibt Schiffsmodelle, viel Kriegszubehör in Form von Minen, Granaten und Torpedos, historische Uniformen mit glänzenden Goldknöpfen und das einfachere weiße Leinenmodell für die Matrosen. Am interessantesten finden wir einen historischen Film über die Kadettenausbildung, die früher im heutigen Museum stattgefunden hat. Nach der Rückkehr ins Hotel gönnen sich die müden Helden eine Pause, bevor es zum letzten Abendessen mit Blick auf die Bucht geht.


Tag 211 / Mi 7.3.2.2019 / Santiago
(Cornelia) Der letzte Tag auf dem chilenischen Festland…! Mit dem Taxi zum Busbahnhof, dort rasch ein Ticket kaufen; sieben Minuten später sitzen wir schon im gekühlten Autobus; wieder Taxi, Ankunft in der Casa Roja mit ‚Zuhause-Gefühl‘: Wir bekommen dasselbe Zimmer wie Mitte Dezember.
Der Rest ist kurz erzählt: Wir lesen die Texte Korrektur, suchen die Fotos der letzten vier Tage aus und veröffentlichen den Blog. Später werden wir noch einmal Roberto und Anita treffen und haben sie in ‚unser‘ Fisch-Restaurant eingeladen, das mit der Schiffsdekoration. Mit Roberto hatten wir auch in den vergangenen Tagen viel Austausch über WhatsApp und er hat versprochen, uns eine über Valparaíso geschriebene Kurzgeschichte mitzubringen. Wir freuen uns auf unseren letzten Abend in Santiago! Um 4 Uhr wird der Wecker klingeln, denn das schon bezahlte Sammeltaxi zum Flughafen will um 4.44 Uhr vor der Tür stehen…


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