Montag, 13.11.2023: Fahrt nach Palazzolo Acreide, Ragusa und Noto

Über die Schnellstraße gelangen wir rasch nach Palazzolo Acreide, dessen archäologischer Bezirk gut erhalten ist und etwas außerhalb liegt. Es werden gerade neue, beleuchtete Gehwege durch die Ruinen angelegt, weshalb die Eingangssituation etwas unübersichtlich ist: Wir sind schon drin und werden zurückgepfiffen, sollen einen anderen Eingang nehmen und bezahlen. Gut. Am anderen Eingang erklärt man uns, dass das Ticket weniger als angegeben kostet, weil der Umbau läuft und man nicht alles besichtigen kann; mit Toms Ausweis bekommen wir dann zwar ein Ticket, aber mit einem fett gedruckten GRATIS. Wenigstens hat nun alles seine Ordnung! (Tom lacht sich kaputt…)

Das Theater bot etwa 700 Zuschauern Platz und wurde zunächst von den Griechen, dann den Römern und schließlich den Byzantinern genutzt. Die Sitzreihen sind noch gut erhalten, wohingegen die Szena (= Bühne) sehr löchrig ist – in diesem Zustand kann man sie heutzutage nicht bespielen. Außen herum gibt es noch andere Ruinen, z.B. einen Versammlungsraum für die Regierung. Ansonsten wirkt das Theater auch durch seine schöne, in die Landschaft eingepasste Lage. Der Ätna-Blick ist aber leider durch hohe Schirmpinien verstellt.

Apropos Ätna. Er spuckt seit zwei Tagen wieder Lava, Gestein und magmatische Gase; die Eruptionssäule war etwa 4,5 Kilometer hoch (bei einer Höhe des Ätnas von 3,3 km). Ascheregen ging auch auf die Orte herunter, durch die wir am 6.11. bei unserem Ausflug zum Ätna gefahren waren. Der Flughafen von Catania ist weiterhin offen. Wir sehen von Siracusa aus weder Feuer noch Lava noch Wolke – und sind auch gar nicht sicher, ob wir es wirklich sehen wollen würden. Ja, schon spannend… aber halt auch gefährlich, zumal große Ausbrüche oft auch von Erdbeben begleitet sind. Der Ätna ist zu weit weg von Siracusa, um die Lava leuchten zu sehen, aber es gibt live-cam-Aufnahmen, die durchaus beeindruckend sind. Danke, dass sich so viele um uns kümmern und besorgt nachfragen…!

Den Domeingang erreicht man über eine lange und eher schmale Treppe, während die stattliche Freitreppe direkt unterhalb des Doms wohl eher nur an Feiertagen genützt wird. Hier gedenkt man an speziellen Tagen mit Prozessionen des Kirchenpatrons San Giorgio; im Kircheninneren steht hinter Glasfenstern die große Figur des Hl. Georg, die über eine spezielle Hilfskonstruktion für die Prozession herunterbefördert wird, wozu 20 bis 30 Männer nötig sind. Gegenüber ist – in ebenfalls luftiger Höhe – Platz für einen versilberten Reliquienschrein mit je einer Figur an jeder Ecke, die für die (damals schon bekannten) vier Kontinente steht. Wir haben Glück: Dieser Schrein steht wegen Restaurierungsarbeiten unten, so dass wir ihn bewundern können. Ein selbst ernannter Kirchenerklärer drängt sich uns nun auf, ist voller Begeisterung für seine Kirche und von noch mehr Zuneigung für seinen Kirchenpatron ergriffen, erläutert die Kirchenfenster, die Orgel, hat den Euro passend für die Zeitschaltuhr der Beleuchtung und lässt uns in die Sakristei, mit verzierter und bemalter Barockdecke und weiterer Georg-Skulptur, dieses Mal in Marmor und aus einer anderen Kirche stammend. Ich nehme seine Erklärungen als Italienisch-Übung und Hörverstehen, dass dadurch erschwert wird, dass er statt ‚chiesa‘ immer ‚church‘ sagt und etliches in lokalen Varianten ausspricht (z.B. [franscheschco statt frantschesko]. Wir zahlen einen Obolus, werden aber dennoch unseren Führer nicht los: Er begleitet uns auch noch ein Stück zu einem Panorama-Blick, und wir zweifeln schon daran, ob er uns jemals wieder verlässt, aber schwupps, das Mittagessen ruft wohl und es sind der Stufen (zu) viele. Weg isser… und wir genießen still den Blick auf die Ober- und die Neustadt. Am schönsten von den drei Ortsteilen ist Ibla, und unterhalb des Doms lockt ein Café. Endlich gibt es ein sizilianisches Cassata, das allerdings so süß ist, dass ich nachher das Gefühl eines verklebten Magens habe.

Wir beschließen, Mòdica, eine weitere Barockstadt im Val de Noto, auszulassen und fahren gleich nach Noto. Die richtige Entscheidung, denn so sehen wir den Dom und andere barocke Paläste und Kirchen gerade noch im Sonnenlicht. Innen ist der Dom eher enttäuschend – unser Reiseführer hat Recht: Es ist ein ziemlicher Unterschied zwischen dem italienischen und dem deutschen Barock, der einem anderen Lebensgefühl, meint er, entspringe: in Italien sei alles der Bewegung unterzuordnen, weshalb die Innenausstattung nicht so wichtig sei. Wie auch immer, die Fassaden finde ich jedes Mal interessanter als das Kircheninnere.

Gegenüber dem Dom befindet sich das Rathaus, das sich mehr an Frankreich orientiert und neben einer Terrasse mit Blick auf Notos barocke Welt auch einen leicht angeberischen Spiegelsaal für Events, Vorträge und Konzerte aufweist. Das Ticket schließt auch noch den Besuch des Theaters von 1860 ein, das einer damals sehr berühmten Sopranistin, Tina di Lorenzo, gewidmet ist. Ein nettes Theaterchen mit ca. 600 Plätzen und immerhin einem Spielplan mit eigener Truppe – wer hätte das vermutet! Sogar an die Jugend ist gedacht.

Mittlerweile ist die Straßenbeleuchtung angestellt, und alles wirkt wie eine Theaterkulisse. Wir gehen noch bis zum Herkules-Brunnen und dann zurück zu einem möblierten Stadtpalast riesigen Ausmaßes, den der Letzte seines Geschlechts wohl der Stadt Noto vermacht hat. Neben einem Musikzimmer mit mehreren Instrumenten gibt es auch einen recht geräumigen Ballsaal mit Blumentapete, Fresko und Lüstern, in dem offenbar ab und zu Konzerte stattfinden. Wir sind die einzigen Besucher und genießen das noble Ambiente mit Blick auf die nächtliche Stadtszenerie.

Über die Schnellstraße erreichen wir Siracusa nach etwa 45 Minuten und sind immer noch so pappsatt, dass wir nur ein bisschen Apfel zum Käse knabbern.


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