Dienstag, 31.10.2023: in Cosenza

Tom besorgt im Supermarkt netterweise Panini und Milch fürs Frühstück, damit ich eine gute Grundlage für die diversen Schmerzmittel habe. Ich steige nun doch auf die von Roswitha empfohlene, ‚schwedische‘ Kombination von Ibuprofen mit Paracetamol um, die wir hier in Italien rezeptfrei und preiswert bekommen. Mal sehen, wie die Wirkung ist.

In der Nähe des ehemaligen Bahnhofs von Cosenza – heute Umweltstation – liegt das Kloster San Domenico, in dem eine moderne Kunstsammlung zu bewundern sein soll. Durch den stimmungsvollen Kreuzgang gelangen wir zu einer Treppe in den ersten Stock – niente. Im zweiten Stock stoßen wir auf zwei Menschen, die gerade eine Ausstellung abbauen, die genau gestern zu Ende ging. Sie beraten uns ungefragt darüber, was wir stattdessen ansehen sollen. Wir nicken freudig und dankbar, auch wenn wir das alles längst auf dem Schirm haben. Unser Reiseführer hatte auch schon diverse groß angekündigte und auch eröffnete Orte der Kunst erwähnt sowie das zweitgrößte Planetarium Italiens – alles längst geschlossen, mit einer in den Sternen stehenden Wiedereröffnung.

Auch die Altstadt gehört zu den begonnenen ‚progetti‘, mit denen sich ein verflossener Bürgermeister Ruhm verschaffen wollte. Manches scheint dem Verfall preisgegeben, anderes ist anrenoviert, z.B. mit neuen Fenstern, es gibt viele ‚murals‘ mit politischen Inhalten, wenige Geschäfte. Aus einigen Seitenstraßen dringt muffige Luft in die Hauptader, die nach oben zum Dom führt.

Die Kathedrale, der Santa Maria Assunta geweiht, ist eine Überraschung. Romanisches Innere, mit zeitgenössischen Stoffbahnen zu Glauben und Kirche, die zwischen den Säulen baumeln, einer Ikone (Madonna del Pilerio, die Cosenza im Mittelalter vor der Pest bewahrt haben soll), dem Grabmal von Isabella von Aragon und einem Sarkophag aus der römischen Kaiserzeit, in dem die Gebeine des Sohnes von Friedrich II., Heinrich, in einem Kästchen lagern und an dessen Vorderseite ein Relief eine Episode der Aeneas (Kampf mit dem Wildschwein) veranschaulicht.

Eine Ecke weiter wieder eine Piazzetta, an der das Erzbischöfliche Diözesanmuseum seine Tore gerade noch eine halbe Stunde offen hält. Innen empfangen uns neben zwei sehr netten, hilfsbereiten Herren am Empfang im inneren des Museums gut ausgeleuchtete Büstenreliquiare, Altarbilder, Heiligenstatuen sowie reich bestickte Messgewänder, Chasubles und Bischofsschühchen in und außerhalb von Vitrinen. So einen guten Eindruck hat schon lange keine Domschatz mehr gemacht! Das Prunkstück ist ein Reliquienkreuz aus dem 12. Jahrhundert, von Friedrich II. zur Wiederherstellung der einem Erdbeben zum Opfer gefallenen und wieder aufgebauten Kathedrale. Es ist kleiner als es von den Bildern her schien und steht in einer Nische, an deren Wand die kleinen emaillierten Bilder, der Goldschmuck und die zahllosen Edelsteine in groß projiziert werden, vor dem akustischen Hintergrund einer dezenten uralten Kirchenmelodie. Dieser Kirchenschatz hat es in sich; seit dem im Aachener Dom hat mich keiner mehr so angesprochen. Der Volksglaube hat außerdem die Madonna del Pilerio x-fach kopiert, mit Kronen oder Perlenketten versehen.

Nach so viel Kunst rufen unsere Mägen nach einer Stärkung. Natürlich wissen wir, dass es zur ‚Antica Salumeria‘ nur noch wenige Meter sind. Dort lassen wir uns eine Platte feinster Salume, Saucen und Käse servieren, alles kalabrische Spezialitäten (z.B. auch ‚Nduja‘, eine Zubereitung vom Schwarzen Schwein mit Tomaten und Peperoni), und auch ein kleiner Auflauf mit Mangold und Käse liegt noch auf dem Brett. Auch hier ist man sehr freundlich, über das normal-touristische Maß hinaus. Zum Abschluss erfreuen zitronige kalabrische Dolci (vgl. Cedro, die Riesenzitrone, die unser Händler in Rednitzhembach auch manchmal bereit hält) unsere Gaumen und führen zusammen mit Kathedrale und Domschatz zu einem letztlich sehr guten Eindruck von Cosenza. Mit je einem Glas ‘Nduja und Marmelade aus roter Zwiebel sowie Aufschnitt von Capocollo und Porchetta (Spanferkelbraten) nehmen wir einen anderen Weg zurück.

Wir blicken auf den Zusammenfluss des Flusses Crati mit dem Busento (vgl. die Ballade August von Platens, „Das Grab im Busento“, die ich Tom später vorlese und deren Ruhm er für lupenreines ‚Germanisten-Gschmarri‘ hält…) und erreichen mit Blick auf die formschöne Calatrava-Brücke über den Crati bald unser Apartment.

Ein bisschen Angeberei sei mir an dieser Stelle gestattet, denn wir haben die Werke des spanischen Star-Architekten Calatrava schon an mehreren Orten der Welt mit und ohne Freunde bewundert: die Brücken in Bilbao (zu zweit) und in Jerusalem (mit Judith), die Bahnhöfe von Lissabon und den Montjuic Kommunikationsturm in Barcelona (beide mit Constanze und Walter), das Hochhaus „Turning Torso“ in Malmö und den Bahnhof von Liège (zu zweit). Meinem Rücken genügt die heutige Exkursion, und wir sehen uns schmunzelnd noch die via Internet die „Heute Show“ vom vergangenen Freitag an.


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