Samstag, 30.12.2023: in Sète

Endlich wieder strahlend-blauer Himmel, wieder ein Frühstück mit frischem Baguette und Croissants… was machen wir heute? Rasch fällt die Wahl auf einen Ausflug zum Meer, nach Sète. In Sète war ich tatsächlich noch nie, hielt es für ein Fischerdorf; frühere Ziele waren die Bambouseraie in Anduze, Beziers, Narbonne, Pézenas, Perpignan – klar, da hält Sète nur auf.

Erkenntnis Nummer 1: Sète ist kein Fischerdorf, sondern eine Stadt mit 45.000 Einwohner*innen und täglichen 10 Tonnen Fischfang; damit ist es auch nach Marseille der größte Fischereihafen Südfrankreichs. Erkenntnis Nummer 2: Sète gilt als Venedig des Languedoc, weil es auch von einigen Kanälen durchzogen ist, natürlich auch einem ‚canal royal‘ – denn Mole und Hafenbau wurde von Ludwig XIV. Beauftragt. Erkenntnis Nr. 3: Sète liegt an einer schmalen, 17 Kilometer langen Landzunge zwischen Mittelmeer und Lagune (Austernzucht!), mit herrlichen Stränden am Meer. Erkenntnis Nummer 4: Neben dem Espace Georges Brassens kann man in Sète auch noch das Musée Paul Valéry besuchen. Beide Poeten sind auch (auf verschiedenen Friedhöfen) hier begraben.

Ein italienischer Einfluss ist der Stadt nicht abzusprechen, haben sich doch auch in den 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts neapolitanische Fischer auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen in Sète niedergelassen. Heute hört man eher auch spanische Laute, wenn man sich am Kanal oder in der Fußgängerzone bewegt. Typisch südfranzösische Klänge dagegen dringen kaum an mein Ohr – entweder ist das inzwischen verpönt oder um die Jahreswende befinden sich hauptsächlich Pariser in Sète. Jedenfalls sind in der Mittagszeit die zahlreichen Fischrestaurants gut belegt und auch in der Markthalle herrscht Gedränge bei vollen Stühlen. Wir genießen – völlig kalorienlos – den Anblick der Köstlichkeiten, vom Landhuhn aus dem Gers über Kapaune bis zu Tielle, den mit Tintenfisch-Geschnetzeltem und Tomatenmark gefüllte kleinen Kuchen; wie immer quillt auch die Käsetheke über, Rosé ist geschickt in Szene gesetzt und scheint zu leuchten. An den Fischtheken sehen wir Berge von verschiedenen Austern, daneben Bulots, Langusten, Krabben, Krevetten, Hummer und was das Herz sonst noch begehrt. Sardinen findet man eher in farbenprächtig bebilderten Dosen; 600 Gramm französischer Kaviar werden für die Kleinigkeit von 1.000 Euro angeboten – schade, diese Dose ist uns zu groß, das wäre für vier Personen einfach zu viel…!

Kleine Pause am Canal Royal mit Spritz für Judith und Benedikt bzw. Café Gourmand, der so üppig ausfällt, dass Tom und ich uns fast im Zuckerschock befinden. Wir schlendern noch bis zum Fischmarkt, wo die Fischer am Morgen ihren Fang umschlagen und der jetzt in völliger Stille liegt. Ein Blick auf den Yachthafen, Abteilung Segelboote, dann kehren wir um , bestaunen die riesigen Fischerboote, die Dichte der Motorboote – eins am anderen – und genießen die Illumination des gegenüber liegenden Ufers. Blau-weiß ist der Haupteindruck.

Gleich am ersten Strand finden wir einen Parkplatz, wo im Vergleich zu den Stränden Sardiniens oder Siziliens wirklich viel los ist; die einen sitzen im Sand, die anderen spazieren am Strand. Auch Bene krempelt gleich die Hose auch und steht im Wasser, während Tom und ich es vorziehen, auf unseren Faltstühlen in der Sonne zu dösen. Dolce vita…

Welch zweifelhaftes Highlight uns nach dem Abendessen erwarten wird, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich habe für uns Karten in einem Theaterchen für ein Spektakel namens „Cabaretissime“ gebucht. Erst müssen wir eine halbe Stunde lang draußen ausharren und dürfen nur flüstern, weil drinnen noch eine andere Truppe schauspielert. Auch im Kassenvorraum geht erst mal nichts voran und wie immer in Frankreich beginnt die Darbietung mit einer Viertelstunde später. Bis auf eine Darstellerin, die steppt, spricht, Akkordeon spielt und clowneske Nummern vorführt, befinden sich die anderen drei auf sehr schlechtem Schülertheater-Niveau. Der Gesang läßt deutlich zu wünschen übrig (man kann auch sagen ist einfach daneben), die Gesten wirken zu künstlich, Charme und Erotik Fehlanzeige, die Pantomime ist zu wenig übertrieben, der Tanz hölzern. Drinnen werfen wir uns sprechende Blicke zu, draußen schütten wir uns aus vor Lachen – immerhin das! So schnell werden wir dieses Schmierenschauspiel nicht vergessen! Was für ein kolossaler Fehlgriff… sorry, geht auf mein Konto.


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter: