Freitag, 29.12.2023: in Montpellier

Nach einem Frühstück mit frischen Croissants und Pain au chocolat fällt uns ein, wie wir das Parkplatzproblem für Benedikts Auto lösen können: mit einer App, die Parkplätze in Hotelgaragen zu guten Konditionen vermittelt. Damit haben Tom und ich schon gute Erfahrungen gesammelt. Tatsächlich findet sich ein freier Platz ganz in der Nähe – super!

Einer Entdeckungstour durch Montpellier steht nichts mehr im Wege. Mit der Straßenbahn, die man bequem online bezahlt, fahren wir bis zum Schauspielhaus und biegen dann in die Altstadt ab. Eine alte Markthalle in Eisenkonstruktion – zur Hälfte Modehaus, zur anderen Hälfte mit Lebensmittelständen zieht uns an; natürlich die Fressalien mehr als die Kleidung… klar. Irgendwann taucht der Triumphbogen auf der Place Royale auf. Auf der platanenbestandenen Promenade du Peyrou ist der Weihnachtsmarkt aufgebaut; er ist bis zum 30.12. geöffnet. Wie in Deutschland überwiegen auch hier die Häuschen mit Essensangeboten, die an sich recht abwechslungsreich sind. ‚Vin chaud‘ gibt es auch, in weiß, rot, rosé oder Cidre, aber auch Stände mit vielen Biersorten. Dazwischen auch etliches Kunsthandwerkt von Töpferwaren bis Schmuck. Am Ende der Promenade erhebt sich über drei Wasserbecken der Aqueduc Saint-Clément; seine Bögen verlieren sich in der Ferne. Interessant, ein Aquädukt aus dem 18. Jahrhundert – das hat man doch eher selten!

Tom und ich beschließen, an der Place Royale in die Tram zu steigen, landen wieder am Place de l‘Europe in Antigone, staunen über die Hochwasserstände von 2005 und 2014, wo unsere Fußgängerbrücke völlig geflutet war und amüsieren uns über drei Kormorane, die auf einem Spritzbrunnenring sitzen und rhythmisch mit den Flügeln schlagen, um ihre Federn zu trocknen. Völlig ungerührt sitzen Möwen daneben. Im Lez spiegelt sich rechts von unserem Apartmenthaus der ‚Arbre blanc‘, ein Bau des Architekten Fujimoto, sehr verspielt, mit vielen Balkonen. Zufällig sehe ich im Internet ein Kaufangebot für eine 100-qm-Wohnung: Schlappe 1,5 Mio. Euro… Wer möchte bei diesem Schnäppchen nicht sofort zugreifen…!? Das Gebäude, in dem sich unsere Ferienwohnung befindet, bildet den Abschluss des neuen Stadtteils und mit seinem Zwillingsgebäude und dem dazwischen liegenden wuchtig-repräsentativen Hôtel de la Régions Languedoc-Roussillon – ebenfalls von Bofill in neoklassizistischem Stil – eine Art Gegengewicht auf der diesseitigen Flussseite.

Bereits in den 70er-Jahren entsteht das Einkaufszentrum Polygone und andere noch ziemlich konzeptlose Bebauung, während die meisten Hektar Brachland dennoch ungenützt bleiben. Die Gesamtkonzeption des neuen Stadtviertels Antigone wurde 1979 durch den damaligen Bürgermeister Montpelliers angeregt, vom katalanischen Architekten Ricardo Bofill erdacht und ab dem Jahr 1983 auch baulich umgesetzt. Damit gelang es, die Stadt nach Südwesten zu erweitern. Wo sich u.a. ein nicht mehr genutztes Kasernengelände, eine aufgelöste Schule der Salesianer und mehrere Industriebrachen befanden, entsteht in diesen Jahren ein monumentale, an der Antike inspirierte Architektur, die auf eine in der Stadt vorhandene historische Achse mit Triumpfbogen und Aquädukt anspielt, aber neue Akzente setzt. Im riesigen Halbkreis an der Place de l‘Europe entstehen Wohnungen, die Hälfte davon dringend benötigte Sozialwohnungen, mit Öffnung zum Fluss hin. Ein Schwimmbad mit Olympiamaß, eine Markthalle, eine Mediathek, die eifrig genutzt wird, waren im ursprünglichen Bebauungsplan nicht vorgesehen, brechen mit dem antikisierendem Stil, wirken aber dennoch sehr modern-passend und ordnen sich um die Mittelachse an, deren Bäume (früher wohl Palmen, jetzt Platanen) momentan weihnachtlich mit blauen und weißen Lichtern beleuchtet sind. Die riesigen Bauten, z.T. mit dorischen Säulen Version Ende 20. Jahrhundert bestückt und aus gelblich gefärbtem Beton (nicht aus gehauenem Stein), sind durch viele Geschäfte und Restaurants belebt. Im Vergleich zur Grande Arche in Paris sind die Gebäude bei aller Monumentalität dennoch auf den Menschen dimensioniert. Statuen (Nike, Demosthenes, Moses, Dionysos und andere) erinnern an das Thema des Stadtviertels. Wegen der milden Winter am Mittelmeer läuft in einem großen Brunnen das Wasser. Was damals ein Aufreger war, ist heute gut zusammengewachsen und wirkt modern, aber dennoch passend für seine Bewohner*innen zugeschnitten. Direkt über dem Lez-Ufer beleben noch einige Restaurants besonders nachts die Szenerie.

Als ich über den Architekten Bofill nachlese (2022 letztlich an Covid gestorben), merke ich, dass wir andere Bauten von ihm kennen, ohne sie zuzuordnen: das Hotel Vela im Hafen von Barcelona (mehrfach von mir fotografiert…) und die Autobahnraststätte ‚Les volcans d‘Auvergne‘ bei Clermont-Ferrand, wo Tom und ich tatsächlich schon mal eine Rast eingelegt haben.

Montpellier gefällt uns allen – so viel steht nach dem ersten ganzen Tag in der Stadt fest!


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