Die Sonne lacht auch heute vom blauen Himmel, und so frühstücken wir wieder draußen. Gleich danach Aufbruch Richtung Santa Maria di Leuca, Bekannt ist der Ort vor allem für den Santuario, seine Wallfahrtskirche. Sie ist vom Papst in den Rang einer Basilika Minore erhoben. Im Inneren herrscht unter einer Handvoll Betenden andächtige Stille. Devotionalienhändler sind jetzt, in der Nachsaison, außerhalb des offiziellen Ladens nicht zu sehen. Unweit der Kirche steht ein strahlend weißer, knapp 50 Meter hoher Leuchtturm. Er ist nicht begehbar, aber auch schon von seinem Fuß aus ist der Blick über Bucht und Stadt großartig.
Santa Maria di Leuca erlebte ein touristisch glanzvolle Epoche gegen Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit stammen ca. 40 zum Teil riesige, oft farbenprächtige oder architektonisch interessante Villen, von denen einige auch mit bloßem Auge von oben gut zu erkennen sind.
Vor einer solchen Villa parken wir kurz darauf unten am Lungomare, werden aber sofort von einem Italiener angesprochen, der Tickets für eine Bootsfahrt zu den Küstengrotten verkaufen möchte. Oh, das hatten wir nicht auf dem Schirm…! Aber warum nicht, bestes Wetter…! Wir helfen noch einem amerikanischen Ehepaar aus Charlotte beim Erwerb der Tickets. Später erfahren wir von ihnen im Gespräch, dass sie sich zu den modernen ‚Nomaden‘ zählen, die nach dem Eintritt in den Ruhestand alles verkauft haben , sich nun eine Gap-Zeit in Europa gönnen und noch nicht wissen, wo sie sich nach der Rückkehr niederlassen wollen. Das erklärt dann auch ihre zunächst für mich seltsam wirkende Frage: „Do you have a home?“
Zu elft sitzen wir im Boot und Salvatore fährt so langsam an der Küste entlang, dass wir viele Villen, teils schlicht-elegant, teils disneymäßig überzogen, vom Wasser aus bewundern können. Der Kontrast zwischen ocker-braunen Felsen und türkisblauem Wasser könnte nicht größer sein. Natürlich tragen alle etwas größeren Grotten Namen – der Anblick reicht uns… Die größte weist drei Eingängen und heißt auch so: Tre porte. An der Punta Ristola, dem geografischen Endpunkt Apuliens, schippern wir ebenfalls vorbei. Nach etwa der einer Stunde darf, wer möchte, sich auch ins blaue, erfrischende Nass stürzen. Herrlich klares Wasser – man sieht bis zum Grund.
Weil das Meer nicht ganz ruhig ist und es eine Strömung zum Land gibt, verzichten wir darauf, auch in die Höhle hinein zu schwimmen. Leider betrete ich das Boot etwas unvorsichtig und rutsche aus… autsch! Das gibt einen blauen Fleck am Knie und eine Prellung im Rückenbereich (schwer zu lokalisieren…), die mich voraussichtlich noch eine Weile begleiten wird. So ein Mist!
Auf oft schmalen Straßen fahren wir, so lange wie möglich, immer knapp am Meeresufer entlang, in Richtung Gallipoli. Sehenswerte Ortschaften gibt es nicht, Ortskerne sind kaum auszumachen. Der Tourismus hat alles zersiedelt. Aber wir genießen die Fahrt nicht ins, sondern am Blauen trotzdem. Tom meint sogar, an manchen Stellen müsse er an den Highway number 1 in den USA denken – ein starkes Kompliment für das Salento!
In Gallipoli steigen wir bei der Fontana ellenistica, einem stark verwitterten Überbleibsel aus der griechischen Epoche der Stadt (mit Neustadt etwa 20.000 Einwohner), aus dem Auto, sind gleich bei Santa Cristina, in deren Vorraum eine Pappmaché-Statue der Schutzpatronin Gallipolis, Cristina, steht und beim Hafen, wo Fischer gerade ihren Fang säubern und sortieren. Eine Brücke führt in die Altstadt und das Sträßchen auch bald zur Kathedrale, der Santa Agata gewidmet. Ihre barbusige Darstellung sagt mir nichts, erhellt sich aber nach dem Lesen der Heiligenlegende. Jetzt nehme ich auch die Schnittwunden an der Brust wahr – aha: Weil sie die Ehe mit dem heidnischen Statthalter ablehnte, ließ er sie erst in ein Freudenhaus sperren und ihr dann die Brüste abschneiden. Da nun nachts der Heilige Petrus kam und ihre Wunden pflegte, legte man sie auf glühende Kohlen, woran Agatha dann starb. Die Fassade der Kirche ist ein schönes Beispiel des sog. Lecceser Barock, von dem wir morgen in Lecce noch mehr sehen werden. Auch der Stein ist ein besonderer, pietra leccese genannt, in einem schönen Farbton, aber nicht so sehr haltbar.
Ziel ist der Spiaggia della Purità, der sich mit den Häusern um die Bucht herum als der malerischste Punkt der Altstadt herausstellt. Dass ein Ristorante auch noch seine Stühle an die Kaimauer gestellt hat und sogar die Tische (ca. 17.30 Uhr) schon eingedeckt sind, erweist sich als Glücksfall: Wir kehren ein, bestellen Antipasti di pesce (Fisch), als ‚primo‘ danach Orecchiette mit Cime de Rapa und Sardellen und wählen aus dem Tagesfang einen frischen Fisch namens Dentice aus, der sich laut google als Red Snapper herausstellt – a la griglia mit ebenfalls gegrilltem Gemüse in drei Sorten: Ein Gedicht!