create a website for free

Argentinien: Ostküste


Tag 160 / Mo 14.1.2019 / Rio Gallegos
(Cornelia) Die Würfel sind gefallen: Wir verzichten auf die drei Türme im Park Torres del Paine. Nach der Kreuzfahrt, die so großartig war, scheint es unmöglich, noch etwas draufzusetzen. Außerdem müsste man viele Kilometer fahren, um lediglich in das an den Lago Argentino anschließende Gebiet zu kommen; und schlussendlich gehören wir auch nicht zur Trekking-Community – im dortigen Gebiet gibt es eher mehrtägige Wanderungen, wie wir in einschlägigen Blogs nachlesen. Gleichzeitig ist beschlossen, die Ruta 3 nach Norden zu fahren, statt die 40 noch einmal zu nehmen. Und: Wir lassen Feuerland und Ushuaia weg. Es ist schließlich unsere Reise – wir dürfen das, auch wenn viele nachfragen werden, warum wir nicht noch die letzten 1.000 Kilometer nach Feuerland gefahren sind…
Wir verlassen El Calafate und blicken von einem Aussichtspunkt noch einmal auf die Kordillere mit der Gletscher-Kette zurück. Ein Gipfel reiht sich an den anderen. Beeindruckend! Nun geht es durch die ebene Pampa nach Osten, ein Umspannwerk ist die einzige Abwechslung. Irgendwann taucht die Stadt Río Gallegos in der Ferne auf; die Stadt hat im Falkland-Krieg (die Falkland-Inseln heißen in Argentinien Islas Malvinas und werden trotz des verlorenen Kriegs immer noch als argentinisches Eigentum betrachtet) eine größere Rolle gespielt.
Wieder einmal müssen wir in eine Movistar-Agentur, um unsere neuen Telefonkarten registrieren zu lassen. Hier in Río Gallegos klappt einfach alles: Das Registrieren, der Erwerb einer mobilen Festplatte zur Fotosicherung sowie der Kauf eines neuen Handys für Tom. Unser Parkplatz ist ein geeigneter Stellplatz für die Nacht, und den Nachtisch gibt es in einem netten, altmodischen Café mit WiFi. Río Gallegos ist MEINE Stadt, beschließe ich. 


