Kerstins Zug geht um halb sieben. Ich darf nach dem Abschied – frei nach Goethe: „Leuchtende Tage! Nicht weinen, dass sie vorüber, sondern lächeln, dass sie gewesen!“ – im Apartment bleiben, während Gentleman und Ex-vierter-König Tom Kerstin mitsamt Gepäck zum Bahnhof St. Roch chauffiert. Dort wird ein letzter Espresso geteilt (will heißen: ein Schluck davon für Kerstin, sonst kaffeeabstinent…), dann klettert Kerstin in den Zug: Winke, winke…! Schön war‘s!
Später am Tag suchen wir schon mal ein paar Sachen zusammen, inspizieren den Kühlschrankinhalt (Sammelsurium, reicht aber noch für heute), und ich gehe auch noch mal ins Kino in den gestern angelaufenen Film „ Bonnard. Paul et Marthe“, der das Leben des Malers Bonnard mit Schwerpunkt auf seiner Muse und späteren Ehefrau Marthe in 120 Minuten erzählt. Cécile de France spielt die launische Marthe, der Regisseur hat vor vielen Jahren den sehr schönen Film „Séraphine“ gedreht. Ich finde den Film aufgrund vieler Konfliktsituationen etwas anstrengend, auch wenn er in tollen Landschaften an der Seine und in Le Cannet spielt. Aber Leben und Liebe der beiden ist ganz gut getroffen; viele der bekannten Bilder Bonnards sind im Film nachgestellt.
Danach treffen wir uns im idyllischen Fünf-Kontinente-Garten des MO.CA. an einem Brunnen, der aus lauter Gießkannen besteht. Die Ausstellung der pakistani-amerikanischen Künstlerin Huma Bhabha (*1962, Karachi) „Une mouche est apparue, et disparaît“ ihre die erste Werkschau in Frankreich, bezieht sich auf ihr künstlerisches Schaffen von 2002 bis 2022; die Liste der beteiligten Galerien ist lang. Huma Bhabha ist inspiriert von Science Fiction, Horrorfilmen und Mythologie. Die meisten ihrer Bilder wirken apokalyptisch-dunkel, häufig sind Fotos von Tieren (manchmal Kalenderbilder) eingebettet, oft so, dass man sie nicht sofort sieht. Aufhängen möchte man die Bilder nicht, aber interessant sind sie auf alle Fälle. Noch eigentümlicher sind ihre archetypisch wirkenden Skulpturen – Tier-/Mensch-Hybride – oder auch Totempfähle, häufig aus bemaltem Kork und/oder Styropor mit anderen Materialien.
Wieder ein bisschen Hausarbeit, dann nehmen wir die Tram zum Corum, wo das Philharmonische Orchester heute Abend ein Konzert gibt: erst etwas gut gespielte, aber nichtssagende Musik für Streichorchester von Bacewicz, danach von ein Violinkonzert von Lutoslawski, schließlich die imposante Tondichtung „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss, die uns ganz gut gefällt. Ob ich jemals Strauss-Fan werde, weiß ich nicht…
Bannig kalt, sagt man in Norddeutschland – genauso ist es heute in Montpellier. Ich friere im schlecht geheizten Kino, friere im Konzert, friere an der Tramhaltestelle. Sogar Tom findet es kalt: 3 Grad, gefühlt wie 1 Grad. Gut, dass wir morgen nach Spanien fahren – in Figueres soll es morgen 12 Grad haben…