Mittwoch, 1.11.2023: von Cosenza über Pizzo und Tropea nach Pentedattilo

Tom muss immer noch auch meine Siebensachen packen, weil ich mich nur unter Schmerzen bücken kann. Dennoch sind wir rasch auf der Autobahn. Ob die berühmten Eisdielen von Pizzo, wo der Tartufo, ein Eispaket mit weichem, soßigem ‚Kern‘, erfunden wurde, wohl an Allerheiligen geöffnet sind? Die Autobahn jedenfalls ist fast leer; um so mehr überrascht der Verkehr in Pizzo, wo wir uns gefühlt den vorletzten Parkplatz schnappen. Kleiner Aufstieg zur Piazza della Repubblica, die wir schon seit einem Dokumentarfilm ‚kennen‘: ein weiter Platz mit ‚Balkon zum Meer‘. Genau dort findet ein Markt statt und hinter lauter Ständen – besonderes Gebäck, Grablichter, Kunstblumen und – was uns am stärksten beeindruckt – Weihnachtskrippen in einem praktischen Koffer zum Aufklappen, weswegen alle Figuren und weitere Staffage angeklebt sind – müssen wir erst die Eisdiele der Wahl, „Ercole“, finden, die in dritter Generation eisige Desserts herstellt.

Kaum sitzen wir, steht auch schon ein Tartufo classico für Tom und einer mit Pistazie außen und innen für mich auf dem Tisch. Eine Kalorienbombe, die mindestens ein Mahlzeit ersetzt, aber ein Hochgenuss! Wir gucken noch vom Felsplateau hinunter aufs Meer und überqueren den Platz durch den Keramikmarkt. Dieses Mal durfte Frau schauen, muss aber Mann Recht geben: Wir brauchen nichts davon (und was schön wäre, ist zu groß und zu schwer…).

Auf nach Tropea, dessen bekanntestes Lebensmittel, nämlich die roten Cipolle di Tropea sind, die wirklich sehr mild schmecken, kaum Mundgeruch auslösen und die wir schon aus dem Laden unseres Rednitzhembacher Italieners kennen. Kleiner Halt am Strand vor Tropea, weil ich mich an Claudias Fotos erinnere: Tropea thront hoch oben über dem Meer, der Stadtstrand liegt unten am Felsen. In der Ferne ist der Vulkan Stromboli schemenhaft zu erkennen, auf den Äolischen Inseln.

Tropea selbst weist viele – mehr oder weniger gut – renovierte Palazzi auf, von denen wir nur einige im Vorüberspazieren sehen. Im Sommer eine Tourismus-Hochburg wirkt der Ort heute am Feiertag ziemlich leer und ruhig. Ja, die Lage ist schön, die Altstadt aber nichts Besonderes, und alle Läden, die normalerweise Zwiebeln verkaufen, sind geschlossen.

Die Küste – la costa degli dei, die Götterküste – zählt zu den schönsten Italiens. Hm, liegt es am heute wetterbedingten nicht türkisblauem Meer oder an der Zersiedelung des Hinterlandes? Oder müsste man an ihr auf einem Motorboot vorbeigondeln oder mindestens zum Stromboli übersetzen? Oder meldet sich mein Rücken zu viel wegen der vielen Schlaglöcher in den Straßen? Keine Ahnung, jedenfalls finden wir beide, dass Italien auch andere schöne(re) Küsten aufweist. Nichtsdestotrotz fahren wir noch zum Belvedere am Capo Vaticano, wo es auch ein Gartenlokal mit Espresso und Reiseprospekt-Ausblick auf die tief unter uns liegenden Buchten gibt.

Danach erreichen wir über gewundene Straßen, erst noch entlang der Küste, die Autobahn Salerno-Reggio Calabria und erhalten von dort aus die Möglichkeit zu einem ersten Blick auf Messina und Sizilien. Um Reggio herum ist alles ein ziemlich hässlicher Siedlungsbrei. Weil wir eine Unterkunft sieben Kilometer im Landesinneren vor fünf hoch aufragenden ‚Fingern‘ aus Felsgestein gebucht haben, kaufen wir noch ein paar Lebensmittel ein, bevor der Rückzug auf die Höhe beginnt. Den Vermieter erreichen wir telefonisch nicht, einen Wegweiser sehen wir aber zu den mietbaren ‚case rurale‘, den ländlichen Häusern, und so steigen wir zunächst ohne Gepäck Richtung altes Dorf auf, das gerne auch als Geisterstadt firmiert. Wir fragen uns durch; als wir fast am Zielobjekt sind, taucht der Vermieter auf und erklärt sich nach einem Wortschwall und ein bisschen Hin und Her auch bereit, unser Gepäck mit seinem Panda zu holen. (Erstens ist die Straße gesperrt, was aber hier nicht viel zu sagen hat, zweitens, schon eher misslich, unser Ford S-Max zu lang für ein bis zwei Spitzkehren.) Davon war NICHTS, ‚nulla‘ , in der Beschreibung gestanden… Insgesamt ähnelt unser Häuschen innen einer spärlich möblierten Berghütte. Die Miete müssen wir wohl als kulturellen Beitrag für die Erhaltung des Geisterdorfs sehen, um uns nicht zu ärgern. Ob das laute Glockenspiel (vom Band, per Lautsprecher) die ganze Nacht laufen wird? Erleichtert stellen wir fest, dass nach den Klängen um 20 Uhr Schluss ist. Erst am nächsten Morgen um 8 Uhr wird es wieder weitergehen…


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