Tag 161 / Di 15.1.2019 / Puerto San Julián
(Cornelia) In der Parkbucht vor dem Salesianer-Kloster schlafen wir herrlich. Als wir aufwachen, sind die Parkplätze um uns herum alle belegt. Aufbruch, Tanken (Tom bekommt einen Kaffee-plus-Medialuna-Gutschein… best coffee ever!), Einkaufen – das Übliche halt. An der Ausfahrt von Río Gallegos müssen wir den Polizeiposten passieren. Während ich schon nach den Autopapieren krame – ein DinA4-Zettel, der immer sehr lange mit verschlossener Miene studiert wird - , erscheint ein junger Polizist am Fahrer-Fenster. Autopapiere, Führerschein, wo wir herkämen, wo wir hinwollten. Wir zücken die Papiere, beantworten die Fragen. Ob wir Französisch sprächen. Häh?? Oui, je suis prof de français. Bueno – die ernste Miene erhellt sich – bitte an den Rand fahren. Erschrecken unsererseits, müssen wir etwas Offizielles übersetzen? Nein, keine Sorge, es ginge um Persönliches. - ??? - Alles klärt sich auf: Der junge Mann hat vor einigen Jahren einen Sprachkurs (für die Spezialisten: FLE Niveau A1) abgeschlossen und möchte jede Gelegenheit nützen, die sich ihm bietet, um die Fremdsprache zu trainieren! Uff, wir sind erleichtert… Ich erzähle ihm, schön langsam, deutlich und mit einfachem Vokabular, wer wir sind, wo ich arbeite; natürlich stellt er die Frage nach den Kindern usw. Tom bietet ihm an, e-mails auszutauschen, was der junge Polizist mit einem strahlenden Lächeln quittiert. Ich frage, ob ich ihn fotografieren dürfe (normalerweise strengstens verboten, an Polizeistationen den Apparat zu zücken), und er winkt gleich seinen Kollegen herbei, der uns drei mit seinem Handy aufnimmt. Tags darauf erhalten wir schon eine Mail mit dem besagten Foto; ein sehr nettes und ganz und gar unerwartetes Erlebnis!
Tom - ein Herz für Tiere - bremst für jedes Guanoko, jedes Nandu… Nandus können zwar 50 km/h schnell laufen, suchen aber in Tarnkleidung (asphaltgraues Gefieder) sehr standfest oft direkt am Straßenrand nach Nahrung. Des Weiteren ist Tom inzwischen ein Meister im Interpretieren der verschiedenen Bremsspuren auf dem Asphalt geworden, die oft einen Hinweis auf Bodenwellen oder aufgeplatzte Stellen geben. So schaukeln wir durch die karge Landschaft – Steppe, Steppe, Steppe, so weit das Auge reicht. Der Parque Monte Leon ist wegen Straßenausbesserungsarbeiten leider geschlossen, bietet aber einen Picknick-Platz mit Käfer und Schmetterling an Blüte.
Etappenziel ist Puerto San Julián, wo es direkt am Meer einen Campingplatz gibt. Wir melden uns an, fahren aber gleich wieder zum Bootssteg, weil eine Fahrt mit dem Schlauchboot mit acht Personen zur Pinguin-Kolonie ansteht. Bevor wir dort ankommen, sehen wir aber noch die für Patagonien typischen Commerson-Delphine, die kleinste Delphin-Art überhaupt, in elegantem Schwarz-Weiß. Leider löst mein Fotoapparat immer zu spät aus, also kein Beweisfoto. Dafür sitzt mitten auf dem Wasser eine Riesen‘ente‘, auch schwarz, auf Spanisch Petrel genannt; öffnet sie ihre Flügel, hat sie eine Spannweite von zwei Metern – wow. Wir nähern uns der Pinguin-Kolonie am Strand und dürfen auch aussteigen. Damit hatten wir gar nicht gerechnet! Kaum am Atlantik angekommen, stehen wir mitten zwischen den Pinguinfamilien herum. Manche der Kleinen sind schon in der Mauser, der graue Flaum flattert im Wind. Mal stehen die Eltern daneben, mal schauen die Kleinen etwas verloren in die Gegend. Hinter den Pinguinen trippeln Hunderte von weißen Vögeln mit roten Schnäbeln [Wolfgang, bitte frag wieder deinen Bruder, wie die Viecher heißen!!], die sich gleichzeitig in die Luft erheben, als wir näherkommen. Viel zu schnell sollen wir wieder ins Boot einsteigen und fahren zu einer Landzunge, wo es plötzlich genauso riecht, wie zuhause aus dem Sack mit natürlichem Pflanzendünger – richtig, Guano, von einer Kormoran-Kolonie produziert.
Zurück am Campingplatz. Der dritte Pfosten spendet endlich den ersehnten Strom. Der Reiseführer erwähnt, dass das Restaurant ‚Naos‘ Guanako-Empanadas im Programm hat. Das muss ausprobiert werden! Die Empanadas sind zwar gerade aus, aber es gibt mariniertes Guanako-Fleisch, das uns geschmacklich ein bisschen an Rentier erinnert. Mmmh! Der superfrische Wolfsbarsch aus dem Tagesfang ist aber auch recht lecker. Auf dem Rückweg gießt es plötzlich wie aus Eimern – der Regenjacken-Live-Test!

Mobirise

Tag 162 / Mi 16.1.2019 / Puerto San Julián

(Cornelia) Wir brauchen einen ruhigen Tag, waschen Wäsche, spazieren zum Hafen, kommen auch zu der Stelle, wo Magellan verbürgterweise 1520 nach der glücklichen Ankunft in Patagonien eine Messe gefeiert hat und beschäftigen uns mit dem Blog. Nada mas. Ach doch, eine Empanada mit Wolfsbarsch-Füllung beim zweiten Abendessen im ‚Naos‘, auch fein.


Tag 163 / Do 17.1.2019 / Rada Tilly
(Cornelia) Wieder eine stundenlange Fahrt durch die Pampas (Guanakos, Nandus… ganz kleine Büsche, manche in gelb, mittelgroße Büsche, größere Büsche… das Übliche…), an einem sehr abweisend wirkenden Salzsee und weiteren Seen ohne Wasser vorbei, bis zum Ort Caleta Olivia, am wunderschön blauen Meer gelegen, aber ohne ansprechende touristische Infrastruktur (nicht mal ein Eis gibt es am Strand). Wir fahren weiter.
Die Straße wird kurviger, Steilküste; wir erreichen einen Badeort, der gut in Schuss ist und auch einen Camping-Platz hat: Rada Tilly. Den Hinweis, dass man erst ab 21 Uhr duschen darf (???), sehen wir noch nicht gleich. Der brave Deutsche wartet dann also ab (obwohl er andere Leute schon mit nassen Haaren aus dem Duschraum kommen sieht) – und stellt schon um 20 Uhr fest, dass der Platzwart eine Leiter an einen Wassercontainer lehnt: „No aqua!“ Ja, in ein paar Stunden gebe es – vielleicht! - wieder welches, er wisse nicht, wann. Ja, so ist das Argentinien… Nicht Funktionierendes wird in der Regel geduldig hingenommen… kein Wasser… ok, dann eben nicht duschen. Genauso reagiert der Einheimische auf ‚no effectivo‘ (kein Bargeld aus dem Bankautomaten) oder ‚no diesel‘. Was sind wir Europäer doch verwöhnt!
Wir duschen also nicht, ist eh überbewertet, sondern gehen an den Strand. Rada Tilly liegt in einer weiten Bucht, rechts und links Steilküste. Es ist Ebbe, und viele Menschen (eine Hand voll – nach europäischen Standards gemessen) nützen den breiten Strand mit hartem schwarzen Sand zum Laufen, Herumsitzen und Mate-Trinken, Fußball und Volleyball spielen. Der Atlantik erreicht den Strand in sehr sanften Wellen, die Sonne geht gegen 21.30 unter und beleuchtet die wenigen Wölkchen dramatisch von unten. Schön. 


Tag 164 / Fr 18.1.2019 / jwd, 25 Kilometer vor Punta Tombo
(Cornelia) In Rada Tilly ist eine Loberia, eine Seelöwen-Kolonie ausgeschildert. Der Weg dorthin ist natürlich nur geschottert, denn außer ein paar Touristen und den Soldaten, die neben dem Ranger-Büro auf einige Sendemasten aufpassen, will niemand dort hinauf. Jene Soldaten sagen uns, dass wir einfach durch das Gatter schlüpfen sollen; die Ranger kämen normalerweise um 12 Uhr und ab und zu etwas früher… es ist halb elf.
Die Aussichtspunkte sind durch Art Treppengeländer gesichert, damit kein Besucher von der Klippe stürzt. Unten liegen Hunderte von Seelöwen – die großen Männchen, die kleineren Weibchen, die ganz jungen – auf flachen Felsen, die von Wasser umspült sind; manchmal entstehen auch eine Art natürlicher Bassins, in denen die Tiere spielen – so eine Art Nicht-Schwimmerbecken für junge Seelöwen. Später lesen wir, dass man dieses Naturschauspiel nur bei Ebbe sehen kann: Glück gehabt! Beim Hinunterfahren quert noch ein Zorro griso, ein grauer Fuchs, gemächlich die Straße. Ich dachte ja, er sei nur staubig, aber diese patagonische Sorte Fuchs hat tatsächlich immer ein graues Fell.
Wenig später quälen wir uns eine Stunde lang über eine seltsame Straßenführung und noch seltsamere Navi-Wege durch den Mittagsverkehr von Commodoro Rivadavia, einer 180 000-Einwohner-Industrie- und Hafenstadt. Geld fassen, Tanken (beides gelingt auf Anhieb, wow!), Fahren. Stundenlang geht es durch die Pampa. Immer wieder muss Tom den Fuß vom Gas nehmen, weil Guanakos wirklich direkt neben der Fahrbahn stehen (das heißt auf dem Seitenstreifen, der in Patagonien zwar vorhanden, aber nur geschottert und oft mehr oder weniger dicht bewachsen ist). Inzwischen wissen wir auch, warum Guanokos immer in Gruppen auftreten: Ein männliches Tier lebt mit einem Harem aus sechs bis siebzehn weiblichen Tieren! [Träumt weiter, liebe männliche Leser…!!!] Momentan springt auch noch der Nachwuchs mit.
In der Bahía Bustamente, 35 Kilometer Schotterstraße von der Ruta 3 entfernt, soll es alles geben: ein Restaurant, Ausflüge, vogelkundliche Exkursionen, einen Strand… Der Reiseführer lobt eine ganze Seite lang, der Internet-Auftritt überzeugt. Soweit die Idee. Leider stoßen wir nur auf ein mit einem Vorhängeschloss gesichertes Gatter und ein Hinweisschild, dass man vorher anrufen sollte, was ohne Netz leider nicht möglich ist. Auf der Rückfahrt treffen wir auf Argentinier, die dasselbe Ziel hatten und nun auch enttäuscht schauen. An einer Tankstelle, der ersten nach 200 Kilometern, fassen wir Wasser, so dass wir für eine Nacht am Straßenrand gerüstet sind, denn die App iOverlander hat außer Tankstellenparkplätzen nichts im Angebot… oh oh… Dennoch: Ein ehrlicher ruhiger Straßenrand ist uns fast lieber als ein Campingplatz ohne Dusche und mit schmutzigen Toiletten. Wir fahren also weiter bis kurz vor unser nächstes Ziel: die Punta Tombo. Der Übernachtungsplatz ist sehr einsam, die erhofften Sterne sehen wir trotzdem leider kaum, denn es ist fast Vollmond.


