Sonntag, 21.1.24: in Lleida

Zu unserer Freude wird das reichhaltige Frühstück ebenfalls im Restaurant, also im ehemaligen Kirchenschiff eingenommen. Danach gehen wir bei trübem Wetter in die Stadt, die uns trotz einiger Modernismo-Gebäude eher trist erscheint. Auch der Hauptplatz wirkt in keinster Weise anheimelnd. Unmotiviert steht ein Leuchtturm herum, eine Rolltreppe und ein Aufzug führen nach oben zu dem Hügel, auf dem Festung und Alte Kathedrale thronen. Unten folgt der gefängnisähnliche Justizpalast den Formen des Hügels. Der Aufzug fährt mit Aussicht, denn auf einer Seite weist er ein großes Fenster auf. Oben knarzen beim Überqueren der ‚Schlucht‘ zwischen Turm und Hügel die Holzbretter – hm, kein angenehmes Gefühl… Weil der ganze Berg früher Festung und sogar die Alte Kathedrale eine Kaserne war, in der man nicht gerade schonend mit den Kunstwerken umging, empfinde ich den Ort als das Hässlichste, was mir auf der Reise begegnet ist. Oben erfahre ich, dass der Diktator Franco dort auch noch drei Konzentrationslager (1938 – 1940) eingerichtet hat mit insgesamt 15.000 Gefangenen. Es ist ein wahrlich geschundener Ort, dieser Festungsberg!

Später lesen wir, dass Lleida in seiner Geschichte immer wieder erobert und zerstört wurde, was eventuell auch die mangelnde Ausstrahlung der Stadt erklärt. Das Schönste scheint uns unser Parador zu sein. Sehr gelitten hat die Stadt im zunächst im Spanischen Erbfolgekrieg und weiteren Auseinandersetzungen und im 20. Jh. dann unter Franco. Und so wäre eigentlich die Alte Kathedrale, die schon 1707 säkularisiert wurde, eigentlich ein romanisch-gotisches Schmuckstück, bietet aber nur eine fast leere Hülle. Alle sakralen Gegenstände sind entfernt, geraubt oder verkauft, nicht einmal Kirchengestühl steht noch im Kirchenraum. Der Kreuzgang ist einer der größten in Spanien und auch wirklich schön, mit einer offenen Seite zur Stadt. Aber als Ensemble kann Lleida nicht punkten.

Wir gehen zurück zum Parador. Später ziehe ich mich zum Schreiben ins riesige Foyer im dreistöckigen Kreuzgang zurück und genieße die Höhe der Mauern und auch das sehr gedämpfte Gemurmel der anwesenden Gäste, bevor ich Tom zum Abendessen abhole. Wieder ist es ein Genuss, hier zu essen und von sehr netten, zuvorkommenden Kellnern bedient zu werden.


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