Samstag, 4.11.2023: in Pentedattilo

In der Nacht hat es etwas geregnet, aber sonst war es ruhig. Am morgen schauen wir auf den Ätna: er hat sich eine weiße Kappe aufgesetzt…

Ziemlich bald nach dem Frühstück brechen wir zu einem Spaziergang auf. Etwas unterhalb der Kirche zweigt ein Weg ab, den Tom gestern auch schon gegangen ist. Kaktusfeigen liegen in großer Anzahl auf dem Boden, aber noch mehr hängen an den Opuntien – in schönem rot-gelben Kontrast zum Grün der Blätter und dem Blau des Himmels.

Und es gibt verwegene Zeitgenossen, die höher hinaufstreben als wir…

Alles Verhangene von gestern hat der starke nächtliche Wind weggeblasen, der Regen hat die Blätter von Staub gereinigt. (Das ist aber auch schon alles, was wir von dem toskanischen Sturmtief hier spüren.) Viele Ruinen stehen hier herum, an einer schlägt ein Fenster – lost place, möchte man sagen. Doch dann stehen wir auf einmal vor einer adretten Villa mit schönem Garten, Pizza-Ofen, Terrasse und Olivenhecke (sic). Es wird doch auch immer mal wieder gebaut, allen Erdbebenwarnungen zum Trotz. Eine Ecke weiter sehen wir ins nächste Tal, wo sich in der Ferne ein ganzes Dorf an einen Südhang kuschelt. Bei uns pfeíft der Wind allerdings gehörig. Tolle Landschaft: Weite, Höhe, gerippte Berghänge, dazwischen terrassiertes Gelände mit Pflanzungen, zum Teil wüstenartig, wo es etwas Wasser gibt, aber auch gleich wieder Oliven- und Orangenhaine. Insgesamt erinnert uns die karge Landschaft an Chile, wo sich Beige-Braun und Grün auch immer rasch abwechselten.

Zurück im Dorf versuchen wir, wenigstens noch ein bisschen Geld da zu lassen. Vier Postkarten, eine Seife, die nach Bergamotte duftet, hölzerne Ohrringe – mehr finden wir nicht. Dafür ist aber der Blick auf einen antiken Aschenbecher gratis… Ob der ursprünglich darin wohnende Kaktus das wohl mag?

Wir suchen noch Rosella auf, die zwei Etagen tiefer als wir zuhause ist und eine ‚cucina locandiera‘ anbietet. Ja, sie kocht gerne für uns, so um sieben, halb acht können wir zu ihr hinunterkommen. Wir sind gespannt – und werden nicht enttäuscht: Rosella, Produzentin, Köchin und Chefin, ist auf dem Weg zur Selbstversorgerin und kocht nur mit bester Bio-Ware. Außer uns isst noch ein italienisches Paar aus Trappano auf Sizilien mit zwei Mädchen mit, die drei Tage Trekking im Aspromonte hinter sich haben (‚cammino del brigante‘). Sie ist auf Sizilien geboren, er stammt aus Bergamo – zwei ganz verschiedene Mentalitäten stießen da aufeinander, beteuern sie einstimmig. Die Mädchen sprechen ganz gut Englisch. Später gesellt sich noch jemand aus dem Dorf dazu, der gleich noch eine Flasche Amaro mitbringt. Es gibt eine köstliche Vorspeisenplatte mit selbst geschnitzten Ofen- Kartoffeln, gegrilltes, aber auch frittiertes Gemüse bzw. Provolone im Kichererbsenteig, dann noch eine Pasta mit Pesto – alles aus dem eigenen Garten. Schön, dass wir auch wegen des gemeinsamen Essens und beim Amaro so viel mit den Italienern sprechen konnten: uns bewegen dieselben Probleme (Klimawandel, Arbeitslosigkeit, Drogen), aber auch Freuden (Reisen in alle Welt, die erste Maß in Bayern, dazu Weißwürste – ein spezielles Erlebnis für einen Italiener – bzw. Kalabrien zu entdecken – auch die Sizilianer sind zum ersten Mal da, aber sie wohnen schließlich auch westlich von Palermo).

Am letzten Abend hier grüßt uns noch einmal der Ätna mit seiner Doppelspitze im Abendrot.


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