Eigentlich haben wir vor, den Bus um 7.15 Uhr zu nehmen, um noch vor den Massen an Kreuzfahrttouristen in der Altstadt von Dubrovnik anzukommen. Um 5 Uhr stelle ich aber fest, dass eine starke Bora – ein garstiger Fallwind aus nordöstlicher Richtung – weht. Günstigenfalls hört er nach ein paar Stunden auf, schlimmstenfalls ist manche Brücke oder Autobahn auch mal drei Tage gesperrt. Ich beobachte in der Ferne zwei Kreuzfahrtschiffe, die Kurs auf die Route zum Hafen nehmen – und wieder abdrehen. Dann können wir unseren Ausflug ohne Reue auch später starten – um 10.30 Uhr geht wieder ein Bus. Später zeigt mir Tom in seiner App, dass beide Schiffe Kreise oder Achten gedreht haben, wohl in der Hoffnung, dass sich der Wind legt. Zwar nimmt das kleinere von beiden dann letztlich noch mal (einen erfolgreichen) Anlauf – macht aber dennoch mindestens 2500 Touristen weniger als befürchtet!
Das merken wir gleich, als wir am Pile-Tor aussteigen: Vor uns steht niemand (!) an der Kasse des Zugangs zur Stadtmauer an! 35 Euro kostet der Eintritt zu zwei Kilometern Stadtmauer – für eine Person! Zähneknirschend bezahlen wir unseren Mauererhaltungsobulus. Alles ist gut mittels Einbahnweg geregelt. An manchen Stellen ist der Weg zwischen den Mäuerchen in oft schwindelnder Höhe so eng, dass kaum zwei Menschen aneinander vorbeikommen. Man muss sich also gut überlegen, wo man mit dem Foto im Anschlag den Weg blockiert…
Es geht auf und ab über viele Stufen, meist komfortabel über einen von Tausenden Besuchern glatt geschliffenen Steinplattenweg – vielleicht sieht der fast spiegelnd weiße Stein auch nur so rutschig aus, jedenfalls fühle ich mich ein klein wenig wie auf rohen Eiern. Aber die Aussicht, sowohl auf die Stadt als auch aufs glitzernde oder tiefblaue Meer, ist traumhaft, sehr abwechslungsreich und mit vielen wechselnden Perspektiven. Manchmal tut sich unter uns sogar ein Garten auf oder ein Sportplatz neben einer Schule. Wir schauen auf die Festung in der Nähe, eine Insel in der Ferne, in enge Gassen, auf Balkone gleich neben der Mauer, auf Grundmauern ehemaliger Gebäude, sind auf Augenhöhe mit Kirchenglocken oder sehen auf fast ausschließlich frisch gedeckte Dächer, die Kriegswunden heilen. Manchmal führt auch ein steiler Weg zu einem Café hinunter, das wie an die Stadtmauer angeklebt erscheint. Sind anfangs noch viele Menschen auf der Mauer, so werden es nach dem zweiten Eingang schon viel weniger und nach dem dritten erst recht. Inzwischen hat sich auch der frische Wind gelegt, und wir schwitzen ordentlich.
Die Hauptstraße hinter dem Pile-Tor ist mittags nun sehr belebt; wir streifen ein wenig umher und bewundern so manches mittelalterliche Gebäude, z.B. die Dogana. Den Palast des Rektors betrachten wir aber nur von außen – hier werden noch einmal 20 €/Person verlangt. Das finde ich zu viel: Uns erwartet schließlich nicht der Louvre, sondern ein Innenhof und Exponate zur Stadtgeschichte. Wir erfreuen uns also nur von außen an der Fassade und schönen Säulenkapitellen und genießen den Ort um so mehr, als sich genau gegenüber ein Café befindet, das den besten Capuccino Kroatiens serviert, wie wir finden.
Der Michelin-Führer empfiehlt mit einem ‚bib‘ (Abkürzung für das dicke weiße Michelin-Männchen, dem Michelin-Logo, der den Namen ‚Bibendum‘ trägt) ein Restaurant mit bosnischer Küche mitten im Gassengewirr der Altstadt. Restaurants mit ‚bib‘-Prädikat tragen keinen Stern, sind es aber wert, besucht zu werden. Kurioserweise heißt das Lokal „Taj Mahal“ – ohne Michelin hätten wir es nicht beachtet, weil wir indische Küche vermutet hätten. Auf Nachfrage erklärt die Kellnerin den Doppelsinn des Namens: Mahal bedeutet auf bosnisch ‚Gasse‘. Man serviert uns landestypische Gerichte; alles ist sehr fein gewürzt, erfreut unsere Gaumen und macht uns Lust auf eine Balkan-Reise. Auch die Nachspeise – Käsekuchen mit Halva – ist ein Knüller (leider auch, was die Kalorienanzahl angeht).
Ein bisschen erinnert die Stadt an ein Museum, es ist so eine Art kroatisches Rothenburg; übrigens gibt es auch einen ‚Christmas Shop‘ und mindestens eben so viele amerikanische und asiatische Touristen wie in Mittelfranken. Lediglich die Außenbezirke Dubrovniks sind deutlich größer als in Rothenburg – Dubrovnik hat knapp 50.000 Einwohner! Lozica, wo wir wohnen, ist ja auch eingemeindet.