Tag 165 / Sa 19.1.2019 / Gaiman
(Cornelia) Wunderbar still war es an unserem Straßenrand – so eine Ruhe kann man sich in Europa nicht vorstellen. Die geteerte Straße führt an zwei Ranches vorbei (43 km) zum Naturschutzgebiet Punta Tombo; nach dem Ende der Teerstraße sind es noch einmal gute 20 Kilometer Schotterstraße, einer ausnahmsweise straßenwalzen-gepflegten. Ein großzügiges, erst 2004 entstandenes Besucherzentrum erwartet uns, mit sehr informativen Schautafeln. Trotz Confiteria Kaffee Fehlanzeige: Kein Strom, also kein Kaffee. Wir bezahlen den maximalen Eintritt (etwa 10 Euro; Bewohnung der Provinz Chubut zahlen etwa 1,80) und dürfen noch einen Kilometer fahren, bevor uns ein Ranger erklärt, dass es noch mal drei Kilometer zu Fuß zur Pinguinkolonie sind. Wasser einpacken, Mütze aufsetzen, es ist doch relativ warm.
Der Hinweg fällt uns leicht, denn schon nach wenigen Schritten wackelt ein Pinguin vor uns den hölzernen Steg nach oben; neben uns schnauft und niest es – holla, was ist das? Pinguin-Junge sitzen in einem Erdloch, mal mit oder ohne Mama oder Papa, die manchmal zur Nahrungsbeschaffung von Seehecht und Makrele bis zu 600 Kilometer weit schwimmen. Die Kleinen, in unterschiedlichen Größen und je nach Alter auch mit oder ohne Flaum, warten geduckt auf die Rückkehr. 500 000 Magellan-Pinguine sollen hier brüten – wir können uns kaum vorstellen, dass Mama und Papa Pinguin angesichts der Gleichförmigkeit der Erdlöcher unter Steppen-Büschen ihre Kinder wieder finden… Die Magellan-Pinguine gehören zur Gattung der Brillenpinguine (sagt Wikipedia) und heißen so, weil sie an der Ostküste Argentiniens vorkommen, wo 1520 Magellan gelandet ist (siehe San Julián).
Pinguine haben immer Vorfahrt, klärt uns ein Schild auf. Wo die Parkbesucher ihren Weg zum Wasser behindern würden, haben die Ranger Brücken gebaut. Drunter suchen die Pinguine Schatten, bevor sie sich in Kolonne wieder auf den Weg zum Meer machen. Es sieht schon recht lustig aus, wie die putzigen Kleinen mit ihren Flossenfüßen über die Steine trippeln. Weiter unten am Wasser sehen wir rote Felsen mit grünen Algen vor blauem Meer, in dem sich Hunderte von Pinguinen von den Wellen überspülen oder umwerfen lassen oder unter ihnen durchtauchen. Manchmal riecht es streng nach Guano, dem Kot der blauäugigen Kormorane, die wir aber nicht sehen. Diverse andere Vögel kreisen über uns; Guanokos sehen wir in der Ferne grasen. Aber für uns stehen die im Wasser sich vergnügenden Pinguine sowieso im Vordergrund. Toll!
Mann, ist das heiß heute… Wir wissen nicht so recht, warum uns die Sonne so zusetzt. Erst, als ich nach etwa 500 Kilometern wieder Netz habe, wird es uns schlagartig klar: Draußen hat es 38 Grad! Internet… Recherche… Nach zwei Nächten auf schmuddeligen Campingplätzen und einer Nacht ‚wild‘ wollen wir uns eine feste Unterkunft mit Dusche gönnen. Aber man merkt jetzt die Hochsaison in Argentinien: Mit Ach und Krach ergattern wir in Gaiman, einer walisischen Gründung von 1874, ein Zimmer für vier Personen und genießen das große Zimmer mit Klimaanlage und Ventilator.
Der Ort ist für seine Backsteinbauten und Teestuben bekannt. Eine der vier ist gleich neben dem B&B. Wir bekommen viel mehr Sandwiches, Scones und Kuchen als erwartet und genießen den five o‘clock-tea im vollen Bewusstsein, in Lady Di‘s Spuren zu treten, die 1995 in Gaiman in ihrer Eigenschaft als Princess of Wales a cup of tea trank…! Mit vollem Bauch spielen wir Grottenolm und verlassen die Höhle erst wieder, als die Temperaturen etwas sinken, um uns in einer Pizzeria mit ein paar Bieren (à 780ml) zu erfrischen. Ein Abendessen ist nach der Kuchenvielfalt eh unnötig.



