Dienstag, 12.12.2023: am Monte Nieddu und in Padru

Heute ist es so mild und vollkommen windstill, dass wir draußen auf dem Balkon frühstücken – 12. Dezember, 18 Grad, um 10 Uhr morgens! Der Reiseführer empfiehlt eine Panoramastraße auf einen Berg im Hinterland von San Teodoro (auf Sardisch Diaduru – hat fast ein bisschen etwas Fränkisches, oder?), nämlich den Monte Nieddu. ‚Nieddu‘ bedeutet auf Sardisch ‚schwarz‘, denn der Berg ist von dunkelgrünem Wacholder, Erdbeerbäumen (mit Blüten und Früchten zur selben Zeit) und sonstigen Macchia-Gewächsen bewachsen und erscheint aus der Ferne sehr dunkel. Im 19. Jahrhundert waren dort auch viele Köhler zugange (wie in Mittelfranken… 🙂 …). In meiner Wahrnehmung handelt es sich weniger um einen einzelnen Berg als um ein Gebirge, allenfalls um einen Bergstock mit mehreren Gipfeln. Jedenfalls sieht der Monte Nieddu aus der Ferne sehr zerklüftet aus, mit viel Granit in verschiedenen Formationen.

Nach dem Durchfahren von Korkeichen-Wäldern/-Plantagen zweigt in Padru eine kleine Straße ab und schraubt sich hinauf auf fast 1000 Meter. Wildromantische Natur, eine Am Werktag verlassene wirkende Motocross-Strecke, Bergeseinsamkeit, vereinzelt ein Gehöft. Insgesamt bietet Sardinien sehr viel wilde, freie Natur; vor allem wohnen pro Quadratkilometer sehr viel weniger Menschen in Sardinien (ca. 70) als auf der fast gleich großen Insel Sizilien (knapp 200 EW/km2). Das erklärt auch, warum Sizilien im Vergleich zu Sardinien so zersiedelt erscheint.

Wir erreichen nach neun Kilometern den Endpunkt der Straße, wo das Wasser einer gefassten Quelle aus einem Messinghahn tröpfelt. Auf Hinweistafeln lesen wir von mehreren möglichen Wanderwegen und entscheiden uns für einen, den wir aber rasch wieder aufgeben, weil wir keine Machete im Rucksack mit uns führen (auch nicht als erfahrene Globetrotter!). Zwischen mannshoher Baumheide und kleinen, mittelgroßen und hohen Erdbeerbäumen (von denen es wohl besonders viele auf Sardinien gibt) lauern dornige Ausleger von wilden Rosen und verhaken sich in unserer Kleidung. Aussicht gibt es auch keine. Rückzug zum Auto.

Auf der Fahrt ins Tal erfreuen uns noch einige besonders schöne Granitformationen, bevor wir einen weiteren Wanderversuch starten. Hier gibt es nun auch einen wunderbaren Ausblick, aber leider endet der Weg an einer Vielzahl von Bienenkästen, wo es munter summt und brummt. Beim Nachlesen über Erdbeerbäume – weil ich Schleckermäulchen wissen wollte, ob man die schönen roten Früchte auch essen kann – war die Rede von ‚miele amaro‘, einem besonders bitteren, aber sehr teurem Honig aus eben der jetzigen Zeit im Jahr, wenn nämlich von Oktober bis Januar die Erdbeerbäume blühen und die Bienen dort ihren Arbeitseinsatz haben. Die Früchte selbst sollte man besser zu Konfitüre verarbeiten, weiß Wikipedia, sie schmecken mehlig – ja, stimmt, habe ich probiert, sie sehen besser aus als sie munden.

Der Ausblick von hier oben auf die Bucht vor Olbia ist sehr schön, auch die grüne, weite Kulturlandschaft am Fuß des Monte Niddu weitet das Herz. Weiter unten kommen wir an einem Weinberg vorbei, was mich auf die Idee bringt, nach einer Cantina in der Nähe im Internet zu suchen. Tom ändert die Route, und ein paar Minuten später steht unser Ford schon auf dem Parkplatz der Cantina Mandras. Hinter dem Gebäude treffen wir auf dem Besitzer, der uns gleich herzlich begrüßt, eigentlich geschlossen hat, aber öffnet, wenn sich jemand zu ihm verirrt. Er produziert etwa 8.000 Flaschen im Jahr, schneidet und erntet mit der Hand, hat ehrliche Preise (sagt er… und, ja, finden wir auch), alles fast biologisch. Sein Sohn ist auch schon mit von der Partie und somit ist die dritte Generation Winzer am Werk. Wir dürfen vier Weine probieren (zwei weiße, einen roten und einen, der wie ein alter Marsala schmeckt, aber leider aus ist). Die beiden großen Gewächse sind noch nicht auf Flaschen gezogen. Alle schmecken sehr fein und gefallen uns gut. Wir beschließen, ein paar Kartons nach Hause schicken zu lassen; er schenkt uns noch eine Flasche seines ‚mirto‘, einen Amaro aus den Früchten der Myrthe; ein kleines Fläschchen davon, haben wir vor ein paar Tagen im Supermarkt erstanden, um das Gebräu zu probieren: sehr fruchtig-säuerlich, ein bisschen wie polnischer Stonsdorfer, obwohl die Basis eine völlig andere ist. Der Winzer übernimmt sogar die halben Speditionskosten für die Weinsendung! Wir hoffen, in Deutschland noch mehr (Wein-)Freunde für eine Sammelbestellung gewinnen zu können: www.cantinamandras.it. Unsere Lieferung will er erst im Januar versenden, zusammen mit der Rechnung. Das war eine richtig schöne Begegnung und Entdeckung!

In Padru bewundern wir noch ein paar Murales, also Wandbilder, für die Sardinien bekannt ist. Hier üben sie nicht Kritik an der Politik, sondern stellen bäuerliches oder wenigstens ländliches Leben dar. Sehr hübsch! Um nüchtern zu werden, kippen wir noch einen kleinen Kaffee. Neben der „Blues“-Musikkneipe mit Blues-Brothers-Emblem, die nächsten Samstag wirklich live-Musik bietet, hat eine Metzgerei offen, so dass wir gleich noch für das übernächste Abendessen einkaufen. Heute gibt es mal wieder Pasta mit frischem Pistazien-Pesto… ebenso schlicht wie köstlich!


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