Montag, 25.12.2023: in Fondcaudette

Die beiden Damen husten auch heute noch sehr, Thomas ist schon mehr beim Hüsteln angelangt, während Tom sich nun seit drei Wochen wacker hält. Wegen unserer starken Erkältungen ist Schonprogramm angesagt: Liegestuhl auf der Terrasse in der Mittagszeit oder Stuhl im Wintergarten, Tee von frisch gepflücktem Thymian und Salbei wie schon am Vortag; zwischendurch mein Zwiebelsaft und heiße Milch mit Curcuma zur Stärkung der Abwehrkräfte. Lesen, Dösen, Musikhören… bis Arlette sich um das Omelette mit Trüffeln kümmert, das sie stark duftend mit Salat auf den Tisch stellt. Ein Genuss!

Arlette ruft zum Spaziergang und auch ich wage mich nach draußen. Trotz Sonne bei 14 Grad liegt eine Kühle in der Luft. Einige Früchte hängen noch an den Zweigen, die im Licht leuchten: nicht gepflückte Oliven, roter und orangefarbener Feuerdorn, kleine runde Zapfen an riesigen Thujen. Die schräge Wintersonne beleuchtet die grün unterlegten Olivenhaine wie im Theater und wirft schwarze Baumschatten an Hauswände, deren Fensterläden wie so oft in der Provence hellblau oder grau gestrichen sind. Wir spazieren durch eine friedliche Landschaft. Am Abend lesen wir, dass in Israel die Angriffe gegen die Palästinenser verstärkt werden sollen.

Als Thomas‘ Spezialgericht – mit viel Gemüse und Hackfleisch gefüllter Wirsing – in den Backofen geschoben ist, sehen wir uns gemeinsam eine DVD mit Augenzeugenberichten über die Mafiamorde in den 80er- und 90er-Jahren an. Auch Arlette interessiert sich seit langem für das Thema und liest momentan ein passendes Buch; sie hat in dieser Epoche einige Jahre in Rom gelebt und gearbeitet. Es ist die DVD, die man mir in Palermos Justizpalast geschenkt hat; Tom und ich erkennen einige Drehorte wieder, vor allem in Palermo. Die vielen Erinnerungserzählungen von Angehörigen von Mafiaopfern werden im Film durch einen Rahmen zusammengehalten, in dem – manchmal an der Grenze zur Rührseligkeit bzw. zum Kitsch – ein Vater seinem 12-jährigem Sohn anschaulich erklärt, was die Mafia ist, wie sie arbeitet, erpresst, bedroht und auch tötet. Diese Einschübe schaffen auch Distanz zu den sehr berührenden Berichten der Zeitzeugen, die 2008 immer noch mit Tränen in den Augen von ihrer Trauer um Ehemänner, Väter, Brüder und Onkel, deren Mut, sich – in unterschiedlicher Art und Weise – gegen die Mafia zu stellen und vor allem auch von ihrem eigenen Zorn und ihrer Wut auf die Mafia erzählen. Harte Kost am ersten Weihnachtstag… Als der Film zu Ende ist, duftet der Wirsing schon intensiv, und bei Essen, Wein und Dialog glätten sich auch unsere aufgewühlten Gefühle.


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