Tag 166 / So 20.1.2019 / Sierra Grande
(Cornelia) Ein weiterer Entschluss ist gefasst: Nachdem die Wale vor der Halbinsel Valdéz sowieso schon weg sind (und außerdem vor der neuseeländischen Küste IMMER welche da sein sollen) und wir auch schon genügend Pinguine und Seelöwen gesehen haben und auch nicht mit letzteren schnorcheln wollen, verzichten wir auf den Besuch der Halbinsel mit ihren 400 Küstenkilometern (Schotterstraße).
Stattdessen fahren wir nach Trelew, werfen einen Blick auf die ehemalige Bahnstation (wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg der walisischen Gründung) und besuchen das größte paläontologische Museum Südamerikas, das MEF, el museo Egidio Feruglio. Signore Feruglio (+ 1954) war ein italienischer Geologe im Dienst der Mineralölgesellschaft YPF und auch in der Forschung tätig. Das Museum trägt seinen Namen, stellt aber auch heraus, wie viele Wissenschaften zusammenarbeiten müssen, um in der Erforschung der Dinosauriere voran zu kommen. Zufällig komme wir noch rechtzeitig, um fast den ganzen BBC-Film über Knochenfunde und Rekonstruktion des derzeit größten bekannten Dinosauriers, gedreht von Sir David Attenborough, anzusehen. Ein sehr informativer Film, auf dem Forschungsstand von 2014. Im Museum wandert man auf der Zeitleiste von der Steinzeit aus rückwärts, und man sieht viele Original-Knochen oder Modelle sowie einen deutschen Riesenammoniten; insgesamt ist nur ein Teil der 1700 Fossilien und 30 Dinosaurier, die das Museum besitzt, ausgestellt, man kann aber auch noch einen Blick in das ‚Labor‘ der Paläontologen werfen. Sehr sehenswert und didaktisch gut aufbereitet!
An der Straße nach Rawson, der Hauptstadt der Provinz Chubut, liegen – wie vorher zwischen Gaiman und Trelew – Unmengen von Müll; Menschen wohnen in unfertigen Gebäuden, slum-ähnlich. Was ist denn hier los? So eine heruntergekommene Gegend haben wir bislang noch nirgends gesehen; na ja, doch, ein Viertel in Buenos Aires, das wir aus dem Zug sahen, wirkte auch so…). Nach Rawson geht es noch ein paar Kilometer zum Strand Playa Unión; hier ist alles gepflegt. Der Strand – kleiner Kiesel – ist gut besucht; die Familien gruppieren sich oft um eine Kühltasche und die unvermeidliche Thermoskanne mit heißem Wasser für Mate. Wir schauen auf die recht bewegten Wellen und genießen den Klang des Meeres. Nein, seufz, ich gehe nicht schwimmen, weil wir nicht wissen, wo und wie wir die Nacht verbringen werden und daher die nächste Dusche weit ist.
Eigentlich hatten wir auf der Ruta 25 über Gaiman nach Esquel (in Anden-Nähe) fahren wollen, aber nun haben uns zwei Mal einheimische Touristen vor genau dieser Gegend gewarnt. Dort sei der Hanta-Virus ausgebrochen, von Ratten und Mäusen (Kot, Speichel) auf den Menschen übertragbar; 12 Personen seien schon gestorben, 40 infiziert. Das tatsächliche Risiko ist schwer abzuschätzen. Wir haben aber keine Lust, Nummer 41 und 42 zu werden, zumal es kein heilendes Medikament gegen die virale Erkrankung gibt. Vielleicht sind wir Schisser, okay… das nehmen wir hin. Dies sollte doch nur die erste Weltreise sein und evtl. noch weitere folgen… Also lassen wir Esquel und den Park mit Eishöhle und langsam wachsender patagonischer Zypresse aus und fahren weiter Richtung Norden, um dort das Land auf der Ruta 23 zu queren. Steppe, Gewitter, Gegenwind und starke Windstöße, das ganze bei Wüsten-Temperaturen: Jemand hält offenbar einen riesengroßen Fön in der Hand und lässt ihn blasen. Wir sind mittlerweile Argentinien-erfahren und finden eine Lösung: Das Restaurant der YPF-Tankstelle ist klimatisiert und bietet Hamburger an. Ein windgeschützterer Übernachtungsplatz, auf dem es das Auto nicht ständig hin- und herschaukelt, findet sich in der Ortsmitte von Sierra Grande, das auch einen funktionierenden Geldautomaten aufweist – Sieg auf der ganzen Linie!


