Um 8.30 Uhr präsentieren wir uns heute am Eingang 2 und nehmen etwa 20 Minuten später den Panoramazug zur Station 3. Ziel sind die gestern noch nicht erkundeten Wege, die es entweder in Form von ‚normalen‘ Wanderwegen oder Plankenwegen gibt. Aufregender sind meist letztere, vor allem, wenn unter den Schuhen das Wasser rauscht oder man ganz nah an Stromschnellen vorbei kommt. Die Sogwirkung ist enorm – manchmal greift man gerne nach einem Holm. Die Wege werden täglich geprüft, oft ausgebessert, manch eine Brücke auch einmal pro Jahr neu gebaut. Anerkennend muss man sagen: Die Kroaten leisten hier Großes, was das Zugänglichmachen ihres Naturwunders betrifft. Hut ab! Denn auch sonst ist die Organisation toll: Der Panoramazug fährt drei Stationen an, außerdem gibt es zwei Möglichkeiten zur Fährbenutzung – alle touristischen Erleichterungen fahren in engem Takt. Mülleimer gibt es erstaunlicherweise nur an den Parkeingängen, und offenbar wird der Aufforderung, seinen Müll einzupacken, gerne Folge geleistet. Auf 18 Kilometern Weg sah ich eine Bananenschale herumliegen, mehr nicht! Die Kehrseite: Wo es Mülleimer gibt, findet man auch Toiletten, die zwar reichlich ausgeschildert werden, aber etwa eineinhalb bis zwei Gehstunden voneinander entfernt liegen. Das kann drangvoll werden…! Und: Der Park ist absolut mückenfrei. Wie das bei so viel Wasser – und nicht immer nur fließendem – möglich ist, möge mir jemand erklären, der sich auskennt.
Auch heute zeigt sich der Bär nicht; wir sehen lediglich eine Libelle, eine Maus, ein Eichhörnchen und eine schwarze Katze, die zum Sprung ansetzt („Oh, a Croatian mountain lion!“, meint scherzend ein uns entgegenkommender Amerikaner). Um so strahlender aber leuchtet das Wasser der Seen im Sonnenlicht! Welch wunderbare Grün-, Türkis- und Blautöne, dazu einige leuchtendrote Büsche, manch gelbes Ahornblatt! Rings um die Seen findet man jedoch auch viele Buchen, die ihr Herbstkleid noch nicht angezogen haben. Jedenfalls genießen wir auch jeden Meter des heutigen Tages und die vielen Gelegenheiten zum Fotografieren. Ich beginne eine Reihe von Fotos, die ich insgeheim ‚visual poetry‘ nenne: Die Motive weisen mehrere Schichten, Farben und Formen auf – über, auf und im Wasser, wodurch sich eigenwillige Effekte ergeben.
Heute gibt es zur Belohnung für mit 13.269 Schritten und in 31 Stockwerken zurückgelegte 8,6 Kilometer einen Topfenstrudel; das kroatische Gebäck ist immer noch stark k.u.k.-beeinflusst. Bevor wir uns aber wieder im Garten in der Horizontalen erholen, müssen wir noch zum Postamt im Nachbarort, weil Tom versehentlich den Schlüssel unseres Hotelzimmers auf Krk eingesteckt hat. Ein unvermutet langes Unterfangen: Nein, man kann nicht einfach eine im ‚Konzum‘ erworbene, weißgrundige Geschenktüte (mangels Umschlag) falten und zukleben – auf keinen Fall! Die Postbeamtin reagiert empört. Wir können aber vor Ort einen wattierten Umschlag kaufen, dann schreibt SIE unseren Absender auf den Umschlag (offenbar sehen wir aus, als seien wir des Schreibens unkundig… wer solche Fantasie-Umschläge anschleppt, verdient es nicht anders…!). Danach verlangt sie die Adresse (Handy!), fragt nach unserer hiesigen Adresse (wo wir morgen abreisen), schreibt beides auf die Vorderseite des Umschlags und füllt noch einen langen Zettel aus, der am Ende auf die Rückseite geklebt wird. Die ganze Aktion kostet knapp acht Euro und erinnert mich stark an einschlägige Erlebnisse großer Umständlichkeit auf chilenischen Postämtern. Aber hier in Europa hätte ich das beim Versand von Kroatien nach Kroatien nicht erwartet!