Mittwoch, 20.12.2023: Rund um Bandol an der Côte d‘Azur

Dieses Mal klappt die Ausfahrt aus der Fähre wie am Schnürchen, und Tom steuert unser Auto souverän durch den Berufsverkehr. Bald danach liegt Toulon auch schon hinter uns; als wir ankommen, ist der Parkplatz in Sanary-sur-Mer noch fast leer, obwohl die vielen Marktstände schon aufgebaut und geöffnet sind. Die Ockers zu Marktbeginn auf dem Markt, ein Novum! Sonst müssen wir uns immer beeilen, noch vor dem großen Aufräum-Chaos einzutreffen. Bevor wir uns dem Markt zuwenden, gehen wir aber noch rasch zum Strand: Was für ein farbenprächter Sonnenaufgang! Wir tauchen ein in die Lichtspiele am Himmel…

Kleidung brauchen wir nicht und auch um die Lebensmittelstände schlagen wir geradezu einen Bogen, freuen uns aber insgeheim schon auf die verschiedenen Märkte und Markthallen in Montpellier, wo wir dann einkaufen ‚dürfen‘. Den ersten Kaffee des Tages gibt es in einem Café-Bistrot gleich neben den Ständen, in dem sich zwischendurch auch ein paar Händlerinnen aufwärmen und munter schnattern. Als Snob sage ich: Dieser Kaffee wärmt, fast denke ich ‚brown water‘ – na, das ist ja ein Absturz nach Italien…!

In Sanarys Hafenbecken liegen viele festlich beleuchtbare Segelboote – zu dieser Zeit natürlich ohne Lichterglanz. Am Abend sieht das sicher hübsch aus. Sanary war im Zweiten Weltkrieg ein Treffpunkt vom NS-Regime angefeindeter, verfemter, nur zum Teil jüdischer Schriftsteller. Lion Feuchtwanger, Bert Brecht, die ganze Familie Mann, Hermann Kesten, Egon Erwin Kisch, aber auch Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel, sie alle trafen sich hier in den Bars am Hafen und wohnten über den Ort verteilt. Im Tourismus-Büro gibt es einen Flyer, auf dem die ehemaligen Wohnorte, teils sehr schöne Villen, in einen Stadtplan eingetragen sind. Schade, die Namen der Flüchtlinge, die in der Ortsmitte wohnten, sagen uns wenig. Vom Werfel-Haus sieht man nur wenig, Thomas Manns Haus wird gerade renoviert und davor ist die Straße gesperrt. Ein ander Mal dann.

Auf der Weiterfahrt entdeckt Tom ein Straßenschild nach Port d‘Alon und wendet sogleich. Er sei hier oft gewesen, mit vielen Freunden, aber auch mit mir. Mein Gedächtnis ist gerade leer (Triumph für Tom!, eine Seltenheit) und ich streite glattweg ab, hier schon einmal gewesen zu sein. Aber er hat Recht, im Jahr 2004 haben wir in der Bucht mit unseren drei Kindern gebadet, um Pfingsten herum. Als er mir ein dort aufgenommenes Foto beschreibt, macht es auch bei mir Klick. Jetzt ist die Bucht verlassen; wir genießen die Geräusche des Meeres und den Blick auf die vom Wind zerrupften schiefen Pinien um uns herum und verzehren bescheidene Rest trockenen Brots vom Vortag. Aber so am Meer schmeckt auch ein schlichter Kanten Brot richtig gut!

Saint-Cyr-sur-Mer ist die nächste Station, auch wieder eine Erinnerung an früher für Tom, weil er als Student lieber hier war als auf der Bergkirchweih in Erlangen. Saint-Cyrs Boule-Platz unter Platanen ist absolut verlassen; ein bisschen mehr ist auf einem Weihnachtsmarkt los und einem schönen Dorfplatz in der Ortsmitte, mit einigen Lokalen. Auch eine Freiheitsstatue steht herum, eine Kopie der amerikanischen, wie man sie auch in Colmar oder Paris und noch ein paar Orten findet.

La Ciotat kennen wir beide aus früheren Zeiten, waren jeweils einzeln und mit den Kindern in dieser Werft-Stadt in der Nähe von Marseille. Die Stadt hat sich sehr verändert: die Werften gibt es immer noch, aber offenbar hat man sich auf Motoryachten spezialisiert; der Hafen ist mondäner geworden, die Gehwege sind neu gestaltet, viele Gebäude haben einen frischen Anstrich, manche Bruchbude ist abgerissen worden. Gut, zuletzt waren wir vor 15 Jahren mit Judith und ihrer Freundin Erika hier…

Zurück in Bandol machen wir noch einen Spaziergang am Meer, wollen eigentlich einen Aperitiv trinken, finden aber die Preise völlig übertrieben – nicht nur in den Bars, sondern auch in den zahlreichen Boutiquen. Unter Palmen treibt viel Weihnachtsdekoration ihr Unwesen, riesige Yachten dümpeln im Wasser. Leider ist das angestrebte Maison des Vins ‚ausnahmsweise‘ geschlossen (ohne Aktualisierung im Internet…), also können wir auch den ältesten AOC-Wein Frankreichs (1941!) nicht probieren. Zu unserem Pech hat dann auch noch der Sushi-Laden geschlossen, und so gibt es ein vorweihnachtlich-karges Mahl (ist nicht Fastenzeit?) mit ein paar Nudeln, Butter und Käse, die wir in unserem Apartment zubereiten. Bandol haben wir abgehakt, aber der restliche Tag hat uns gut gefallen.


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