Freitag, 1.3.2024: Fahrt von Tarifa nach Jerez de la Frontera

Recht spontan fahren wir, schon auf dem Weg in Richtung Jerez, von der Straße ab und parken vor dem Eingang zum Römermuseum von Bolonia. Der Eintritt ins Museum sowie in die Ausgrabungsstätte der ehemaligen Römerstadt Baela Claudia ist kostenlos. Das Museum besitzt einige Originale und mehrere Kopien, die aber durchaus sinnvoll die Erklärtafeln illustrieren und ergänzen. Am Modell erkennt man die relativ große Ausdehnung der Stadt – einer reinen Römergründung, ohne Vorgängerorte aus phönizischer oder punischer Zeit – mit Forum, drei Tempeln, einem Theater, drei Aquädukten, Thermen, vielen Villen und drei Nekropolen.

Zeit, ins Gelände zu gehen. Die Ausgrabungen enden am Sandstrand, die Hauptstraßen Cardo und Decumanus sind gut zu erkennen (wenn auch mit Verwerfungen durch Erdbeben in früheren Epochen), manche ionische Säule ist im Forum wieder aufgerichtet. Das Interessanteste für mich ist, weil ich das bislang noch nirgends gesehen habe, eine Garum-Fabrik. Das Garum, eine Art gewürzte Fisch-Sauce aus fermentierten Sardinen, war in der römischen Küche sehr beliebt und trug zum wirtschaftlichen Wohlstand der Stadt bei. Eigentlich sehen die Behälter zur Herstellung von Garum ein bisschen aus wie die Steinbehälter zum Färben von Leder in Fes. Allerdings brauchte man dazu auch Süßwasser, weswegen gleich drei Aquädukte die Stadt bedienten. Zudem gab es auch ein größeres Schwimmbecken und die Bewohner*innen der Stadt brauchten natürlich auch Trinkwasser. Das natürliche Gelände, nach oben vom Meeresufer aus ansteigend, wurde für das Theater genützt, wo auch heute noch Vorstellungen stattfinden. Die Theaterwand ist nicht erhalten, die Steinstufen sind mit Holzbänken überbaut, aber immerhin! Inmitten grüner Wiesen mit vielfarbigen Blümchen und weidenden Schafen zwischen römischen Trümmern hinterlässt Baelo Claudia bei uns einen sehr guten Eindruck.

Auf dem Weg nach Jerez fällt mir ein, dass ich unbedingt noch Karten für die Königliche Reitschule buchen muss – gesagt, getan. Also nicht nur Flamenco in Jerez, sondern auch noch Dressurreiten und mehr in der Show „Die tanzenden Pferde“. Unterwegs fällt unser Blick auf Vejer de la Frontera, das wunderschön in der Art der ‚weißen Städte‘ Andalusiens oben auf einem Hügel thront. Wenig später fahren wir an hellblau bis rosa schimmernden Salzbeeten entlang, in denen weiße Flamingos herumstaksen. Rasch sind wir an der Einfallstraße zur Stadt Jerez, die wie fast überall von Bau-, Küchen- und sonstigen Märkten gesäumt ist; hinzu kommen aber auch als Spezifikum die flachen Bodegas der Sherry-Hersteller.

Tom hat einen Parkplatz unweit unserer Ferienwohnung reserviert, die ein witziges Detail aufweist: Im vorderen Teil ist immer noch eine Apothekenausstattung eingebaut – stilistisch neugotisch – und auch tatsächlich noch mit alten Gläsern und Fläschchen gefüllt. Die Küche ist auf zwei winzige ‚Sackgassen‘ aufgeteilt und nicht besonders ausgestattet. Seltsam ist, dass keine Zimmertüren vorhanden sind. Bei einer einzigen Warmluftpuste, einem Radiator und 7 Grad Nachttemperatur ist das nicht viel. Zum Glück habe ich meinen Wollschal und sogar drei weitere Schals mit genommen (aber leider die Wärmflasche nicht eingepackt…). Wegen der kurzen kalten Zeit im Jahr rentiert sich für Spanier die Anschaffung einer Heizung einfach nicht.

In der Nähe der Wohnung liegt ein sonnenbeschienenes Plätzchen mit Palmen und zwei Restaurants. Nach einer Stärkung – inzwischen ist es schon wieder gegen 16 Uhr – erkunden wir die Stadt. Unsere Schwabacher Physiotherapeutin, Yvonne, ist seit vielen Jahren beim Flamenco-Festival und nimmt an etlichen Workshops teil. Wir wissen, wo sie tanzt, aber man schlägt uns die Türe vor der Nase zu, und so warten wir etwa 45 Minuten (mit einem kleinen ersten Sherry in der Hand…), bis sie herauskommt. Nach einem schnellen Kaffee verabreden wir uns zum Abendessen; die Workshop-Teilnehmer*innen sind ständig auf dem Sprung, weil sie immer etwas vorhaben: selbst tanzen oder anderen dabei zusehen.

Jerez selbst gefällt uns ausnehmend gut: so richtig andalusische Architektur, viele Häuser in weiß-gelb mit den typischen Käfigen vor den Fenstern, schöne Plätze, Sherry-Kneipen, wo man hinsieht, ein Theater im ‚andalusischen Regionalstil‘ aus den 30er-Jahren. Kurios ist eine große Menschenansammlung an einem Platz vor einem Geschäft mit Devotionalien; beim näheren Hinsehen stellt sich heraus, dass es sich offenbar um eine Art Tauschbörse für Heiligenbildchen handelt. Yvonne erzählt, dass auch hier das Tragen des Prozessionstisches für die Semana Santa geübt wird, mit Betonbrocken zum Vortäuschen des Gewichts der Heiligenfigur. Hübsch beleuchtet ist das ehemalige Rathaus, das ‚cabildo‘, im Renaissance-Stil.


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