On the road again… Im Nu erreichen wir über schön geteerte, angenehme Straßen Sardara, ein Dorf mit einem Heiligen Brunnen aus nuraghischer Zeit, also am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit. Offenbar ist die Ortschaft heute wegen einer Thermalquelle bekannt, die aber gar nichts mit dem Heiligen Brunnen in der Kirche Sant‘Anastasia zu tun hat. Im linken Seitenschiff des romanischen Kirchleins führt von altersher ein Brunnenschacht in die Tiefe. Man konnte keinerlei Heilqualität nachweisen, er diente also mehr einer spirituellen Reinigung. In ganz Sardinien gibt es etwa 40 solcher Brunnen aus derselben Epoche, manche später in einen anderen Kontext eingebunden, wie uns ein sehr netter junger Mann in der Biglietteria erklärt, der später zugibt, Kulturanthropologe zu sein. Als solcher beschäftigt ihn auch die Abnahme der Sprecher*innen des Sardischen; er erklärt uns, dass er mit Familie und Freunden noch Sardisch spreche (eine Mischung aus Vulgärlatein und spanischen Elementen und was weiß ich noch allem – Sardinien wurde ja ständig erobert). Auch in der Grundschule versuche man heutzutage, die Kinder dazu zu ermutigen. Witzigerweise spreche er auch mit spanischen und katalanischen Tourist*innen lieber gleich auf Sardisch, weil die ab 40-Jährigen keine Englischkenntnisse hätten. Das Sardische verstünden alle Iberer gut. Man merkt, dass er für seine Interessen brennt, das ist schön.
Im ersten Stock der Biglietteria ist seit kurzem die Ausstellung eines Malers, Bildhauers und Fotografen aus dem Nachbarort. Sehr erfrischend und ideenreich, finden wir! Rund um die Kirche hat man auch noch die Grundmauern von Häusern ausgegraben, vermutlich eher aus dem Mittelalter. Auch eine Grabkammer nach dem Prinzip der auf dem Monte Sirai gesehenen gibt es in unmittelbarer Nähe der Kirche. In der Kirche selbst fasziniert mich die androgyne Gestalt einer Heiligenfigur auf dem Altar, die auch ungewöhnlicherweise in Rot gekleidet ist.
Wir gehen zum örtlichen Museo Archeologico, das versucht, die Entwicklung der Keramikherstellung anhand von Funden aus Gräbern mit Grabbeigaben zu demonstrieren. Das gelingt auch ganz gut, denn etliche Gräber sind nachgestellt, beinhalten aber die damaligen Tontöpfe und Amphoren und vor allem die originalen Schädel und Knochen. Siehe da, auch an Körpern der Menschen aus grauer Vorzeit lässt sich Arthrose an den Wirbeln nachweisen! Die Beleuchtung funktioniert über Bewegungsmelder, das Gebäude ist zweckmäßig, aber auch formschön gestaltet und präsentiert – als einziges auf ganz Sardinien! – auch einen Tastbereich für Sehbehinderte. Die Originale stehen in Vitrinen, die originalgetreuen Kopien darf man anfassen und es gibt dazu sogar Erläuterungen in Braille-Schrift! Übrigens macht das Ertasten der Verzierung eines Kruges aus nuraghischer Zeit auch mir Spaß. Tom geht mit einem interaktiven Tablet durch die Räume – für ihn auch ein Vergnügen, und dieses Mal ist der deutsche Text auch gut verständlich und korrekt vorgetragen…
Das nächste Zwischenziel ist ein Ort mit vielen Wandbildern. An der Staatsstraßenabfahrt regnet es aber so stark, dass wir beschließen, gleich zum nächsten Quartier zu fahren und die verbleibende Zeit bis Sonnenuntergang lieber noch für einen Spaziergang am Meer zu nutzen. Gesagt, getan: Der Schlüssel steckt, die Klimaanlage heizt, ein zusätzlicher Heizlüfter steht auch bereit. Leider habe ich bei der Auswahl der Wohnung wohl überlesen, dass es nur in der Rezeption WiFi gibt – irgendwas is‘ immer, aber das Apartment ist nippesfrei – Erleichterung…
Die Ferienanlage liegt – wie der Name sagt: Porto Ottiolu – an einem Hafen, in dem viele Boote liegen. Die Anlage sowie die Architektur täuschen vor, natürlich gewachsen zu sein; alles fake, aber doch ganz gelungen. Im Sommer muss hier allerdings drangvolle Enge herrschen. Wie zu erwarten, sind jetzt im Dezember alle Restaurants, Bars, Eisdielen, Metzger/Bäcker etc. geschlossen. In Budini, ein paar Kilometer südlich, scheint aber mehr los zu sein. Das verschieben wir aber auf morgen und machen es uns in der Wohnung im ersten Stock gemütlich.