Um 12 Uhr spielt die Kirche gegenüber unseres Hotels – wie viele andere sizilianische Kirchen – eine bestimmte Melodie; es scheint sich um ein Kirchenlied zu handeln, immer in zwei Strophen. Tom hat inzwischen herausgefunden, dass der ideale Zug von Siracusa nach Catania um 14.15 Uhr abfährt; die einfache Fahrt kostet um die 8 Euro. Über die App von Trenitalia bucht er online. Ziel ist, noch vor dem Konzert im Teatro Massimo Bellini den vorgestern wegen Mittagspause geschlossenen Dom aufzusuchen; dort befindet sich auch das Grab Bellinis, einem Sohn der Stadt Catania, der mit nur 34 Jahren starb und bei uns hauptsächlich durch die Arien der Callas bekannt wurde. Ich jedenfalls habe noch nie eine Oper von Bellini in Gänze gehört, werde das aber (armer Tom…!) in Palermo nachholen…
Wie angepeilt, läuft es auch ab: Ein pünktlicher Zug, viel freier Blick auf den Ätna und – weniger schön – auf die Raffinerien von Augusta, ein Gelato am Theaterplatz, den Dom von innen besichtigen (Bellini-Grab, Santa-Agata-Kapelle (vgl. Gallipoli), antike Säulen verbaut, die Sonne wie ein erlöschender Scheinwerfer auf die barocke Domfassade und die Kuppel gerichtet), wieder zum Theater gehen, Einlass gegen 17 Uhr.
Wir klettern über viele Treppenstufen nach ganz oben – auf Französisch nennt man diese Plätze ‚die Hühnerleiter‘. Aber das macht nichts: Wir haben einerseits den Blick in die weite Kuppel, andererseits sehen wir auch sehr gut nach unten aufs Orchester, zumindest auf zwei Drittel der Musiker. Immerhin reicht die Sicht, um die Schlagwerker in Gershwins „Kubanischer Ouvertüre“ zu zählen: Es sind neun Musiker*innen! Auch die schlanken, flinken Finger des gut aussehenden sizilianischen Pianisten aus Ragusa können wir gut erkennen. Dass danach eine Uraufführung folgt, hatten wir glatt überlesen – gut, dass sich der Komponist auch auf der Bühne verbeugt. Höhepunkt ist aber sicher – zumindest für mich – Gershwins „Concerto in F“. Hier reißt auch der Pianist das Orchester rhythmisch mit. Der „Amerikaner in Paris“ wirkt dagegen etwas ungelenk, birgt aber auch kompositorisch nach meinem Geschmack zu viele Wiederholungen. Dennoch verlassen wir das Konzert beglückt.
Im Gegensatz zum deutschen Konzertpublikum stehen die Italiener*innen noch lange in großen Trauben vor dem immer noch schön beleuchtetem Theater und tauschen sich lautstark aus. Ob über die Musik oder darüber, in welches Ristorante man nun gehen könnte, hören wir nicht. Wir haben nämlich festgestellt, dass der geplante Zug offenbar am Sonntag nicht fährt, haben aber insofern ein Riesendusel gehabt, weil der eigentlich für genau diesen Sonntag geplante Generalstreik von Trenitalia – von dem wir nicht den Schimmer einer Ahnung hatten – um eine Woche verschoben worden ist. Ich habe den Streiktermin sofort im Kalender notiert – man weiß ja nie… Um 21.15 Uhr erreichen wir wieder Syrakus und kurz darauf unser Hotel.