Montag, 23.10.2023: Cutrofiano und Otranto

Spontan beschließen wir, dass das Ziel des heutigen Ausflugs nach Otranto führen soll, jedoch müssen wir erst unser Navi austricksen, das uns partout über die Staatsstraßen leiten will. In kleinen Schritten programmieren wir die Route, bis wir in Cutrofiano nach kurzem Zögern halten, weil wir im Vorbeifahren einen schönen Platz wahrgenommen haben, an dem es bestimmt auch eine nette Bar gibt. Noch ahnen wir nicht, dass der kleine Ort im salentinischen Nirgendwo nicht nur Espresso zum Toteerwecken bietet, sondern auch noch eine gut sortierte Erboristeria aufweist, die gute Düfte und vieles mehr verkauft sowie ein kleines, aber wirklich sehr feines Keramik-Museum und auch Oldtimer-Liebhaber wie den Besitzer des kleinen Fiat 850 Coupés, der mir, während Tom sein Gefährt fotografiert, erzählt, dass er einige Jahre in Deutschland gearbeitet hat.

Es gibt wohl immer noch etliche aktive Keramik-Betriebe, die wir aber nicht aufsuchen, sondern uns einer Masseria, also einer Art Farm, die schon lange familiengeführt ist, zuwenden, die diverse Weine und Olivenöl produziert. Wir huschen gerade noch vor der Mittagspause hinein und dürfen einige Wein probieren. Natürlich gehen wir nicht ohne ein paar Flaschen wieder zum Auto zurück. Die Malvasia-Traube, die wir schon aus Kroatien kennen, ist auch im Salento eingeführt, und der aus ihr gewonnene Weißwein hat uns bisher noch nie enttäuscht. Olivenöl brauchen wir auch gerade – passt wunderbar. Der 9000-Einwohner-Ort – völlig touristenfreie Zone – und die Masseria L‘Astore (www.lastoremasseria.it) gefallen uns sehr gut!

Im kleineren, aber viel berühmteren Otranto schlendern wir erst am Lungomare entlang, mit Blick auf glasklares Wasser und zwei Molen, bevor die trutzige Porta Alfonsina uns Blick und Weg in die Altstadt öffnet.

Nach wenigen Schritten stehen wir schon vor der Kathedrale Santa Maria Annunziata, und just in diesem Moment tun sich die Tore zur Krypta auf. Bis die ersten Besucher*innen von oben in die Krypta hinuntersteigen, sind wir im Wald der Säulen und wunderbaren romanischen Kapitelle noch fast alleine – herrlich! An mancher Wand befinden sich noch Reste von byzantinischen Fresken, und man sieht z.B. den Hl. Antonius oder auch das Jesuskind und den Ochsen.

Gleich neben der Treppe, die zur Oberkirche führt, liegen noch weitere Stufen, die zu einem Vorgängerbau gehören. Unser Reiseführer schwärmt von der Kirche als einem „Musterbeispiel des romanisch-apulischen Baustils“. Der Boden ist ganz besonders schön: Während die Kathedrale 1088 geweiht wurde, legte ein Mönch namens Pantaleonis Mitte des 12. Jahrhunderts den kompletten Fußboden in Längs- und Querschiff mit einem Kalkstein-Mosaik aus. Seine Ideen bezog er aus der Bibel (z.B. Kain und Abel), aber auch aus der Mythologie (Halbgöttermotive) und seinem sonstigen ‚Weltwissen‘ (Tiergestalten). Es wimmelt nur so von Motiven, jedoch ist das Mittelschiff per Seil abgesperrt und zusätzlich vertsperren Kirchenbänke die freie Sicht – wie schade!

Ein bisschen entschädigt der Blick nach oben zur sehr schönen, vergoldeten Kassettendecke aus der Renaissance. Auch vier Säulenfragmente aus derselben Epoche sind Glanzstücke. Kurios ist die Präsentation im rechten Seitenschiff von Schädeln und Knochen der geschichtlich überlieferten 800 Märtyrer der Stadt, die sich nach der Eroberung Otrantos durch die Osmanen lieber enthaupten ließen als zu Muslimen zu konvertieren. Vor der Kapelle mit den Reliquien scharen sich gerade zwei Gruppen (Deutsche bzw. Franzosen), die angesichts der Gebeine das Gruseln lernen wollen…

Die Kathedrale ist deutlich sehenswerter als die herausgeputzte Altstadt mit ihren unzähligen Souvenirläden, weswegen wir bald unserem Parkplatz entgegenstreben und uns zwischendurch fragen, welcher heutige Pkw wohl weniger als 1,80 Meter breit ist…. Der Plan ist, an der Uferstraße die salentinische Küste entlang zu fahren. Karge Landschaft, kaum Dörfer, steile Klippen zum Meer – hier sieht Italien noch sehr ursprünglich aus.

In Santa Cesarea Terme halten wir nur kurz, um einen Blick auf einen Palast im maurischen Stil zu werfen – sieht ungefähr genauso unpassend aus wie der indisch anmutende Royal Pavilion im englischen Brighton. Bei Castro verlassen wir die Küste und erreichen über die Staatsstraße schnell unser Domizil. Müde, aber erfüllt und glücklich über den schönen Tag!


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