Unsere Ferienwohnung liegt im neueren Teil Polignanos; er grenzt an die Altstadt an und ist vermutlich die oft übliche schachbrettartige Erweiterung aus dem 19. Jahrhundert. Die Straßen sind sehr schmal und immer abwechselnd als Einbahnstraße gekennzeichnet, was – quer geguckt – einen gehörigen Schilderwald verursacht. Zum Abbiegen muss man, wenn man schlecht kalkuliert, einmal zurückstoßen. Nicht weit weg von unserem Airbnb öffnet sich am Lungomare ein größerer Parkplatz, wo unser Ford steht. Im Sommer möchte man hier nicht mit dem Auto unterwegs sein. Ich korrigiere: Auch von den Temperaturen her wollten wir im Sommer nicht in Apulien sein – heute, am 19. Oktober, sind es 27 Grad!
Wir frühstücken in einem hippen Café, wo man uns Krapfen bzw. Croissant mit Pistaziencreme serviert – sehr lecker, bestimmt auch sehr kalorienreich… Danach kaufen wir frischen Fisch in einer Pescheria: Das Los fällt auf zwei Doraden, zusammen etwa ein Kilogramm schwer, für elf Euro. Im Supermarkt besorgen wir noch Waschmittel (ok, es wäre leichter gewesen, welches von zuhause mitzunehmen, aber hier ist es spannender…). Mit Hilfe der Putzfrau aus der Nachbar-FeWo bekomme ich die ‚lavatrice‘ auch zum Laufen – der entscheidende Befehl befand sich nämlich noch nicht in meinem Wortschatz. Flugs die Wäsche zum Trocknen auf das Gestell vor dem Fenster gehängt – da fühle ich mich doch gleich fast einheimisch!
Wir erkunden den Ort, in dem es überraschenderweise von Tagestouristen wimmelt. Offenbar ist die exponierte Lage auf dem Felsen der entscheidende Tourismusfaktor, der die Urlauber in Apulien anzieht. Wir sind erstaunt, wie viele Lädchen es in der Altstadt gibt, z.T. auch mit wirklich schönen Sachen wie apulischer Keramik, aber natürlich auch mit viel Kram. Oft wachsen Kakteen vor den Häusern, immer wieder öffnet sich die Straße zu einem schönen Blick aufs blaue Meer, hoch über dem Wasserspiegel.
Polignano ist auch für seine vielen Grotten bekannt, die man natürlich mittels Boot besichtigen kann, wonach uns aber gerade nicht der Sinn steht. Wir blicken auf die Schlucht/Bucht, die wir schon gestern Abend sahen: Heute tummeln sich sogar Schwimmer im Wasser, den Strand bevölkern viele Menschen. Ein bisschen erinnert die Szenerie an ein Meeresbecken im Zoo: Ebenso viele Menschen wie sich unten aufhalten, blicken von oben auf sie herunter. Na, wem es gefällt…!
In der mittäglichen Pause beschließen wir, mit dem Zug in die achteinhalb Kilometer entfernte Stadt Monopoli zu fahren. Die Stadt hat mit 48.000 Einwohnern mehr als doppelt so viele wie Polignano (19.000), besitzt auch eine verwinkelte Altstadt, (natürlich) viele Kirchen, eine Festung mit ein paar Kanonen und – sehr pittoresk – einen ‚porto antico‘, einen alten Hafen, in dem auch höchst malerisch blau-rote Holzboote platziert sind – früher mit Rudern, heute mit Motor. Ein Fischer ist noch bei der Arbeit, ein Boot hört auf den Namen ‚Cornelia‘.
Die ‚chiese rupestre‘ – in den Tuff-Felsen gegrabene Kapellen mit Fresken – sind leider alle geschlossen, aber die barocke Kathedrale weist im Altarraum sehr schönen, farbigen Marmor auf und ihr Herzstück, eine Ikone der Hl. Maria von Madia. Der übrige Marmor ist ‚fake‘, will heißen Stuckmarmor, der zwar eine gute Fernwirkung hat, sich aber beim genauen Hinsehen eben doch nur als aufgemalt erweist. Auch wenn manche Kirche geschlossen ist, so sind doch fast alle Kneipen und Cafés geöffnet, weswegen wir uns dann auf dem Largo Garibaldi niederlassen und einen Aperol Spritz genießen.
Den Fußmarsch zum Bahnhof verkürzt der Blick in verschiedene Geschäfte; es gibt mehrere einladende Feinkostläden mit apulischen Spezialitäten und einen wunderbaren Käseladen, in den man sich am liebsten gleich einsperren lassen möchte. Guten Muts erreichen wir ohne Hetze den Bahnhof, um nach einer knappen Stunde des Wartens auf unseren Regionalzug – offenbar Personen auf der Fahrbahn zwischen Lecce und Monopoli – doch letzten Endes aufzugeben: Wir ordern ein Taxi – teuer, aber schnell erreichen wir Polignano Centro und widmen uns zubereitend und verzehrend den beiden Doraden. Wenigstens einen Vorteil hatte die Warterei am Bahnhof: Wir wissen jetzt, dass am morgigen Freitag das Zugpersonal von Trenitalia streikt und wir deswegen nicht den Zug nach Bari nehmen, sondern umdisponieren werden.