Bald sind wir wieder bei Metapunto (zur Erinnerung: Hera-Tempel) auf der Strada Statale und in Richtung Reggio die Calabria unterwegs. Erstes Zwischenziel: der kleine Ort Rocca Imperiale, dessen Häuser wie ein Modelldorf um einen Berg in Ellipsen herumgeklebt erscheinen. Zur Festung (Castello svevo) hinauf wollen wir gar nicht steigen (Rückenschonprogramm), aber ein Kaffee wäre nett, doch an der Straße liegt jedenfalls keines. Tom fährt einen kleinen Kringel durch wunderschöne weite und stille Landschaft, die grün und golden im Sonnenlicht liegt, von felsigen Bergen begrenzt. Auf großen Feldern stehen unzählige Zitronenbäume relativ eng nebeneinander; sie blühen hier vier Mal im Jahr! Sehr schön – das ist unser erster Eindruck von Kalabrien.
Knapp 20 Kilometer später endet die (kostenlose) Autobahn, und genau dort steht am steinigen Strand von Roseto Capo Spulico eine Staufer-Burg, von Friedrich II. zur Sicherung des Reichs beauftragt und heute eine beliebte (und sicher sehr teure) Hochzeitslocation. Wir wollen im Burgrestaurant nur einen Cappuccino bestellen – und just in diesem vorfreudigen Moment realisiere ich, dass meine Sandalen nicht im Auto liegen: Keiner von uns beiden hat sie eingepackt. Schreck, Ärger, Nachdenken – sie stehen ziemlich sicher hinter der am Morgen ständig geöffneten Apartment-Türe… Tom projiziert seinen Ärger auf den unverschämt hohen Preis des Cappuccinos (in Deutschland wäre er ok, aber hier…!!!) – aber lieber schimpft er darauf als auf mich… Also gut. Wir werfen noch rasch einen Blick auf die Traumkulisse – Strand, Meer, Fels, Burg – und setzen uns seufzend in unseren Ford.
Eine Stunde später parken wir wieder vor der Maison Frima in Matera, schnappen uns die Sandalen, die unser Signore schon auf den Treppenabsatz gestellt hat – wenigstens hat die Rekonstruktion der Handlungen geklappt und sie sind WIRKLICH da… Tramezzino und Cola einwerfen, LOS… Wieder eine Stunde später grüßen wir, wie die Queen, unsere Burg‘.
35 Kilometer Landstraße gilt es nun zu überbrücken. Eventuell hat die N‘drangheta auch hier Gelder versenkt, könnte ich mir vorstellen – so geschehen beim Autobahnbau Salerno/Reggio, wo die Bauzeit für ein letztes Teilstück von 100 Kilometern sage und schreibe 19 Jahre betrug. Von den Millionen EU-Geldern sind damals sehr viele im Mafia-Säckel verschwunden.
Danach erreichen wir sehr schnell Cosenza, die regionale Hauptstadt des nördlichen Kalabrien, wo wir nebst B&B auch einen komfortablen Parkplatz im Hof gleich neben der Eingangstüre sowie einen Lift zur fünften Etage in Beschlag nehmen. Wieder ein Quartier ohne Weingläser – wir quittieren es kopfschüttelnd, dafür hat zum ersten Mal der Kühlschrank einen Griff – tststs… Die Waschmaschine steht kurioserweise auf dem Balkon – wo‘s Brauch ist…!
Angeblich tobt (laut Reiseführer) das Nachtleben auf dem Corso G. Mazzini, wo die Stadt wertvolle Statuen, das Vermächtnis eines reichen, nach USA ausgewanderten Ex-Bürgers der Stadt Cosenza, aufgestellt hat: von Dalì, de Chirico und einigen weiteren, zum Teil namhaften sizilianischen Künstlern. Die Lebendigkeit des Corso entspricht dem Material der bronzenen oder steinernen Denkmäler: Außer uns scheint niemand das Bedürfnis zu haben, sich dort aufzuhalten. Abtritt der gemeine Tourist. Buona notte!