Mittwoch, 8.11.2023: in Taormina

Wir nehmen den Bus von Giardini Naxos nach Taormina, der erst am Lungomare entlang fährt und sich dann über mehrere Kehren nach oben windet.

Treffpunkt für den Cannoli-Kurs ist die Porta Messina, günstig zum Bus-Terminal gelegen. Wir erkennen sofort noch einige weitere wartende Deutsche, die aber an einem Kochkurs mit vorausgehendem Marktbesuch teilnehmen; zu uns gesellt sich noch ein sehr sympathischer Radiologe aus Schweden. Maurizio, Pizza- und Cannoli-Bäcker, ist unser Kursleiter und erzählt, dass in der Hochsaison oft 15 Leute diesen Kurs buchen, aber jetzt im Winter sei alles ‚relax‘ und außerdem werde das Restaurant am kommenden Montag für zwei Monate schließen. Nach täglichen Arbeitszeiten von 10 bis 14 Stunden in den anderen zehn Monaten freue er sich schon sehr auf diese Zeit der Ruhe.

Auf mehreren Tischen stehen schon die benötigten Utensilien (im Sinne der TV-Köche: „Da hab ich mal was vorbereitet…“): nichts Spektakuläres, aber halt die abgewogenen Mengen an Zucker, Eiern, Mehl, Rotwein (!) usw., die es für den Teig braucht. Wir arbeiten mit den Händen und sollen kneten und falten und kneten und falten und… Er führt uns dann noch sein Knet- und Falttempo vor: wie eine Maschine – unglaublich! In der Hochsaison fabriziert er täglich 200 bis 300 Cannoli, während die sizilianische Hausfrau die Cannoli früher immer nur an Ostern zubereitete. Ständig wird die Konsistenz geprüft; mal ist der Teig zu nass (zu viel Rotwein), mal zu trocken – irgendwann bekommen wir grünes Licht zum Auswalzen. Ziel: Der Teig muss so dünn sein, dass das Muster des Tisches durchscheint!! So, das ist auch nach einer Weile geschafft; nun sticht man mit runden oder eckigen Metallformen Teigstücke aus (das kennen wir von den deutschen Weihnachtsplätzchen, kein Problem!). Danach drapiert man das Teigrondell oder -quadrat um einen Metallstab mit Schlitz und verschließt den Teig mit Eiweiß. Fünf Cannoli auf einmal ins 150 Grad heiße Sonnenblumenöl werfen, umrühren (wichtig!), wieder auffischen und auf der Schaumkelle ausbacken. Herausfischen und etwas abkühlen lassen. Jetzt kommt der Schlitz in der Metallrolle ins Spiel: An beiden Seiten das Metall etwas zusammendrücken, dann das Gebäck festhalten und mit der anderen Hand den Stab vorsichtig herausziehen. Molto difficile! Fürs erste Mal produzieren wir aber gar nicht so viel Bruch…

Ich habe gar nicht erwähnt, dass wir längst auch zwei Füllungen zubereitet haben, die schon im Kühlschrank ruhen: einen ‚custard‘ (ich würde sagen: crème pâtissière) und eine Ricotta-Füllung (Kuh! Maurizio rät energisch von Schaf oder Ziege ab) mit etwas gehackten Pistazien und Schokosplittern. Beide Massen kommen nun in getrennte Spritztüten; wichtig ist, dass der Cannolo nicht ganz gefüllt wird, sondern praktisch nur ein Tupfer auf jede Seite gespritzt wird. Anschließend drückt man das eine gefüllte Ende in gehackte Pistazien, das andere in die Schokosplitter und richtet sie auf einem Teller an. Nach gut eineinhalb Stunden dürfen wir sie uns im Restaurant schmecken lassen und bekommen die stattliche Anzahl übriger Cannoli (mehr als vier hintereinander schafft man auf keinen Fall!) auch noch eingepackt. Tom und ich sind uns einig, dass wir das ohne Anleitung NIE hingekriegt hätten. Die wichtigste Eigenschaft des Cannoli-Bäckers ist allerdings…. GEDULD! Es dauert einfach lange – da beißt die Maus keinen Faden ab!

Taormina ist recht malerisch, aber auch sehr touristisch, wenngleich zu diesem Zeitpunkt im Jahr nicht überlaufen. Im Erdgeschoss einstiger Palazzi sind (Edel-)Boutiquen, Pasticcerien, Souvenirläden und Restaurants untergebracht, so dass man den Charme der alten Palazzi erst wahrnimmt, wenn man den Blick anhebt. Hier ein üppig verzierter Balkon, dort eine verspielte schmiedeeiserne Lampe; links arabische Zinnen, rechts eine Heiligenfigur in einer Nische. Etwa in der Mitte des Corso weitet sich die Straße zum Platz und es öffnet sich ein toller Blick auf die Küste bis Giardini Naxos und weiter. Der Ätna hüllt sich allerdings heute in Wolken.

Fast am Ende des Corso stoßen wir auf die Piazza del duomo mit einem hübschen Brunnen und einem Tauben fütterndem alten Mann – als ich Kind war, musste ich meiner Mutter zuliebe Tauben auf dem Markusplatz in Venedig füttern, fürs Foto. Damals dachte man sich nichts dabei (außer, dass ich Tauben noch nie mochte). Aber heute weiß man ja, wie viel Dreck und Schäden sie verursachen…, befremdlich. Klar ist, der Mann möchte als Fotomotiv Geld verdienen.

Im antiken (griechisch-römischen) Theater gönnen wir uns auf den mit Holz belegten Stufen eine kleine Ruhepause und strecken uns aus. Natürlich haben wir die obligatorischen Bilder der Theaterrückwand mit Durchblick zum Ätna (nur heute nicht, weil in Wolken gehüllt) schon aufgenommen. Und was Goethe seinerzeit zum Theater meinte, lesen wir noch nach, versprochen… Eine kleine Präsentation mit Computeranimation hilft unserer Vorstellungskraft auf die Sprünge. In den besten Zeiten bot das Theater 10.000 Zuschauern Platz!

Im Ristorante „Porta Messina“, wo unser Cannoli-Kurs stattfand, hat es bei unserem Aufbruch schon so vielversprechend nach Pizza geduftet, dass wir beschließen, dort einzukehren. Der Kellner grinst uns an, aha, wiedererkannt. Der Duft hat nicht zu viel versprochen…! Derart gestärkt nehmen wir wieder den Bus zurück nach Giardini Naxos und sind froh, nicht das viel teurere und vollere Taormina als Domizil gewählt zu haben.


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