Sonntag, 7.1.2024: in Béziers

Heute ist es noch windiger als gestern – und damit leider genau so, wie vom Wetterdienst angekündigt. Kerstin beschließt trotzdem – in Drei-Schichten-‘Rüstung‘ – einen langen Spaziergang zu machen und kommt gut durchlüftet und in bester Laune zurück.

Gegen 15 Uhr steigen wir ins Auto und sind eine knappe Stunde später in Béziers. Weder Tom noch ich können sich an die Stadt erinnern; unsere jeweiligen Besuche fanden allerdings auch schon sehr lange vor unserer gemeinsamen Zeit statt. Das Zentrum der Stadt bildet die Allée Paul Riquet, eine von vier langen Platanenzeilen bestandene, sehr imposante Straße. Dort und auf der angrenzenden Place Jean Jaurès befindet sich der ‚Marché de Noel‘ von Béziers; gestern in Sète hatte ich ein Plakat dazu gesehen. Letzter Tag des Weihnachtsmarkts: heute! Wir bewundern und wundern uns über kitschige Figuren wie Riesenrad, Christbaumkugeln, Bischofssitze, Helikopter, die sich nur manchmal mit Weihnachtssinn aufladen lassen. Jetzt ist alles noch unbeleuchtet, aber was noch mehr ins Auge sticht: mit jeder Menge Kunstschnee besprüht. Kerstin denkt sofort an ‚Sondermüll‘, obwohl die Bäume unter der weißen Masse echt sind. Auf der Allee reihen sich beidseitig bestimmt an die 20 Häuschen, in denen meist Essen, zum Teil auch Schmuck, Kleidung aus Wolle oder Heiligenfiguren verkauft werden. Manches wird denn auch zum halben Preis angeboten, aber uns gefällt leider gar nichts.

Moment mal, was tut sich denn da beim Theater? Kommen da Leute um diese Uhrzeit heraus? —- Im Gegenteil, sie strömen hinein! Nichts wie hin und kurz gefragt, was los ist. Eine freundliche, aber auch resolute Dame setzt uns gleich auf eine Warteliste (Nr. 2, 3 Karten), denn obwohl das Neujahrskonzert kostenlos ist, braucht man Eintrittskarten, die man schon im Sommer ergattern muss. Das Theater existiert schon seit 1844 und galt teilweise als Bayreuth oder auch Sevilla Frankreichs. Sogar Camille Saint-Saens hat dort schon einmal das Orchester dirigiert, dessen Nach-nach-nach… folger heute südamerikanische Rhythmen vortragen wollen. Nach 30 Minuten drückt uns die Dame vom Kartenverkauf drei Tickets in die Hand: Wir strahlen. Das Laienorchster „Lyre bitérroise“ hat einen humorvoll ansagenden Orchesterleiter, der die Tempowechsel gut eingeübt hat und schwungvoll dirigiert. Auf dem Programm stehen hauptsächlich Astor Piazolla, Heitor Villa-Lobos und weitere südamerikanische Komponisten; als Solisten sind aus der Gegend stammende junge Studierende des Conservatoire Nationale Supérieure de Paris zu Gast, einer am Sopran-Sax (toller, weicher Ton!) und ein Gitarrist (hinreißend rhythmisch und musikalisch). Ansonsten ist es die typische Besetzung einer französischen ‚fanfare‘, was in etwa einem deutschen Blasorchester entspricht. Für ein Laienorchester wirklich ein sehr gutes Niveau und eine insgesamt sehr gelungene Darbietung!

Draußen ist es nun schon dunkel: Das Theater ist farbig illuminiert, die Häuschen glitzern, die Figuren im Winterland leuchten zwischen Zauber und Kitsch. Besonders gut macht sich ein sehr flacher Wasserlauf, den ich tagsüber eher belächelte. Jetzt ist er durch die Engelsfiguren, die an seinem Rand stehen, in Goldfarbe getaucht – ein sehr hübscher Effekt.

Da es für ein Abendessen in Béziers ohnehin noch zu früh wäre, fahren wir lieber zurück, und Tom hält das Lenkrad eisern fest und den Ford auf Kurs – es ist immer noch sehr windig. Gut, dass wir gestern in Sète schon ‚pasta fresca‘ gekauft haben – das ist schnell zubereitet und schmeckt lecker.


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