Montag, 4.3.2024: in Jerez – Führung und Verkostung bei Lustau

Mmmh, wir freuen uns schon auf die Führung mit ‚full tasting‘ bei Lustau. Um 13 Uhr warten etwa 20 Neugierige am Eingang der Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, die Lustau in den Nuller-Jahren erst aufgekauft hat. Es handelt sich also nicht um Uralt-Firmensitz – sieht aber so aus. Die nach außen eher flach und breit aussehenden Gebäude erweisen sich innen als kathedralenartig hoch, aber mit glatten, unverzierten viereckigen Säulen, oft von einer Patina mit eher schimmelig-grauem Aspekt überzogen. Vor den Fenster sind Rollos aus Kokosfaser halb oder ganz heruntergelassen; sie dienen u. a. der Wärmeregulierung. Wichtigstes Element aber ist der gestampfte Lehmboden, der drei Mal pro Woche mittels Sprinkleranlage gewässert wird. Der Schlauch wird nur benützt, wenn es länger ganz heiß ist. Die verdunstende Feuchtigkeit im Boden sorgt für ideale Reifungs- und Lagerbedingungen für den Sherry.

So viel erfahren wir bereits an der ersten Station, wo auch die Sherry-Gläser für unsere Gruppe aufgebaut sind. Weil es eine ‚walking tour‘ ist, werden wir gebeten, unsere Gläser mitzunehmen; dann können sie an der nächsten Station wieder gefüllt werden. ‚Füllen‘ meint hier zwar nur höchstens halb, aber bei acht (!) Stationen und einem Alkohol-Gehalt von 15 bis 17 % kommt da schon einiges zusammen…

Am liebsten sähen die Sherry-Produzenten natürlich ganze Menus ausschließlich von verschiedenen Sherrys begleitet: den trockenen ‚Fino‘ zum ‚jamon ibérico‘ (Schinken), der ziemlich trockene ‚Amontillado‘ zu Spargel und Artischocken, andere (ähnliche) Sorten aus weiteren Teilen des sog. Sherry-Dreiecks sollen dann mehr zu Meeresfrüchten oder Austern passen. Man erklärt uns, was sich hinter den Fässer-Kennzeichnungen verbirgt, verweist aber lächelnd darauf, dass heutzutage natürlich alle Fässer per Tablet erfasst werden.

Hier gibt es ein schönes buntes Fenster, dort besondere Fässer; manchmal spitzen hinter einer offenen Türe Orangen herein. Besonders interessant ist ein Schaufass mit gläsernem Boden, in dem man den Füllstand im Fass – etwa ein Sechstel ist frei – und die dicke Schicht Hefe betrachten kann. Hm, sieht ein bisschen wie Schimmel aus, aber vielleicht erliegt mein Gehirn einer olfaktorischen Täuschung wegen des vorherrschenden muffeligen Geruchs in den Hallen.

Weiter hinten liegen Fässer, die mit den Wappen derjenigen Länder verziert sind, in die Lustau liefert. Nach dem siebten Sherry – in immer dunkleren, süßeren Sorten, z.B. aus der Muskateller-Traube – erwarten uns im Shop noch neben Chips und Nüssen ein weißer Vermouth, der hergestellt wird, ‚weil er gerade Mode ist‘. Auch einen Brandy kann man kaufen. Wir nehmen drei unterschiedliche Fläschchen mit und wanken nach Hause. Mein Bett schwankt und ich falle in einen komatösen Schlaf. Aber: Schön und interessant war es bei Lustau!

Nach dem Erwachen und einer kleinen Brotzeit mit wunderbarem Schinken (pata negra…) ist es schon fast wieder Zeit, ins Tabanco La Reja zu eilen, wo wir uns mit Yvonne und ihren Flamenco-Freunden auf ein Brötchen und einen Sherry treffen. Die Brötchen sind dort schon in der Rückwand der Bar in Fächern gestapelt, werden kurz erwärmt, tragen Namen von spanischen Städten und Landschaften (z.B. un sevillano, un andaluz usw.), sind reichlich belegt und schmecken sehr lecker. Diese gemütliche alte Kneipe ist vor allem nach den Shows gut besucht.

Die Show selbst reißt uns heute nicht vom Hocker. Zehn Musiker (inkl. zwei Sänger) machen es der einzigen Tänzerin schwer, ihre Fußbewegungen hören zu lassen. Das Konzept, die Liebe in ihren Facetten darzustellen, geht nicht auf, weil das Publikum die Bilder nicht auflösen kann. Einzig die Bürde der Frauenrolle, die über eine steifen kegelförmigen Umhang vermittelt wird, hinter und unter dem sich die Tänzerin bewegt, als würde sie auf Rollschuhen oder auch Schienen dahingleiten, teilt sich mit. Von Erotik keine Spur; alles wirkt streng, gebremst und freudlos. Lediglich beim Schluss-Stück, einem Samba, schimmert ein bisschen Lebensfreude hindurch.

Bilder von der Aufführung gibt es hier:
https://www.diariodejerez.es/festivaldejerez/Beatriz-Morales-festival-Jerez_3_1881741808.html

Mit einer Freundin Yvonnes, einer Schwabacherin, kehren wir noch mal ins Tabanco auf einen Sherry im Stehen zurück – das rundet den schönen Tag ab.


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