Mittwoch, 29.11.23: in Palermo

Das Frühstück in unserem B&B entspricht wirklich den positiven Kommentaren im Internet, das Gepäck dürfen wir dort bis zum Nachmittag abstellen, und so stehen wir bald schon wieder vor der Kathedrale, wo man uns jetzt zu den berühmten Grabmalen von Roger II., Friedrich II. und zwei Mal Constanze durchlässt. Insgesamt sind es sechs Königsgräber, die Baldachine der älteren beiden mit Goldmosaik verziert, die jüngeren aus teurem Porphyr und mit Löwen gestaltet. Die Särge selbst wirken – bis auf die beiden antiken Sarkophage – eher plump und schlicht.

Auf der Suche nach der berühmten Krone Constanzes von Aragon geraten wir versehentlich ins Diözesanmuseum, wo es aber auch einige schöne Gemälde aus dem 14. Jahrhundert zu sehen gibt. Besonders beeindruckend – und bei uns schon beinahe Verärgerung auslösend – sind die Privaträume der damaligen Oberhirten, die einem weltlichen König in ihrer Pracht nur wenig nachstehen.

Die Krone ist in der Krypta ausgestellt und jene befindet sich natürlich unter der Kathedrale – wir staunen über Größe des unterirdischen Raums und die Anzahl der (antiken) Sarkophage und (frühchristlichen) Särge. Ganz am Ende führt eine Treppe nach oben, wo dann die wunderschöne Krone Constanzes aus dem 12. Jh. in einem Glaskasten präsentiert wird. Toll sieht sie aus, wie aus Goldfaden gestrickt und dann bestickt, mit wertvollen, riesigen Edelsteinen besetzt. Die teuren Ohrgehänge baumeln an der Seite, wie praktisch.

Nun ruft aber die Zeitgeschichte: Um 11.15 Uhr sollen wir uns am Justizpalast einfinden; der Publikumseingang ist an der Seite und wir müssen durch eine Schleuse wie am Flughafen. Zusammen mit einem italienischen Ehepaar dürfen wir an einer Führung für Schüler*innen teilnehmen, Oberstufe und mucksmäuschenstill, weil sie den Berichten unseres Führers über die Arbeit der beiden Mafia-Jäger, Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, so fasziniert lauschen. Wir stehen im damals – 80er-Jahre – technologisch modernst ausgestattetem Raum (Scanner, Mikrofilmleser, Computer, Terminal) – für heutige Verhältnisse fast Steinzeit… Im nächsten Zimmer steht der Schreibtisch Giovanni Falcones, darauf dicke Gebinde von handschriftlichen Papieren und die Anklageschrift des Maxi-Prozesses gegen die Mafia in 20 Bänden. Klar wird, dass es ohne den persönlichen großen Einsatz Falcones und Borsellinos die Schläge gegen die Cosa Nostra in Sizilien nicht gegeben hätte. Welch ein Fleiß, welch eine Ausdauer, welch ein Mut! Ein weiteres Zimmer beherbergt ein Archiv, und schließlich folgt noch das Arbeitszimmer Paolo Borsellinos. Alle genannten Räume befinden sich im sog. Buncherino, einem weit abgelegenen und gut zu schützendem Trakt des Justizpalasts. Viele Aufnahmen des berühmten Duos hängen an den Wänden, Plakate zu einem Musical über die beiden bzw. zu Theateraufführungen, ihre Statuen in Bronze sind auch ausgestellt. Eine interessante Gedenkstätte, durch die bis vor einem Jahr noch ein Zeitzeuge führte, der von den beiden respektvoll nur als ‚Dottore Falcone‘ bzw. ‚Dottore Borsellino‘ sprach. Beider Ermordung in kurzem Abstand durch Autobomben hat in Italien ein kollektives Trauma ausgelöst, ähnlich dem Effekt der RAF-Morde in Deutschland. Überall finden sich Falcone-Denkmäler, gibt es eine Via Borsellino.

Das Anti-Mafia-Memorial an der Via Roma sehen wir uns auch noch an. Der interessanteste Teil ist der Historie gewidmet, dem Banditentum auf Sizilien, aus dem sich später die Cosa Nostra mühelos entwickeln konnte. Ein paar Filme, z.B. über die Beerdigung Falcones, laufen in Dauerschleife, sonst gibt es viele Fotos. Das Memorial verdankt seine Entstehung einer privaten Initiative und das merkt man auch an der dürftigen und wenig didaktisierten Ausstellung.

Von dort sind es nur ein paar Schritte zu einem ehemaligen Kloster, in dem nach überlieferten Rezepten Leckereien aus Schokolade, Mandeln, Orangen, Zitronen und Pistazien hergestellt werden, Kalorienbomben samt und sonders. Wir nehmen – furchtlos wie wir sind – ein bisschen Gebäck in einem Schächtelchen mit nach Aspra. Unsere Reisetasche vergessen wir auch nicht und sitzen bald mit vielen Pendler*innen im richtigen Zug zurück nach Bagheria, wo unser Auto geduldig am Bahnhof wartet…


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