Sonntag, 17.12.2023: Überfahrt von Santa Teresa di Gallura nach Bonifacio

Wie geplant verlassen wir um 5.50 Uhr unser Quartier in Portu Ottiolu. Es ist immer noch windig, aber weniger als gestern. Gerade als wir 90 Minuten später nach stockfinsterer (Neumond!) und kurvenreicher Fahrt hinter den ersten paar Autos an der Fähre abgeparkt haben, lese ich die Message, dass die Fährfahrt wegen widriger Wetterverhältnisse abgesagt ist. Die Tickets behalten aber für die nächste Fahrt ihre Gültigkeit. Nein, so etwas! Der Gedanken, dass es im Winter so kommen könnte, hatte uns bei den allerersten Überlegungen der Route gestriffen. Dass gerade wirklich nichts geht – rien ne va plus… – fühlt sich jetzt anders an. Regina, erfahrene Korsika-Spezialistin, hat gestern schon geunkt und schickt heute gleich den Wetterbericht von Météo France, der besagt, dass sich der Wind bald legen müsste. Zum Glück gibt es am Fährhafen eine Bar; die Mauer des Tresens ziert ein Gemälde, in dem sich Sardinien und Korsika die Hand reichen. Hoffen wir‘s…!

Die Wartezeit nützen wir für einiges: z.B. buche ich Karten für die Oper in Valencia, sende dem Vermieter in Figueres eine Nachricht, schreibe Blog, lese. Was man halt so macht, wenn mal auf einmal Zeit beschert bekommt! Tom hört Podcast, zwischendurch klopft ein Carabinieri ans Fenster, der mit unseren Ausweisen verschwindet und zurückbringt, was uns Hoffnung gibt. Hinter uns wird die Autoschlange immer länger.

Und tatsächlich, gegen 11 Uhr bekommen wir grünes Licht für die Einfahrt auf die Fähre und pünktlich um 12 Uhr legt die Fähre ab. Himmel und Meer sind herrlich blau und weil wir uns gut eingepackt haben, bleiben wir während der Überfahrt einfach an Deck, sehen Sardinien immer kleiner werden und im selben Maße die Küste Korsika näher rücken.

Bonifacio thront herrschaftlich auf einem verkarsteten Kreidefelsen. Weil der Platz für die Oberstadt auf dem Felsen so knapp bemessen ist, baut(e) man in die Höhe. Eine Kaserne liegt auch oben und ein Friedhof und auch die Festungsmauer zieht sich um so manchen Felsvorsprung oder durch eine Lücke. Weithin – als schräger Strich – erkennbar ist auch die (Flucht?)Treppe, l‘Escalier du Roi Aragon, die leider nur unter der Woche besichtigt werden kann. Es ist durchaus beeindruckend, wie die Oberstadt, la haute ville, am Felsen ‚klebt‘.

Die Hafeneinfahrt liegt dahinter, und die paar Autos sind schnell entladen. Wir fahren gleich nach oben, auf der Suche nach einem Parkplatz, den wir dann beim Friedhof finden. Im Winter kostet er nichts, es sind viele Plätze frei – ein Markus berichtet uns empört, wie viel Geld er im Sommer in den Automaten stecken musste.

Gleich hinter der ehemaligen Kaserne ‚stolpern‘ wir in den Weihnachtsmarkt. Ich hatte davon gelesen, aber ohne Uhrzeit- und Ortsangabe. Viele Stände gleichen Aussehens, aber unterschiedlichen Inhalts, eigentlich nur Schmuck oder Essen/Getränke anbietend. Ja, wir könnten auch einen kleinen Imbiss vertragen, sind wir doch schon seit 5 Uhr auf den Beinen. Die Augen suchen ein belegtes Brot, wir ordern; ich glaube, den Preis falsch zu verstehen, halte einen Zehn-Euro-Schein hin. Kopfschütteln… Ich frage nach (ich! Die Französischlehrerin!), vielleicht habe ich mich ja doch verhört? Nein, 30 Euro! Zwei Brötchen? Jetzt bin ich empört. Zum Glück reagiert die Dame hinter dem Tresen auch schnell und bricht meine Bestellung ab. Es stellt sich heraus, dass die Brötchen – für uns nicht erkennbar – mit TRÜFFELN belegt waren. Diese Franzosen! Ach ja, klar, schräg gegenüber schlürft man Austern, hinter uns wird Champagner ausgeschenkt…! C‘est la France! Ich komme mir vor wie ein Landei, das zum ersten Mal in der großen Stadt ist (Bonifacio hat 3800 Einwohner*innen, von wegen ‚große Stadt‘…!)! Wir teilen uns ein anderes Edel-Sandwich für 10 Euro, auch wenn uns das Gefühl von Nepper, Schlepper, Bauernfänger schon beschlichen hat.

Auf der Sonnenseite des Lebens (und der Stadt – dort, wo der Eingang zur berühmten Treppe verschlossen ist) genießen wir ein wenig Ruhe, bevor wir noch eine kleine Runde zwischen den hohen Häusern drehen und auf dem Weg zum Parkplatz die Aussicht auf eine Bucht genießen, an der gerade ein stolzes Segelschiff vorbei kommt.

Wir geben ‚Ajaccio‘ als Zielpunkt ins Navi ein; eine verdächtig lange Zeit wird uns da für die 120 Kilometer angegeben: 2,5 Stunden. Als wir näher hinsehen, wird uns klar, dass die Route, die wie ein langer Dickdarm aussieht, die Straße mit ihren vielen Kurven abbildet. Aha, verstanden! Tom kurbelt geduldig, rechts, links, rauf, runter… der westliche Teil Korsikas ist einfach ein einziges Gebirge. Zwanzig Gipfel sind höher als 2000 Meter, der höchste Berg sogar über 2700 Meter (und auch schon schneebedeckt). Ein paar Dörfer, die uns mit ihren unverputzten Steinfassaden eher abweisend erscheinen, durchfahren wir und halten schließlich noch für einen Kaffee in Propriano, das am Meer liegt und einen schönen Yachthafen hat.

Weiter geht‘s… Nach Sonnenuntergang checken wir in unserem Hotel ein, von wo aus wir einen wunderbaren Blick auf die Bucht von Ajaccio haben, weil das Hotel etwas am Hang liegt. Kleine Enttäuschung: das Restaurant hat von Freitag bis Sonntag geschlossen, aber in der Nähe liegt das Steakhouse einer typisch französischen Kette (Courtepaille, seit 1961). Ein lustiger, munter zwischen Italienisch und Französisch wechselnder Kellner bedient, und wir essen zum ersten Mal seit Dubrovnik Fleisch im Restaurant – absolut grätenfrei.


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