Tag 167 / Mo 21.1.2019 / Las Grutas
(Cornelia) Unser heutiges Reiseziel – nur etwa 120 Kilometer weiter- ist von außen gesetzt: Wir brauchen einen Optiker und verbinden das Nützliche mit dem Angenehmen: Las Grutas ist ein Badeort am Atlantik, hat einige Campingplätze, Fisch-Restaurants, mehrere Wäschereien und einfach alles, was sich der Tourist wünscht. Der Ort hat in etwa eine Ausstrahlung wie Italien in den späten 60er-Jahren; am Strand geht allerdings ‚ungeordnet‘ zu: Jeder hat den eigenen Stuhl dabei und seinen Schirm, den er in den Sand rammt. Manche beanspruchen mehr Platz, einige liegen direkt im Zugangsbereich und nehmen in Kauf, dass jeder Zweite auf ihr Handtuch steigt - insgesamt herrscht ein entspannt-fröhlich-vielfarbiges Durcheinander.
Genial sind am felsigen Strand in den Stein gehauene Schwimmbecken, deren Wasser sich bei jeder Flut automatisch austauscht. Wieder wird vor dem Schwimmen im glasklaren, etwas stürmischen Meer gewarnt, die Bademeister, hier ‚Lebensretter‘ genannt, Salvavidas, halten sich in vorderster Front auf.
Fühlt sich alles an wie richtiger ‚Urlaub von der Reise‘: Erst ein leckeres Eis, dann einen Daiquiri am Nachmittag für mich, ein Bier für Tom, Lesen und Entspannen, und abends holen wir die Wäsche ab, gehen frischen Fisch essen und sehen verwundert, dass bei Flut der ganze Strand überschwemmt ist.


