Die Wahl fällt auf einen Ausflug ins Landesinnere, wo es fast überall weite Haine mit Olivenbäumen gibt, deren Stämme oft äußerst verwachsen und verknorpelt, weil x-fach abgeschnitten, sind. Kurz vor dem Ort Castellana Grotte fährt Tom eine Tankstelle an, zieht nach rechts und findet sich an der Zapfsäule mit Service. OMG, möchte man rufen! Waren das noch Zeiten, als es Tankstellen MIT Tankwart gab… Zwar kostet der Liter ein paar Cent mehr, aber es ist doch ein kleiner Alltagsluxus, den wir schon völlig verschwunden glaubten – wir fühlen uns quasi verjüngt…!
Der Eingang zu den ‚Grotte di Castellana‘ ist rasch gefunden. Vorteil der späten Reisezeit: Wo größe Schattendächer vor den Kassen aufgestellt sind, steht außer uns fast niemand herum. Als die (eine) Kasse nach 10 Minuten Wartezeit, in der ich mich mit einem Frankokanadier zu unterhalten versuche (welch ein Slang…!), öffnet, bekommen wir noch ein Ticket für Führung um 12 Uhr, die ein paar Minuten später anfängt.
Es ist ein 100-minütiger Höhlengang in Italienisch, aber die Sprache ist so gut wie egal, denn 1) wissen wir das Wichtigste aus dem Reiseführer, 2) gibt die Führerin ihre Unterweisung in auswendig gelerntem Singsang in weiter Ferne zu uns ab. Die Höhle ist 1938 entdeckt worden, und eigentlich muss man Höhlensystem sagen. Der Eingang war mit Müll verstopft, denn das Volk hielt den Eingang für den direkten Zugang zur Hölle und warf fleißig Abfall in das große Loch (frühe Müllverbrennung??) . Erst viel später war klar, was da geöffnet wurde: Die größte, für jedermann zugängliche Tropfsteinhöhle Italiens soll sie sein, allerdings soll die Grotta Gigante bei Triest noch größer sein. Jedenfalls sind Tom und ich schwer beeindruckt von den verschiedenen, teils über 40 Meter hohen, Hallen, die sich öffnen, mal mit bräunlich gefärbten Stalagmiten und Stalagtiten, mal mit weißen. Der letzte Saal ist Trumpf und Triumph zugleich: ganz in weiß – unglaublich schön anzusehen! Wir würden gerne alleine und lange dort verweilen!
Da in der ganzen Höhle das Fotografieren nicht erlaubt ist, haben wir leider keine Bilder davon. Wenn man sieht, wie schwer es die Angestellten haben, die verschiedenen Besuchergruppengruppen (kurz nach uns begann eine englischsprachige Führung) zusammenzuhalten, kann man schon verstehen, dass fotografierende Touristen die schmalen Wege komplett verstopfen würden.
Wegen der rutschigen drei Kilometer unter der Erde (zum Glück gibt es am Ende einen Aufzug!!) und dem Wechsel zwischen nach unten und oben blicken, sind wir etwas erschöpft und machen eine kleine Kaffeepause im nächsten Ort. Bald danach treffen wir in Alberobello mit seinen 1996 unter UNESCO-Welterbe-Schutz gestellten Trulli ein. Hier wimmelt es von Touristen aus aller Herren Länder, und der pittoreske Ort wirkt zumindest in den Hauptstraßen etwas überrenoviert und zu herausgeputzt.
Die ‚Zipfelmützen‘ der Trulli sind natürlich schon nett anzusehen, mit etlichen Schlusssteinvarianten, und wenn man die kargen Böden sieht, versteht man, dass frühere Bewohner der Gegend irgendwann die Idee hatten, die gefundenen Steine lose und ohne Mörtel zu einer Mauer aufeinander zu schichten und mit dem Dach ähnlich zu verfahren. Heute scheint allerdings auch mit viel Beton renoviert zu werden.
In den Nebenstraßen leben aber nicht nur Souvenirhändler, sondern auch ‚richtige Menschen‘, was alles etwas erträglicher macht. Wir steigen zur Kirche hinauf, deren Schutzheilige Cosmas und Damian sind, deren Statuen auch gleich in Lebensgröße hinter dem Altar zu sehen sind. Wie Tom feststellt, hat er noch nie eine Kirche besucht, wo so oft das Wort ‚uscita‘ (Ausgang) per Schild aufgehängt ist, vermutlich, um die sommerlichen Touristenströme zu kanalisieren.
Wir suchen rasch das Weite und erreichen wenige Kilometer später den wunderschönen, an andalusische Dörfer erinnernden Ort Locorotondo, den ‚runden Ort‘, was man im Inneren der Altstadt allerdings nicht merkt. Auch hier werden die Steine der Dächer nur gelegt, aber die Häuser sind höher und die grauen Dächer spitziger. Der Wind pfeift durch die Gassen der Altstadt, doch die Stimmung ist trotzdem (oder gerade deswegen?) in der Dämmerung sehr schön. Nach Einbruch der Dunkelheit geht es zurück in die FeWo in Polignano, wo ein kaltes Abendessen mit leckerem Käse aus Apulien schnell zubereitet ist. Puh, ein schöner, aber anstrengender Tag geht zu Ende!