Dienstag, 30.1.2024: in Valencia (in der Oper)

Das heutige Event ist der Besuch der Oper „Rusalka“ von Dvorak, den Tom leider wegen einer Erkältung mit Halsweh und vor allem viel Husten nicht wahrnehmen kann – schade. Ich breche also also alleine auf. Leider gelingt es mir nicht, Toms Karte zu verkaufen – in der heutigen Zeit bucht man schnell mit dem Handy und erscheint gar nicht mehr an der Abendkasse.

Schon von weitem leuchtet das Opernhaus, wenngleich nur dezent angestrahlt. Im Hintergrund sieht man die anderen ‚Rippen‘-Gebäude der Stadt der Künste und Wissenschaften. Erste Ideen vom Architekten Santiago Calatrava zum Konzept des Opernhauses gab es 1995, eingeweiht wurde das Haus dann mit „Fidelio“ im Jahr 2005. Vom umbauten Volumen her ist es das größte Opernhaus Europas, denn auf einer Fläche von 40.000 qm und einer Höhe von 75 Metern birgt es zwei große Säle mit je knapp 1500 Sitzplätzen. Dazu kommen noch ein kleineres Theater (400 Plätze), ein Restaurant und weitere Säle. Zwei Rolltreppen führen auf eine Rampe, die ihrerseits zum Haupteingang führt. Weil das Gebäude insgesamt 75 Meter hoch ist, was 14 Stockwerken entspricht, erscheinen die Menschen wie kleine Figürchen.

Auch der Innenraum ist ungewöhnlich hoch und vom Schwung metallener Rippen gekennzeichnet. Die Farben der Wasserbecken in der Ciudad des Arts kehren im Inneren wieder: Türkis an den Wangen der Sessel, dunkelblau in der Keramikverkleidung der Wände. Letztere weisen konkave und konvexe Stellen auf, wohl um den Klang zu verbessern. Dämmmaterial wie Samtbezüge an den Sitzen oder hölzerne Klangelemente fehlen, nicht einmal einen Bühnenvorhang gibt es, was ich schade finde, weil ich den großen Vorhang gerne fallen oder hereinschwingen sehe. Mir kommt deswegen auch der Klang recht hart vor: Man glaubt, er könnte einen niedermähen… Oder liegt es an Dvoraks Musik, die sich den immer gleichen Leitmotiven ihrer Protagonisten ergießt und Seelenaufruhr musikalisch darstellt? Die Leitmotive sind mir etwas zu offensichtlich, zu plakativ verwendet, so dass ich manchmal dankbar bin für die Anlehnung an tschechische Volksmusik in Strophengesängen ohne jede Psychologisierung. Fazit: Das Opernhaus sieht außen überzeugend aus, innen immerhin ‚cool‘, aber auch mit dem Beigeschmack großer Kühle in Klang und Aussehen.

Die Aufführung ist eine Koproduktion von Valencia, Madrid und Dresden, was grundsätzlich zu befürworten ist. Gleichzeitig kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass alles bewusst schlicht gehalten ist, um einen möglichst großen Konsens zu finden. Wie es heute so üblich ist, beginnt die Erzählung des Regietheaters mit großer Interpretationsidee schon mit dem ersten Ton der Ouvertüre. Nein, Zurücklehnen, Abschalten und Genießen ist nicht zeitgemäß, es muss gleich in hohem Tempo losgehen. Viele Personen (corps de ballet) flitzen von links nach recht und umgekehrt über die Bühne; kleinere Slapstick-Szenen (Marx Brothers oder Dick und Doof lassen grüßen – nur schade, wenn der Gag schon erwartbar ist…). Dieses Konzept wird auch durchgehalten. Auch das Prinzip Meerjungfrau ist ersetzt: Rusalka will endlich ihre Behinderung (Fuß mit Verband) loswerden und Balletttänzerin sein. Schade nur, dass es im Text des Librettos natürlich weiterhin um ein Wasserwesen geht… aber halt auf Tschechisch, versteht eh keiner, mag sich der Regisseur gedacht haben. (Da hat er aber nicht mit den Monitoren an jedem Sitzplatz gerechnet, in dem man den Text auf Valencianisch oder Castillano mitverfolgen kann!) Denn dann wirkt das ganze Geschehen doch ein bisschen absurd. Selbst die Hexe (ver)zaubert weiterhin, auch wenn sie ganz normal gekleidet ist. Ja, gut, Hexen ohne Besen gibt es bis heute…! Nun, weder wird das Opernhaus von Valencia mein Lieblingstheater noch die Oper „Rusalka“ zu meiner Lieblingsmusik, aber interessant war es allemal. Aber schön, dass ich sie nach vielen Jahren wieder einmal live erleben konnte.


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