Tag 168 / Di 22.1.2019 / Ingeniero Jacobacci
(Cornelia) Der ‚Urlaub‘ geht weiter: ein Frühstück am Meer. Dann kommt das Erwachen: Die bereits gesichtete Tankstelle an der Kreuzung Ruta 3 / 23, 30 Kilometer entfernt von Las Grutas, ist geschlossen. In Las Grutas gibt es gar kein Benzin, so dass wir 40 Kilometer in die falsche Richtung fahren müssen. Dort warten schon an die 50 Autos auf Benzin… das kann man sich, aus Deutschland kommend, nicht vorstellen!
Kaum zwei Stunden später sind wir also wieder an der o. g. Kreuzung, fahren die ersten 16 Kilometer auf der Ruta 23, ohne einem anderen Auto zu begegnen. Und fahren dann insgesamt 310 Kilometer bis zur nächsten Tankstelle!!! Kurz danach kontrolliert uns die Polizei; wie immer hellen sich die Blicke auf, wenn ich sage, dass ich in München geboren bin – diesen (Fußball-)Trumpf muss ich einfach ausspielen… Kommt die schmerzliche Erinnerung an das verlorene Endspiel bei der letzten WM (manch einer greift sich ans Herz...), versichern wir treuherzig, dass nächstes Mal BESTIMMT die Argentinier gewinnen werden. Heute ziehen wir einen weiteren Nutzen aus der Kontrolle: Die WoMo-Türe steht offen – zum Glück ist nichts herausgefallen! Immer wieder kreuzt die Ruta eine stillgelegte Eisenbahnlinie; die Signale sind nicht abgebaut, zum Teil stehen noch die verfallenden Waggons auf den Gleisen. Früher war sie für den Handel mit Schafwolle wichtig. Schafe finden in der Halbsteppe genügend Nahrung, Kühe sehen wir nur auf ganz wenigen saftigen Weiden in Flussnähe.
In Ingeniero Jacobacci, einem 5000-Einwohner-Ort, nach dem italienischen Erbauer der Eisenbahnlinie zwischen Las Grutas und Bariloche benannt, finden wir einen halbwegs waagrechten Stellplatz gleich bei der Polizeiwache und beschließen den Abend bei patagonischem Bier in einer Kneipe.


Tag 169 / Mi 23.1.2019 / Bariloche, am Fluss
(Cornelia) Weil ich die Idee hatte, den weiteren Zustand der 180 vor uns liegenden Kilometer Ruta 23 im Internet zu recherchieren, wissen wir schon beim Aufstehen, was uns erwartet: RIPIO, eine Schotterpiste, für die google maps. 3 Stunden 46 Minuten veranschlagt. Ojeh! Die lokale Zeitung schreibt dagegen von großer Unfallgefahr auf der neuen Strecke: „Wir müssen uns erst an den Teer gewöhnen, vor allem bei Glatteis.“ Offenbar ist die Zahl der Unfälle seit der Asphaltierung sprunghaft angestiegen! 30 Jahre lang haben die Anwohner der Ruta 23 auf den Teer gewartet, nun rechnet man bis Ende 2019 mit der Komplettierung, wie Propaganda-Tafeln zeigen. (Macri macht‘s möglich…) Oft fehlen aber noch Brücken oder Durchstiche – wir glauben nicht an das genannte Bauende.
Die Schotter-Qualen werden dadurch noch erhöht, dass man uns, einer Karotte gleich, die neue asphaltierte Straße vor die Nase hält, die aber meist mit leeren Ölfässern oder Sandhaufen abgesperrt ist. Tom schimpft wie ein Rohrspatz und leidet… Immer wieder dürfen wir ein paar Kilometer auf den Asphalt, dann geht es wieder zurück ins Gerumpel. Hätten wir Martini an Bord, er wäre am Ende mehrfach geschüttelt und gerührt…; Sahne würde am Ende geschlagen sein, da sind wir uns sicher! Insgesamt fahren wir – immerhin oder nur – ein Drittel der Strecke auf Asphalt, aber halt in nervenden Kleinstportionen.
Gegen 16 Uhr lassen wir aber die Ruta 23 hinter uns, und gerade noch rechtzeitig lese ich in unserer App von einem schönen Stellplatz an einer Flussmündung. Gesagt, getan – das Seeufer weist einen herrlichen, weiten Kiesstrand auf, auf dem in weiten Abständen einige einheimische Tagesgäste, zwei weitere Wohnmobile und ein Backpacker-Zeltchen stehen. Die Wellen rollen ans Ufer, der Blick umfasst etwa 320 Grad – superschön! Descanso (Entspannen), Kochen, Campingglück und nachts endlich eine wunderschöne, deutliche Milchstraße am Himmel.

Mobirise

Impressum    Datenschutz    

© Copyright 2018 W. Ocker - Alle Rechte vorbehalten