Freitag, 17.11.2023: im Tal der Tempel in Agrigent

Tom hat viel Rechercheehrgeiz in die Suche nach der richtigen Buslinie zum Tal der Tempel gesteckt, wir kennen sogar schon die Haltestelle, nur… der Bus fährt, wann er will, aber immerhin irgendwann. Er hält nach ein paar Kilometern auch an der gewünschten Haltestelle, „Herkules-Tempel“ . Wir sehen den Tempel bereits, aaaber… hier ist kein Eingang. Von anderen diskutierenden Menschen hören wir, dass der Eingang wohl 300 Meter tiefer an der befahrenen Straße liegt, sehen aber keinen Weg für Fußgänger. Ich spitze weiter meine Ohren und höre, dass der Besitzer des Andenkenladens (den gibt es nämlich genau hier an dieser Haltestelle) einem Ehepaar anbietet, ein Taxi per Telefon zu bestellen. Flugs pirsche ich mich an und frage, ob wir mitfahren können. Ja, gerne, natürlich bei geteiltem Preis – klar. Die anderen zwei kommen aus dem Trentino, aus Ala; ach so, den Ortsnamen kennen wir von einer Autobahnausfahrt in Gardasee-Nähe.

Der große Vorteil des Taxis: Wir steigen am höchsten Punkt im sog. Tal, wissenschaftlich: Hügel der Tempel, aus und müssen dann nur ständig nach unten wandern, etwa zweieinhalb Kilometer. Die Sicht in Richtung Meer ist sehr gut, auch das alte und neue Agrigento ist gut zu sehen. Wir erfreuen uns am ersten Tempel, der (relativ grundlos) Hera zugeschrieben wird. Ist uns eigentlich egal: Etwaige besondere Funde sind ohnehin im Museum oder später anderweitig verbaut, aber die dorischen Säulen, in den 50er-Jahren wieder aufgerichtet, sehen beeindruckend und harmonisch aus. Leider musste man den Säulen vor ein paar Jahren einen farblich nicht überzeugenden Schutzanstrich verpassen, weil sie aus empfindlichen Kalkstein (und nicht aus Marmor oder Granit) gefertigt sind.

Von hier zum nächsten Tempel wandelt man zwischen Olivenbäumen entlang der hellenistischen Stadtmauer, in deren Nischen sich wiederum frühchristliche Grablegen befinden. Um den Besuchern den Weg angenehmer zu machen, lässt man ein paar Ziegen etwas unterhalb der Straße auf einer Wiese grasen, nämlich eine gerettete, autochthone Art mit langem Ziegenbart und stark gedrehten Hörnern, die ein bisschen eigenartig und zu schwer für den Kopf aussehen.

Beeindruckend ist auch der nächste Tempel, mit ‚Concordia‘ bezeichnet. Vor ihm liegt die Statue eines gefallenen Bronze-Engels im Sand, deren Sinn sich mir nicht erschließt, aber ein interessantes Motiv abgibt. Vom dritten Tempel sind nur einige Säulen aufgerichtet, der Rest liegt als chaotischer Steinhaufen zu seinen Füßen.

Durch einen friedvollen Garten schreiten wir – alleine – auf die sog. Villa Aurea zu, wohl im Besitz eines Schweizers, der dort auch Teile seiner durchaus kostbaren Privatsammlung aus der Renaissance gratis zeigt – tatsächlich gibt es noch echte Mäzene! Der letzte Teil des Geländes spricht uns weniger an: Tempelgrundsteine aus einer späteren Periode und weitere Grundrisse, die wir mehr oder weniger nur aus dem Augenwinkel wahrnehmen.

An der Bushaltestelle (einer anderen als am Morgen) angekommen, erkenne ich das französische Paar, das am Vorabend mit uns zufällig in derselben Bar war. Ich spreche sie an, ja, auch ihnen waren wir bekannt vorgekommen. Sie leben seit kurzem in der Provence – wir kennen den Ort und erzählen unsererseits von unseren Reiseplänen. Vor Palermo und den dortigen flinken Taschendieben warnen sie uns eindringlich: Ihr ist die kleine Rucksackhandtasche geöffnet worden, und die Carte Bleue ist weg… Jetzt greife ich vor: Später am Tag sehen wir die beiden wieder in ‚unserer‘ Bar sitzen – allgemeine Wiedersehensfreude; zusätzlich sind sie froh, ein bisschen jammern zu können, wie schlecht sie mittags gegessen hätten. Im weiteren Gespräch stellt sich heraus, dass sie fünf Kinder und sieben Enkel haben und im Geschäft des Sohnes am neuen Wohnort besonders jetzt vor Weihnachten mitarbeiten müssten. Tom merkt sich die Adresse des Sohnes – er ist ‚caviste‘, also Weinhändler – und vielleicht fahren wir in vor Weihnachten noch bei Christine und Angelo vorbei.

Auch wir gehen heute ins Ristorante – ‚Concordia‘, wie der Tempel – und essen mal wieder viel leckeren Fisch und Meeresfrüchte; zum Glück überhaupt kein Reinfall, wird aber auch von den Reiseführern Lonely Planet und Michael Müller empfohlen.

Das nächste Highlight wartet schon: Im Teatro della Posta Vecchia hören wir – auf ungepolsterten Stühlen, mitten im italienischen, begeistert singenden Publikum sitzend – den gecoverten Songs einer gut eingespielten (Rentner-)Band (mit Gitarren, Keyboard, Mundharmonika und Schlagzeug) zu. Außer Domenico Modugno und Lucio Dalla kennen wir keinen Namen der Cantautore (also selbst dichtenden und mit Instrument interpretierenden Sänger). Übrigens hatten die fünf Männer kein einziges Lied einer weiblichen Sängerin dabei! Weil wir morgen wieder das Quartier wechseln, schleichen wir uns vor dem Ende des Konzerts aus dem Saal.


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