Gleich nach unserem Aufbruch stellt sich – fünf Jahre nach unserer Weltreise – sofort ein allgemeines Wohlbehagen ein: Das Auto rollt und ‚ummara‘ sechs Reise-Monate liegen vor uns, die uns – hoffentlich – unzählige schöne Erlebnisse und Begegnungen bringen werden. Die Unterkünfte sind erst einmal bis einschließlich 12.1.24 gebucht (Stornieren noch lange möglich…), alle weiteren (bis auf die Unterkunft in Málaga im Februar) suchen wir unterwegs aus.
Durch typisch nebel- und wolkenverhangene Alpenlandschaft – Österreich halt… – geht es auf der Autobahn nach Graz, eine Stadt, die wir beide bislang noch nie besucht haben. UNESCO-Weltkulturerbestätte (für die beeindruckende Altstadt, aus der sich die ganze Geschichte der Stadt ablesen lässt, die wir aber aufgrund von Zeitmangel und Nieselregen nicht in Gänze besuchen können). Es sollte ja auch nur ein Schnuppern sein!
Von unten bis oben besuchen wir aber das Kunsthaus Graz, das – schon in google maps auffällig – als Fremdkörper neben der Mur und gegenüber der Altstadt liegt. Als Graz 2003 Kulturhauptstadt Europas wurde, weihte man dieses Gebäude ein; das Kunsthaus feiert gerade sein 20-jähriges Bestehen. Sehr eindrücklich sieht es wohl nachts aus, weil die Fassade beleuchtbar ist und damit als ‚Medienfassade‘ dient. Aber es ist Mittag, und das Kunsthaus, von einem der beiden Architekten, Colin Fournier, als ‚friendly alien‘ bezeichnet, sieht eher nach deplatzierter Tristesse aus. Die homepage zitiert ein weiteres Urheber-Bonmot: Fournier sieht das Kunsthaus als „biomorphes, undefinierbares Etwas, ein Hybrid, fremd und vertraut zugleich, mit dem ‚Charme eines freundlichen streunenden Bastards mit höchst fragwürdigem Stammbaum‘“. Manche bezeichnen es wohl auch als Nilpferd oder Stachelschwein.
Innen allerdings geht das Konzept auf. Nichts lenkt in den dunklen, mobilen Plattformen alias Ausstellungsräumen, ‚space‘ genannt, ab, die Objekte und Installationen sind gut beleuchtet und auf mobilen Tafeln erläutert. In der Ausstellung „The Other Re-Imagine the Future“, die zur Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdbild anregen soll, findet sich einiges Sehenswertes, so z.B. gleich am Eingang die Rauminstallation „The Glow“, bei der vom Bild eines zerbrochenen Handy-Bildschirms bunte Stoffbahnen ausgehen, die Räume neuer Möglichkeiten eröffnen (Anetta Mona Chişas & Lucia Tkáčovás).
Sehr ansprechend ist ein Werk des sehr bekannten Künstlers Olafur Eliasson mit dem Titel „Navigation star for utopia“ aus der Reihe seiner ‚Kaleidoramas‘.
Viele Künstler*innen stammen aus den Balkanstaaten – für uns unbekannt, aber mit interessanten Perspektiven. Im obersten Stockwerk, ‚the Needle‘ genannt, überrascht uns eine „U.N.Camouflage“ (Société Réaliste), in der die Flaggen der 193 Mitgliedsstaaten gemäß den jeweiligen Farbanteilen in Camouflage-Muster verwandelt sind. Die Stoffbahnen hängen in der Installation auf engem Raum hintereinander, und man ist ausdrücklich aufgefordert, hindurch zu gehen. Gleichzeitig weitet sich der Blick durch die utopischen Flaggen hindurch auf die Stadt Graz.
Wir stärken uns im Café Freiplatz, hoch über den Dächern der Altstadt, zu dem man nur gelangt, wenn man das historische Kaufhaus Kastner & Öhler durchquert: 1883 gegründet, versendet es schon 1885 als eines der ersten Unternehmen in Europa Produkte per Post! In dem mit Glas überdachten ‚Prachtraum‘ fährt man auf vielen Rolltreppen (1959 die erste der Steiermark!) in den 6. Stock. Sehr zu empfehlen!
Für knapp zweieinhalb Stunden zurück auf die Autobahn; für Slowenien brauchen wir kein ‚Pickerl‘, sondern es gibt schon die e-Maut, von der Beifahrerin fix online zu erwerben. Vorbei an Maribor, wo wir letztes Jahr Station machten, führt der Weg nach Karlovac, bekannt vor allem für sein Bier ähnlichen Namens. Aber auch Alstom hat dort eine Niederlassung. Vor einigen Monaten erst hat Graz 15 Trams bei Alstom bestellt – aus der Nachbarschaft sozusagen.
Die Stadt, zu deutsch Karlstadt, hat 50 000 Einwohner und liegt im sog. Alt-Kroatien, wenn man historisch denkt. Sie wurde in der Renaissance, wie es damals mancherorts Mode war, als Stern angelegt, wovon heute aber fast nur noch die ausgedehnten Parks Zeugnis ablegen, die den ehemaligen Bastionen entsprechen. Vorstellen kann man es sich etwa wie das gut erhaltene Neuf-Brisach im Elsass. Von vier Flüssen umflossen, bietet die Stadt ein altmodisches Hotel mit großer umlaufender Veranda, von wo aus uns vorschwebte, mit Blick auf den Fluss und einem Drink auf unsere Reise anzustoßen. Nach einem kleinen Spaziergang bei schräg stehender Sonne setzen wir diesen Plan vortrefflich um…